Im Reich der hungrigen Geister. Gabor Mate
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Für Liz und die anderen, die die PHS mit aufgebaut haben, war es unendlich frustrierend zu beobachten, wie Menschen von einer Krise in die nächste gerieten, ohne dass sie eine konsequente Unterstützung bekamen. „Das System hatte sie im Stich gelassen“, sagt sie, „also haben wir versucht, die Hotels als Stützpunkt für andere Dienstleistungen und Programme einzurichten. Es dauerte acht Jahre, bis die Mittel zusammen waren, sowie vier Provinzregierungen und vier private Stiftungen, bis das neue Portland Wirklichkeit wurde. Jetzt haben die Menschen endlich ihre eigenen Badezimmer, Waschmaschinen und einen vernünftigen Ort zum Essen.“
Was das Modell von Portland so einzigartig unter den Angeboten für Süchtige macht und zugleich so umstritten, ist die zentrale Intention, die Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind – ganz gleich, wie dysfunktional, gestört und störend sie auch sein mögen. Unsere Klienten sind nicht die „Armen, die es verdient haben“; sie sind einfach nur arm – unverdient in ihren eigenen Augen und in denen der PHS. Im Portland Hotel gibt es weder das Hirngespinst der Erlösung noch die Erwartung sozial respektabler Ergebnisse, sondern nur eine unsentimentale Feststellung der realen Bedürfnisse von realen Menschen in einer schäbigen Gegenwart, die bei allen gleichermaßen auf einer tragischen Vergangenheit beruht. Wir können hoffen (und tun es auch), dass Menschen von den Dämonen, die sie heimsuchen, befreit werden können, und arbeiten daran, sie in diese Richtung zu ermutigen, aber wir haben nicht die Vorstellung, dass ihnen irgendein psychologischer Exorzismus aufgezwungen werden kann. Die unbequeme Wahrheit ist, dass die meisten unserer Klienten süchtig bleiben werden und, so wie es jetzt aussieht, auf der falschen Seite des Gesetzes. Kerstin Stuerzbecher, eine ehemalige Krankenschwester mit zwei Abschlüssen in Geisteswissenschaften, ist ebenfalls Direktorin der Portland Society. „Wir haben nicht auf alles eine Antwort“, sagt sie, „und wir können den Menschen nicht unbedingt die Fürsorge bieten, die sie brauchen, um ihr Leben entscheidend zu verändern. Am Ende des Tages liegt es nie an uns – entweder haben sie’s in sich oder nicht.“
Den Bewohnern wird so viel Hilfe angeboten, wie es die finanziell angespannten Ressourcen erlauben. Das Pflegepersonal der Einrichtung reinigt die Räume und hilft den Hilflosesten bei ihrer persönlichen Hygiene. Essen wird zubereitet und verteilt. Wenn möglich, werden die Patienten zu Terminen bei Fachärzten oder für Röntgenaufnahmen oder andere medizinischen Untersuchungen begleitet. Methadon, Psychopharmaka und HIV-Medikamente werden vom Personal ausgegeben. Alle paar Monate kommt ein mobiles Labor nach Portland, um auf HIV und Hepatitis zu testen und um weitere Bluttests durchzuführen. Es gibt eine Schreib- und Lyrikgruppe sowie eine Kunstgruppe, wo auch der Wandbehang entstand, der nach Zeichnungen von Portland-Bewohnern gestaltet wurde und jetzt an der Wand meiner Praxis hängt. Ein Akupunkteur und ein Frisör kommen ins Haus, Filmabende werden organisiert, und es gab – solange wir noch die Mittel hatten – einen jährlichen Campingausflug, um die Bewohner aus dem schmutzigen Umfeld von Downtown Eastside herauszuholen. Mein Sohn Daniel, der zeitweilig in Portland angestellt war, leitete eine monatlich stattfindende Musikgruppe.
„Vor ein paar Jahren hatten wir im Portland so einen Talentabend“, erzählt Kerstin, „zusammen mit der Kunst- und der Schreibgruppe, und es gab auch eine Kabarett-Vorstellung. Die Kunstwerke hingen an der Wand und die Leute lasen ihre Gedichte vor. Ein langjähriger Bewohner trat ans Mikrofon. Er sagte, er habe kein Gedicht, das er rezitieren wolle, oder sonst etwas Kreatives. Was er uns mitteilte war, dass das Portland sein erstes Zuhause sei. Dass es die einzige Heimat sei, die er je hatte, und wie dankbar er für die Gemeinschaft sei, der er angehörte. Und wie stolz er war, ein Teil davon zu sein, und wie sehr er sich wünschte, dass seine Mutter und sein Vater ihn jetzt sehen könnten.“
„Das einzige Zuhause, das er je hatte“ – ein Satz, der das Schicksal vieler Menschen in Downtown Eastside, einem Stadtteil in „einer der lebenswertesten Städte der Welt“* zusammenfasst.
