Große Errungenschaften der Antike. Holger Sonnabend

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Große Errungenschaften der Antike - Holger Sonnabend

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Meer am Athos«, gibt der griechische Historiker Herodot das zeitgenössische Empfinden wieder, »ist gefüllt mit Ungeheuern, von denen viele Menschen ergriffen und in die Tiefe gezogen wurden. Einige wurden gegen die Felsen geschleudert, andere konnten nicht schwimmen und ertranken, wieder andere erfroren. So übel erging es der Flotte.«

       Ein Perserkönig zieht seine Lehren

      480 v. Chr.: Der persische Großkönig Xerxes fährt mit einer gigantischen Flotte an der Nordküste der Ägäis entlang. Das militärische Ziel ist diesmal viel weiter gefasst als zwölf Jahre zuvor: Es geht um die Unterwerfung von ganz Griechenland. Und Xerxes hat Vorsorge getroffen, dass sich die Katastrophe des Mardonios nicht wiederholen wird. Seit drei Jahren arbeiten Bautrupps an einem Kanal durch den Isthmos des Athos. Damit würde man die gefährliche Seeroute um die Halbinsel vermeiden können. Zwei Vertrauensleute des Xerxes, die Perser Bubares und Artacheies, führen die Aufsicht. Mit Peitschenhieben werden, wie es heißt, die zur Arbeit herangezogenen Soldaten zur Eile angetrieben. Man kommt ganz ohne technische Hilfsmittel aus, alles wird von menschlicher Energie geleistet. Bei der Stadt Sane wird eine schnurgerade Linie gezogen. Ein Teil der Arbeiter schachtet den Graben aus. Andere reichen den Schutt nach oben, wo er von Soldaten, die auf Stufen stehen, in Empfang genommen wird. Als Xerxes mit seiner Flotte ankommt, ist der Durchstich vollendet: Die Halbinsel Athos ist jetzt die Insel Athos. Der weitere Zug der Perser nach Griechenland war gesichert.

       Der Kanal des Xerxes

      Die moderne Archäologie hat die Dimensionen des Xerxes-Kanals rekonstruieren können: Er war etwa 2200 Meter lang und hatte eine Wassertiefe zwischen 1,5 und 2 Metern. Die maximale Tiefe des Einschnitts bis zum Meeresspiegel betrug 15,7 Meter. Der Kanal war so breit, dass zwei große Ruderschiffe problemlos aneinander vorbeifahren konnten. Herodot war allerdings nicht bereit, den Kanal in den Rang einer Meisterleistung zu erheben. »Wenn ich es mir so recht überlege«, führt er aus, »ließ Xerxes diesen Kanal nur aus reiner Geltungssucht bauen, um damit seine Macht zu demonstrieren und sich ein Denkmal zu hinterlassen. Ohne große Mühe und Anstrengung hätte er doch auch die Schiffe über Land ziehen können. Stattdessen aber ließ er einen so breiten Kanal bauen, dass zwei Dreiruderer nebeneinander ihre Ruder benutzen konnten.« Die Kritik der Griechen wird den Perserkönig wenig berührt haben. Er war es gewohnt, mit dem Ruf zu leben, ein hybrider, frevelhafter Herrscher zu sein. Das war die Sicht der Dinge, die sich die Griechen offiziell angewöhnt hatten. Zu Beginn der Griechenland-Expedition hatte bei den Dardanellen ein Sturm die Schiffsbrücke zerstört, mit der das persische Landheer übersetzen sollte. Daraufhin habe, kolportierte die griechische Gerüchteküche, Xerxes zur Strafe das Meer auspeitschen lassen. Der persische König, so urteilte der antike Historiker Iustin resümierend, »tat im Vertrauen auf seine Macht so, als wäre er der Beherrscher der Natur: Er ebnete Berge ein, füllte Täler auf, legte Brücken über das Meer und verband andere Meeresteile zum Zweck der bequemeren Schiffspassage durch abkürzende Durchstiche.«

       Kanalbau in Ägypten

      Wie immer man auch die Motive des Xerxes bei der Anlage des Athos-Kanals bewerten will – mit Sicherheit ist er nicht derjenige gewesen, der als erster Mensch der Antike einen schiffbaren Kanal angelegt hat. Hier weist die Spur eindeutig nach Ägypten, in das Reich der alten Pharaonen. Die Ägypter waren gewissermaßen Experten in Sachen Kanalbau. Die alljährlich wiederkehrenden Überschwemmungen des Nil zwangen die Ägypter zur Entwicklung eines ausgeklügelten Systems von Bewässerungskanälen, das die heranströmenden Fluten bändigte und somit ganz erheblich zur Fruchtbarkeit des Landes beitrug. Doch die Ägypter dachten auch in größeren Kategorien. Sie pflegten weitreichende Handelskontakte, insbesondere auch mit der arabischen Welt. Für diese erwies sich eine fehlende Wasserverbindung zum Roten Meer als außerordentlich hinderlich. So kam schon der Pharao Ramses II. (1290– 1224 v. Chr.) auf die Idee, einen antiken Vorläufer des modernen Suezkanals ausheben zu lassen. Doch anscheinend blieben seine Bemühungen im Stadium der reinen Konzeption stecken. Erst unter Necho II. (610–595 v. Chr.) wurde das Projekt, den Nil mit dem Roten Meer zu verbinden, wieder in Angriff genommen. Mit einem nach den damaligen Möglichkeiten großen technischen Aufwand und dem Einsatz unzähliger Arbeitskräfte ging man ans Werk. Doch vollendet wurde es auch diesmal nicht. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Nach einer nicht unbedingt glaubwürdigen Information Herodots sollen bei den Bauarbeiten 120 000 Ägypter ums Leben gekommen sein. Der griechische Historiker erzählt auch, dass die Arbeiten wegen eines Orakelspruchs eingestellt worden seien: Was er da baue, sei nur eine Vorarbeit für die Barbaren.

