Die Göttinnen. Heinrich Mann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Göttinnen - Heinrich Mann страница 14

Автор:
Серия:
Издательство:
Die Göttinnen - Heinrich Mann

Скачать книгу

und über seine steilen Mauern. Noch ganz kürzlich, während einer Überfahrt mit dem Baron Nustschuk. Wir fuhren in Geschäften, es war der wütende Nordwind: Hoheit erinnern sich. Unser Boot wollte umschlagen, eine übermächtige Woge rollte auf uns zu. Ich sah sie nicht an, ich sah zum Himmel auf. Die Welle überschlug sich, dicht bevor sie uns erreicht hatte. Ich wandte mich nach dem Juden um, er war fahl. Ich sagte nur: ich habe gebetet."

      Sie betrachtete ihn.

      "Von Ihnen, Herr Doktor, erfahre ich lauter neue Dinge. — Und lauter Dinge, die ich Ihnen nicht zugetraut hätte."

      Er lächelte schmerzlich:

      "Nicht wahr? Der Revolutionär darf kein Herz, der Tribun kaum ein Privatleben haben? Ich aber bin der fromme Sohn armer Leute, ich liebe mein Kind und spreche mit ihm das Nachtgebet. Das Gemütsleben meines Volkes, Hoheit, das ist's, was sie niemals verstehen werden, die Fremden, die unter uns wohnen."

      "Schon wieder die Fremden. Sagen Sie, war Pierluigi von Assy, der Proveditor der Republik Venedig, in diesem Lande ein Fremder?"

      Er stutzte, er erkannte seinen Fehler.

      "Ich bin weder Italienerin noch Morlakin. Ihr Volk interessiert mich nicht, lieber Doktor."

      "Aber … Die Liebe eines ganzen Volkes! Hoheit, Sie wissen nicht, was das bedeutet. Sehen Sie mich an, um mich spinnt sich ein gutes Stück Romantik."

      "Das sagten Sie schon einmal … Wofür ich mich erwärmen konnte, das wäre der Gedanke, in diesem Lande die Freiheit, die Gerechtigkeit, die Aufklärung, den Wohlstand einzuführen."

      Sie machte lange Pausen zwischen diesen vier Worten. Diese vier Begriffe schienen, während sie redete, in ihr zu entstehen, zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie setzte hinzu:

      "Das ist meine Idee. Ihr Volk ist mir, wie gesagt, gleichgültig."

      Pavic war wortlos.

      "Hier herrscht eine Clique von kleinen Leuten," sagte die Herzogin, "Provinzadeligen, die in Paris lächerlich wären. Bei Hofe begegnen sich Halbwilde mit bürgerlichen Pendanten und überbieten sich an Rohheit. Es ist ein unerquicklicher Anblick, darum möchte ich's abschaffen."

      Sie sprach immer entschiedener. Plötzlich ordneten sich in ihrem Geiste eine Menge Einfälle, und einer zog den andern nach sich.

      "Was tut der König? Man sagt mir, er gibt Almosen. Im Kreise der Prinzessin ist viel die Rede von Suppen und wollenen Westen, was ich zu billig finde. Übrigens ist ein König fast überflüssig, — oder wird überflüssig werden. Ein freies Volk (sehen Sie nach Frankreich!) gehorcht sich selbst. Selbst Gesetze, — ich weiß nicht, ob sie notwendig sind, aber sie sind verächtlich."

      Pavic sagte ganz erstarrt:

      "Hoheit sind Anarchisten."

      "Ungefähr. Meinetwegen soll jemand da sein, der über der Freiheit wacht. Nur deswegen also ein König. "

      Er atmete tief auf vor Genugtuung, denn er meinte, er habe ihre Menschlichkeit entdeckt.

      "Oder eine Königin." versetzte er bedeutsam.

      Sie wiederholte, die Schultern hebend:

      "Oder eine Königin."

      Dann stand sie auf.

      "Kommen Sie wieder, Herr Doktor. Wir haben uns noch mehr zu sagen."

      "Hoheit, ein Befehl von Ihnen genügt zu jeder Stunde, mich herzuführen."

      "Durchaus nicht. Sie haben zu arbeiten, ich sitze untätig. Kommen Sie, sobald Sie Zeit haben."

