Im Weihnachtswunderland. Gisela Sachs
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Aber nichts geschieht.
»Ich bin ganz froh, dass ihr hier seid, Kinderchen«, seufzt der Spinnenopa zum wiederholten Mal. »Endlich, endlich habe ich jemanden zum Reden. Ich bin alt, ich weiß viele Geschichten.
Und er fängt traumverloren zu erzählen an. »Seit langer, langer Zeit spinne ich in diesem Keller meine Kunstwerke. Wie lange schon, das weiß ich nicht. Ich habe keine Uhr und alle Zeit der Welt. Jede Ecke des Kellers habe ich mit meinen Kunstwerken ausgeschmückt«, sagt er stolz. »Aber es ist keiner da, der meine Arbeit bewundert, keiner, der mit mir spricht. Ich möchte gerne Freunde haben, meine Freude und meinen Kummer teilen können.«
Minkie und Pinkie nicken. Das verstehen sie gut. Es ist nicht schön, ohne Freunde und Verwandte zu leben.
»Einmal im Monat kommen Menschen mit Besen und Sprays in den Keller. Sie zerstören meine ganze Arbeit. Und ich muss immer wieder von Neuem anfangen. Das ist sehr traurig. Aber aufgeben tue ich nicht!«
Minkie und Pinkie nicken. Der Spinnenopa lächelt. »Ich habe lange auf Freunde gewartet. Und jetzt endlich ist mein Wunsch in Erfüllung gegangen. Ihr werdet für immer hier bei mir im Keller bleiben. Ihr könnt für mich sorgen, kochen, putzen, aus der Zeitung vorlesen.«
Pinkie und Minkie sehen sich erschrocken an. Sie wollen nicht in diesem Keller bleiben. Keinen einzigen Tag lang. Pinkie verzieht sich wieder in die Kellerecke und probiert sein Glück mit einem anderen Zauberspruch. Er flüstert: »Zauberlist und Zauberei, was verschwunden ist, flieg herbei, sofort, genau an diesen Ort.« Und kaum hat er ausgesprochen, steht sein Bett vor ihm, sein Schreibtisch, sein Kleiderschrank. »Umdeshimmelwillen, so habe ich das doch nicht gemeint«, ruft Pinkie entsetzt aus. »Ich will doch nicht in diesem dunklen, stickigen Keller wohnen bleiben. Ohne meine Mama, ohne meinen Papa, ohne die Großeltern und Verwandten. Ich will nach Hause! Ich will zurück in meinen Gespensterwald. Zu meinen Freunden. An den Engelstimmensee ….«
Minkie legt den Arm um die Schultern des schluchzenden Bruders. »Ach Brüderchen«, tröstet sie. »Ich versuche es Mal mit Zaubern. Vielleicht klappt es bei mir ja besser.« Und mit kräftiger Stimme legt sie los: »Simsalabim, Abrakadabra, Hokuspokus Fidibus, drei Mal schwarzer Kater. Hollerie und Hotzenplotz, Mäusespeck und Katzenbuckel, Schlangenei und Krötendreck, bring uns von hier weg.«
Aber auch Minkies Zaubersprüche bleiben ungehört.
»Wir können das Gespenstereinmaleins noch nicht«, sagt Minkie kleinlaut. »Deshalb funktionieren unsere Zaubersprüche auch nicht.
»Da könntest du Recht haben, Minkie.«
»Wir haben ein Unrecht getan, große Schwester!«
»Ja«, flüstert Minkie. »Das haben wir!«
»Jetzt wird es aber allmählich Zeit, die Kinder wieder zurückzuzaubern«, sagt die Großmutter zur gleichen Zeit zu Großvater Aram. »Lass die beiden ruhig ein bisschen schmoren«, antwortet der Opa. »Aus Erfahrung wird man am klügsten!« »Übermorgen ist Weihnachten«, protestiert Oma Lea. »Und die Kinderchen haben doch Geburtstag!«
»Ich weiß«, erwidert der Großvater. »Sie haben aber schwer gefehlt und …«
»Der liebe Gott verzeiht auch Sündern«, kontert die Großmutter. »Denke mal daran, wie es war, als du ...«
»Ja«, sagt da der Opa leise. »Du hast Recht, Lea. Ich geh’ dann mal ins Haus und zaubere unsere Enkelkinderchen wieder zu uns zurück.«
Was waren Minkie und Pinkie doch froh, wieder zuhause im Gespensterwald zu sein. »Nie wieder will ich ungeduldig sein«, erklärte Minkie der Familie. »Und nie wieder wütend«, flüsterte Pinkie kleinlaut.«
»Na das wollen wir einmal sehen«, lacht die Großmutter.