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Die Arbeit kann außerordentlich erfüllend, aber auch zutiefst frustrierend sein, je nach meinem eigenen Gemütszustand. Oft sehe ich mich mit der störrischen Natur von Menschen konfrontiert, die ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden weniger schätzen als die unmittelbaren, drogenbedingten Bedürfnisse des Augenblicks. Ich muss mich auch mit meinem eigenen Widerstand gegen sie als Menschen auseinandersetzen. So sehr ich sie, zumindest im Prinzip, akzeptieren möchte, erlebe ich mich an manchen Tagen voller Missbilligung und Bewertung, lehne sie ab und möchte, dass sie anders sind, als sie es nun mal sind. Dieser Widerspruch hat seinen Ursprung in mir, nicht in meinen Patienten. Es ist mein Problem – nur dass es mir angesichts des offensichtlichen Ungleichgewichts der Kräfte zwischen uns allzu leicht fällt, sie als Problem auszumachen.
Die Süchte meiner Patienten machen jede ärztliche Behandlung zu einer Herausforderung. Wo sonst finden Sie Menschen, die sich in einem so schlechten Gesundheitszustand befinden und die dennoch so abgeneigt sind, sich um sich selbst zu kümmern oder gar anderen zu erlauben, sich um sie zu kümmern? Manchmal muss man sie buchstäblich zu einer Behandlung im Krankenhaus überreden. Nehmen Sie Kai, der eine immobilisierende Infektion in seiner Hüfte hat, die ihn zum Krüppel machen könnte, oder Hobo, dessen Brustbeinentzündung sich auf seine Lungen ausbreiten könnte. Beide Männer sind so sehr auf ihren nächsten Kokain-, Heroin- oder Cristal Meth-Trip fixiert, dass die Selbsterhaltung keine Bedeutung mehr für sie hat. Viele haben auch eine tief verwurzelte Furcht vor Autoritätspersonen und misstrauen Institutionen aus Gründen, die ihnen niemand verübeln kann.
„Der Grund, warum ich Drogen nehme, ist, dass ich dann nicht die verdammten Gefühle habe, die da sind, wenn ich keine Drogen nehme“, sagte mir Nick, ein vierzigjähriger Heroin- und Crystal-Meth-Süchtiger, einmal weinend. „Wenn ich keine Drogen nehme, werde ich depressiv.“ Sein Vater hämmerte seinen Zwillingssöhnen die Vorstellung ein, dass sie nichts als ein „Stück Scheiße“ seien. Nicks Bruder beging als Teenager Selbstmord, Nick wurde drogenabhängig.
Das Höllenreich der schmerzlichen Emotionen macht den meisten von uns Angst. Drogensüchtige fürchten, dass sie dort für immer gefangen bleiben, wenn sie keine Drogen nehmen. Dieser Drang zur Flucht fordert einen schrecklichen Preis.
Die Flure und der Aufzug im Portland Hotel werden häufig, manchmal mehrmals täglich, gereinigt. Einige Bewohner haben von den Injektionsnadeln chronisch wässernde Wunden. Blut tropft auch von Platzwunden und Schnitten, die ihnen von ihren Mitsüchtigen zugefügt wurden, oder aus Verletzungen, die Patienten sich während kokaininduzierter Paranoia in ihre Haut gekratzt haben. Es gibt einen Mann, der unaufhörlich auf sich einschlägt, um imaginäre Insekten loszuwerden.
Nicht, dass es uns an echtem Befall in Downtown Eastside mangelt. Nager gedeihen hinter den Wänden der Gebäude und in den mit Müll übersäten Hinterhöfen. Ungeziefer bevölkert die Betten, Kleider und Körper vieler meiner Patienten: Bettwanzen, Läuse, Krätze. In meiner Praxis fallen gelegentlich Kakerlaken aus ausgeschüttelten Röcken und Hosenbeinen heraus und huschen unter meinem Schreibtisch in Deckung. „Ich habe gerne ein oder zwei Mäuse um mich herum“, erzählte mir ein junger Mann. „Sie fressen die Kakerlaken und Bettwanzen. Aber ich ertrage kein ganzes Mäusenest in meiner Matratze.“
Ungeziefer, Geschwüre, Blut und Tod: die Plagen Ägyptens.
In Downtown Eastside tötet der Todesengel mit schockierendem Eifer. Marcia, eine fünfunddreißigjährige Heroinsüchtige, war aus ihrer PHS-Wohnung ausgezogen und wohnte in einem Mietshaus einen halben Block entfernt. Eines Morgens erhielt ich einen verzweifelten Anruf wegen einer vermuteten Überdosis. Ich fand Marcia im Bett, die Augen weit aufgerissen, auf dem Rücken liegend und bereits in Totenstarre. Ihre Arme waren ausgestreckt, die Handflächen nach außen gerichtet, eine Geste des angstvollen Protestes, als wollte sie sagen: „Nein, du bist zu früh gekommen, um mich zu holen, viel zu früh!“ Plastikspritzen zerbrachen unter meinen Schuhen, als ich mich ihrem Körper näherte. Marcias geweitete Pupillen und einige andere körperliche Anzeichen erzählten ihre Geschichte