Charlys Sommer. Anett Theisen

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Charlys Sommer - Anett Theisen

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Ich brauche ein bisschen Ruhe.“

      „Vor mir?“ Sein jungenhaftes Grinsen war eindeutig frech.

      ‚Baut er mir eine goldene Brücke oder was hat er vor?’ Ehe sie jedoch antworten konnte, fuhr er fort: „Oder darf ich mich als Chauffeur anbieten?“

      ***

      Fasziniert sah Gereon, wie schlagartig ihre Augen zu leuchten begannen und sie ihn anstrahlte. Er lächelte zurück. „Dann hole ich mein Auto und Sie überlegen sich, wo Sie hinwollen. Viertelstunde bis Abfahrt?“

      Sie nickte und schlüpfte durch die Hoteltür.

      Seinerseits pfeifend ging er zum Hotelparkplatz und holte den Porsche. ‚Welches wohl ihr Fahrzeug ist?’

      Direkt an der Einfahrt thronte noch immer die BMW, rückwärts geparkt und auf den Hauptständer gestellt. Das sah man selten und war ihm deshalb schon gestern ins Auge gefallen. Er ließ seinen Blick weiterschweifen. ‚Der kleine rote Audi würde gut zu ihr passen’, spekulierte er.

      ***

      Als sie kurz darauf die Hoteltreppe herunterkam, hörte sie draußen den Porsche vorfahren. Den charakteristischen Sound hatte sie schon im Ohr. Er hielt direkt vor der Tür, mit etwa einem Meter Abstand vom Bordstein, der hier ziemlich hoch war, das Verdeck heruntergeklappt.

      „Wow!“ Beeindruckt fuhr sie mit der Hand die elegante Seitenlinie nach. Zeit genug für ihn, aus dem Wagen zu springen und ihr die Beifahrertür aufzuhalten.

      „Nun, wohin?“ fragte er, während er wieder ins Auto einstieg.

      „Oybin“, antwortete sie, die Augen aufs Display des Navis gerichtet, während sie den Ortsnamen eingab. „Waren Sie schon mal da?“

      „Nein.“ Er schüttelte den Kopf.

      „Lassen Sie sich überraschen!“

      ***

      Ihre Vorfreude war unübersehbar. Aber die Fahrt verlief schweigsam. Ab und zu schaute er zu ihr hinüber. Ein paar Mal warnte sie ihn vor fest installierten Blitzern. ‚Kennt sie sich hier so gut aus, oder ist sie einfach nur konzentrierter als ich?’, überlegte er.

      Sie kamen erst kurz vor Ende der Einlasszeit an; die Dame an der Kasse bereitete gerade den Feierabend vor. Nachsichtig lächelnd ließ sie sie noch ein.

      Jetzt war er beeindruckt. „Wow! Die Überraschung ist Ihnen gelungen.“

      Sie lachte. „Ich hab’s nicht gebaut. – Kannten Sie es wirklich noch nicht?“

      „Davon gehört und gelesen schon“, gab er zu. „Es selbst zu sehen, ist etwas ganz anderes.“

      Gemeinsam strolchten sie durch die Ruinen und Durchgänge. Stiegen auf den Kirchturm. In der Klosterkirche hallten leise gregorianische Gesänge von den Mauern wider und bildeten mit ihrer getragenen Melancholie einen Kontrapunkt zum unbeschwerten Gezwitscher der Vögel.

      In einem der schmalen Felsengänge berührte er sie an der Schulter. Sie drehte sich zu ihm um.

      „Danke“, sagte er leise.

      Hier im Schatten waren ihre Augen dunkel. Vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, legte er seinen Zeigefinger unter ihr Kinn, beugte sich zu ihr und küsste sie. Es war ungeplant, ein Impuls. Zu seinem Erstaunen küsste sie ihn zurück. Scheu und kurz, nur eine flüchtige Berührung ihrer Zunge, die ihm einen Schauer über den Rücken jagte und alle Härchen seines Körpers aufrichtete. Dann sah sie ihm in die Augen. Etwas verlegen ließ er seine Hand sinken.