Minkie und Pinkie baten den Großvater, den alten Spinnenopa aus dem Hochhauskeller in Shanghai herzuzaubern, auch den kleinen, grünen Grashüpfer und die vier kleinen Mäusekinder.
»Sie sollen nicht länger ohne Artgenossen in dem stinkenden, lauten Keller sein müssen«, erklärte Pinkie. »Bei uns im Wald wird es ihnen gefallen.« Und Opa Aram nickte.
Zwei Tage später fand im Gespensterwald das größte und schönste Weihnachtsfest aller Zeiten statt. Alle Gespensterfamilien des Waldes waren anwesend und selbst von weit außerhalb der Landesgrenzen waren Angehörige angereist. Sie kamen aus Amerika, Afrika, Polen, Griechenland, Spanien, aus Russland, Kroatien und vielen anderen Ländern. Und der Gespensterwald glich einem Weihnachtswunderwald. Allüberall in den Tannenspitzen sah man Tausende goldene Lichtlein sitzen, Tausende von Wunderkerzen versprühten Funken. Alle Bäume und Sträucher und Büsche waren geschmückt mit Lebkuchenherzen, Lebkuchenweihnachtsmännern, Äpfel, mit rotem und weißem Zuckerguss überzogen. An allen Wegbiegungen leuchteten 101 Meter hohe Freudenfeuer. An allen Büschen und Sträuchern hingen bunte Glaskugeln. Und auf jeder der Kugeln stand Happy Birthday zum 10. Geburtstag.
Die Verwandten haben Festtagstrachten angelegt, und nach der feierlichen Geburtstagszeremonie in der freien Waldkirche unter den Tannenbäumen soll gegessen, getrunken, gesungen, getanzt und gelacht werden. Es soll das größte und schönste Fest werden, das jemals stattfand im Gespensterwald. Und es sollte allen Geladenen bis ans Ende des Lebens in märchenhafter Erinnerung bleiben.
Rund um den Engelstimmensee funkelte und glitzerte es, so weit die Augen schauen konnten. Die Schwäne zogen Bahnen. Sie trugen Kränze aus weißen Lilien um den Hals, die Fische hüpften freudig in die Luft, schlugen Purzelbäume und verschwanden wieder im See. Man konnte das freudige Lachen der Tiere meilenweit hören. Die dicke Unke hatte sich zu Ehren von Minkie und Pinkie in ihr Hochzeitskleid gequetscht. Sie trug einen Strauß mit weißen und roten Rosen in den Händen, stöhnte laut: »Aua, jetzt hab ich mich gestochen.«
Und auf der Bank neben dem wohlriechenden Holunderbusch, genau da, wo Minka und Jakob einst saßen, saßen vier Engelchen in langen schneeweißen Kleidern, weißen Strümpfchen und weißen Lackschühchen, Margeritenblütenkränzen in den goldenen Haaren. Sie spielten mit leuchtenden Augen auf der Harfe. Dazu sangen sie mit glockenreiner Stimme ‚Großer Gott wir loben Dich.’
Oma Lea hatte das ganze Jahr über schon für diese ganz besondere Feier gebacken, in jeder freien Minute. Es gab Lebkuchen und Butterkekse, wie immer. Aber auch spanische Kartoffel-Mandel-Kekse, türkischen Honig, russische Schnitten, Chocolate-Chips-Cookies, gefüllte Haselnuss-Orange-Plätzchen, griechische Buttermandelkekse, polnische Ausstechernikoläuse mit Schokoladenüberzug, teilweise mit Erdbeermarmelade aus dem eigenen Garten gefüllt, Nigeranische Kokosplätzchen und viele andere Weihnachtsplätzchensorten. Die Zugvögel hatten Oma Lea Rezepte aus der ganzen Welt mitgebracht. Und für die Tiere des Gespensterwaldes gab es wie jedes Jahr am Heiligen Abend, die beliebten ‚Woodys Weihnachtsknochen’. Und so ging es Jahr um Jahr weiter. Die Traditionen wurden aufrecht erhalten. Und dass, das immer so bleibt, gibt es hier das Originalrezept. Viel Spaß beim Nachbacken.
Rezept Woodys Weihnachtsknochen (ergibt fünf Tierportionen)
200 Gramm dunkles Mehl, vorzugsweise Dinkelmehl.
200 Gramm Karotten 15 Gramm frischen Ingwer
Wasser nach Bedarf
Zubereitung
1. Schritt
Karotten