      Er ward von einer freudigen Regung erfasst. Das Gefühl, gewürdigt zu werden, machte ihm Mut zu einem langen, dankbaren Handkuss. Und er entfernte sich, wie auf Wolken getragen von dem Bewusstsein, er habe mit den Lippen das Fleisch der Herzogin von Assy berührt.

      Sie erfuhr von Pavic, dass ihre Pläne viel Geld kosten würden, und erstaunte darüber.

      "Es wird eine unerhörte Agitation nötig sein und klingende Ermunterungen nach allen Seiten."

      "Das muss eine neue Eigentümlichkeit des Volkes sein. Dafür, dass man ihm Freiheit, Gerechtigkeit, Aufklärung, Wohlstand gibt, verlangt es auch noch Trinkgeld."

      Der Tribun senkte den Kopf.

      "Aber ich habe nichts dagegen," erklärte die Herzogin.

      Darauf schlug er ihr für alle finanziellen Operationen den Baron Nustschuk vor.

      "Dieser Rustschuk ist bereits in sämtlichen Donaustaaten verkracht und in Wien, wo es ihm ebenso erging, auf geradezu glänzende Weise freigesprochen. Jetzt schätzt man ihn auf zehn Millionen."

      Die Herzogin machte eine Bewegung. Pavic besann sich; die Bewunderung des Advokaten für den erfolgreichen Financier wurde rasch unterdrückt durch die sittliche Missbilligung, die er bei dem Volksmanne erregte.

      "Ich lasse Sie, Hoheit, über die Moralität des Rustschuk nicht im Zweifel. Nur ungern bringe ich unsere Sache, die heilige Sache meines Volkes in Berührung mit dieser anrüchigen Persönlichkeit. Ich mache mir schwere Gewissensbisse … indessen…"

      "Warum denn. Er scheint fähig zu sein."

      "Fähig und gefährlich. Zurzeit hält er sich ruhig, aber ich, der ich geschäftlich mit ihm zu tun habe, weiß, welcher Ehrgeiz an ihm zehrt. Er will Minister werden, Minister in einem der Länder des europäischen Asiens, wo er in contumaciam verurteilt wurde: sie sollen sich vor seinem Glanze beugen. Wenn Hoheit mich ermächtigen wollen, ihm inzwischen einen Ministerposten hier in diesem Lande anzubieten … Er ist ja allerdings ein höchst verwerflicher Charakter…"

      "Was macht das?" so entschied sie. "Wenn er uns nur nützen kann. Die ihn verurteilt haben, sind natürlich nicht besser als er. Wen sollte man schließlich verwenden?"

      Sie ließ ihn sich vorstellen. Rustschuk war ein unendlich eleganter Herr mit stark gerötetem, aufgeblättertem Gesicht, dick bedeckt von wolligem schwarzen Haar. In seiner schön gemusterten Hose schüttelte ein weicher Bauch hin und her, und seine dünnen Arme zerteilten behände und eckig die Luft. Er begann, sobald er der Herzogin gegenüber saß, vom Jammer des armen Volkes zu reden, und von glücklichen Ländern unter weisen und schonen Königinnen, und er duftete dabei nach Moschus. Als sie nichts erwiderte, rieb er sich die Hände und ließ merken, dass sie mit Kölnischem Wasser gewaschen waren. Sodann öffnete er sein Schnupftuch; es war, als habe er einen Veilchenstrauß aus der Tasche gezogen. Er klopfte sich auf die Weste und schwenkte den Bauch wie ein Räucherfass: es entstieg ihm eine Patschuliwolke.

      "Gefährlich?" dachte sie. "Er ist ja grotesk."

      Um durch eine schnelle Laune ihr Glück zu erproben, betraute sie ihn auf der Stelle mit der obersten Aufsicht über die Verwaltung aller ihrer Besitzungen, der weiten, über ganz Dalmatien sich erstreckenden Domänen des verstorbenen Herzogs, der Inseln Busi, Lissa, Curzola mit ihren wertvollen Fischereirechten. Und an die Spitze dieses ungeheuren Vermögens getreten, gewann Rustschuk sofort an Sicherheit. Beim Fortgehen sagte er, freundlich belehrend:

      "Das Geld muss also immer mehr werden und uns immer mehr Freunde machen."

Скачать книгу