      Sie begann zu lächeln. „Gerne“, antwortete sie, drehte sich um und schlenderte weiter, als sei nichts geschehen.

      ***

      Charly war vollkommen durcheinander. Nach dem gestrigen Abend hatte sie sich auf direkte, unmissverständliche Kontaktversuche seinerseits eingestellt und war auf diesen harmlosen, zarten Kuss überhaupt nicht vorbereitet. Sie beherrschte sich mühsam, um sich ihm nicht hier und jetzt an den Hals zu werfen. Auf dem Weg zum Auto brachte sie ihre Gefühle langsam unter Kontrolle.

      Auf der Rückfahrt fanden sie unterwegs ein Restaurant, und während des Essens versuchte er, etwas über ihre Pläne für den nächsten Tag zu erfahren. Sie antwortete nur vage. Heimreise, vielleicht noch ihren Vater besuchen. Die Ortsnamen verschwieg sie. Er bemerkte schnell, dass sie nicht darüber sprechen wollte und sie wandten sich anderen Themen zu.

      Als sie den kleinen Landgasthof verließen, standen neben dem Eingang zwei historische Motorräder. Charly streifte sie zunächst nur mit einem kurzen Blick und ging weiter, drehte aber nach einigen Schritten um und sah sich beide Maschinen genauer an. ‚Tatsächlich.’ Sie fischte ihr Handy aus der Tasche und fotografierte sie. Inzwischen war auch Gereon neben sie getreten und sie zeigte ihm, was sie entdeckt hatte: Eine Maschine zierte das übliche blau-weiße BMW-Emblem, die andere das rot-weiße EMW-Emblem. „Jetzt wäre nur noch spannend zu wissen, wann die ‚echte’ BMW gebaut wurde – und wo“, meinte sie. „Die EMW ist zwischen 1950 und 52 gebaut worden, weil sie noch die gleiche Gabel hat wie die BMW auch. Vorausgesetzt, sie wurde nicht im Nachhinein originaler aufgebaut als sie ursprünglich war“, überlegte sie laut.

      ***

      „Ganz recht, junge Dame“, ertönte eine Altherrenstimme von der Terrasse. Stühle scharrten, dann kamen zwei Männer, etwa Mitte siebzig und in altmodischer Lederkleidung, zu ihnen auf den Parkplatz, stolz auf ihre Motorräder und neugierig auf die junge Frau, die ein Detail entdeckt hatte, das selbst vielen Männern nicht sofort auffiel.

      „Sie kennen sich gut aus“, bemerkte der eine und der andere fügte hinzu: „37 in München, um Ihre Frage zu beantworten.“

      Gereon konnte nur noch staunen. Er trat ein wenig an den Rand der Szene und beobachtete, wie sie angeregt mit den beiden Herren fachsimpelte. Wie angetan diese von ihr waren.

      Schließlich verabschiedete sie sich, kam auf ihn zu und entschuldigte sich, dass sie ihn warten lassen habe.

      ***

      Natürlich fragte er sie auf dem verbleibenden Weg zum Hotel aus. Oder zumindest versuchte er es. Charly wand sich, so gut sie konnte, ohne ihn zu sehr vor den Kopf zu stoßen, um genauere Erklärungen herum, verwies darauf, dass es mit ihrem Vater zusammenhing, der gerne an alten Fahrzeugen bastele, und dass es eine längere Geschichte sei. Seine Einladung auf einen Drink an der Bar lehnte sie ab mit der Begründung, dass es ein langer Tag war und sie schlafen müsse.

      Don’t Lose My Number – Phil Collins

      „Sehen wir uns beim Frühstück?“ Er sah sie bittend an.

      Sie zögerte. „Vielleicht. – Vielen Dank für den Ausflug und gute Nacht.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und war in ihr Zimmer geschlüpft.

      Mit dem Gefühl, etwas Wichtiges versäumt zu haben, ging er zu seinem eigenen. Er schlief unruhig, träumte wild und saß sehr früh im Frühstücksraum. Sie war nicht da und kam auch nicht, so lange er sein Frühstück auch ausdehnte. Schließlich ging er zur Rezeption und fragte nach. Bereits abgereist, war die einzige Auskunft, die

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