       Der Kanal des Dareios

      Tatsächlich wurde das Projekt von einem »Barbaren« realisiert: von Dareios I., dem Vorgänger des Xerxes auf dem persischen Thron. Inzwischen war Ägypten unter persische Herrschaft gekommen. Sowohl aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch um des Prestiges willen, realisierte Dareios 495 v. Chr. den seit den Zeiten Ramses II. vorhandenen Traum von einer direkten Verbindung zwischen Nil und Rotem Meer. Die Details sind wiederum von Herodot zu erfahren. Die Länge des Kanals betrug in der Luftlinie etwa 180 Kilometer, das bedeutete, samt Krümmungen, eine Nettofahrtzeit von vier Tagen. Die großzügige Breite (45 Meter) erlaubte es, dass zwei Dreiruderer nebeneinander fahren konnten. Die Tiefe betrug durchschnittlich fünf Meter. Der Kanal begann im Nildelta, nördlich der uralten Stadt Bubastis, lief an der arabischen Stadt Patumos vorbei und mündete dann ins Rote Meer. Wie intensiv der Kanal frequentiert wurde, ist nicht bekannt. Immerhin nahmen sowohl die ptolemäischen Könige als auch römische Kaiser wie Traian (98–117 n. Chr.) Ausbesserungsarbeiten vor, was eine kontinuierliche Bedeutung des Kanals nahezulegen scheint. In arabischer Zeit nahm die Nutzung stetig ab, und seit dem 9. Jahrhundert n. Chr. war der Nil-Rotes Meer-Kanal nicht mehr in Gebrauch. Und erst 1000 Jahre später, zwischen 1859 und 1869, baute der Franzose Ferdinand de Lesseps, in der Tradition eines Ramses, Necho und Dareios, mit dem Suezkanal eine neue künstliche Wasserstraße zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer, freilich auf einer anderen Trasse als der antike Vorläufer.

       Kanalbauten bei den Griechen

      Wenn die Griechen auch den Athos-Kanal des Xerxes heftig kritisierten, so bedeutet dies nicht, dass sie generell etwas gegen künstliche Wasserwege gehabt hätten. Wo sie für die Schifffahrt und für den Handel Vorteile sahen, haben sie gerne und häufig Kanäle angelegt. Ein frühes, zugleich auch die Schwierigkeiten beim antiken Kanalbau illustrierendes Beispiel stellt ein Kanal dar, der wohl bereits im 7. Jahrhundert v. Chr. an der Halbinsel Leukas (gegenüber der Küste von Akarnanien) gebaut wurde. Ähnlich wie der Athos war auch Leukas durch einen schmalen Isthmos mit dem Festland verbunden. Die Umsegelung der Halbinsel war bei den Seefahrern gefürchtet. Bereits bei Homer fungiert das Kap Leukates (heute: Dukato) an der Südspitze als der Eingang zur Unterwelt. Nicht unbedingt eine Gefährdung der Schifffahrt, aber doch kein Pluspunkt in der antiken Sympathieskala von Leukas war die Praxis, dass man vom 70 Meter hohen Kap Verbrecher ins Meer stürzte (oder dass, wie man es etwa von der Lyrikerin Sappho behauptete, unglücklich Verliebte dies von sich aus taten).

       Ein Kanal macht Schwierigkeiten

      Der neue Kanal durch den Isthmos von Leukas bedeutete für die Schifffahrt jedenfalls eine erhebliche Erleichterung, weil man nun küstennah die Ostseite passieren konnte. Allerdings gab es immer wieder Probleme, weil sich in dem ausgehobenen Kanal Schlamm und Sand sammelten. Deshalb musste der Kanal in regelmäßigen Abständen gereinigt werden. Ausgerechnet in der Zeit des Peloponnesischen Krieges (431–404 v. Chr.), als sich die griechischen Großmächte Athen und Sparta samt den jeweiligen Verbündeten bekriegten, war der strategisch nicht unwichtige Kanal von Leukas nicht passierbar. Wie der Historiker Thukydides berichtet, musste eine spartanische Flotte 427 v. Chr. ihre Schiffe über die Landenge ziehen. Pragmatischer ging 218 v. Chr.

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