¡PARAGUAY, MI AMOR!. Wiebke Groth

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¡PARAGUAY, MI AMOR! - Wiebke Groth

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ihn zu einem paraguayischen Estancia-Besitzer, der einen Nachfolger suchte. Seine neuen Freunde sahen in Jost das Potenzial und brachten ihn mit Juan Ortega Sánchez und seiner Frau Leticia Blanco Pérez in Kontakt.

      Juan willigte ein, Jost eine Chance zu geben und ihn auszubilden.

      Zunächst lernte er den Beruf des Viehzüchters von der Pike auf und ging bei Juan durch eine harte Schule.

      Es gab Momente, in denen er am liebsten aufgegeben und nach Deutschland zurückgekehrt wäre.

      Aber da gab es noch die junge Witwe Isabella, die Tochter von Juan und Leticia. Sie hatte ihren Mann vor einem Jahr verloren und war zu ihren Eltern zurückgekehrt.

      „Als ich Isabella das erste Mal sah, war ich fasziniert von ihr. Allerdings hielt ich es für keine gute Idee, meine Gefühle sofort offen zu zeigen.

      Sie war sehr unnahbar und noch in tiefer Trauer, denn sie war erst ein Jahr Witwe, als ich auf die Estancia kam.“

      „Was war mit ihrem Mann? Hatte er einen Unfall oder war er unheilbar krank?“, bin ich neugierig.

      „Er wurde vom Stroessner-Regime ermordet, weil er sich zu sehr in der Opposition engagierte.

      Leider wurde er erwischt und verhaftet. Zwei Tage nach seiner Verhaftung, fand man ihn und seinen besten Freund, der ebenfalls verhaftet worden war, erschossen in ihrer gemeinsamen Zelle.

      Man behauptete, sie hätten sich eine Pistole beschafft und Enrique hätte erst seinen Freund und dann sich selbst erschossen, um nicht in einem Schauprozess hingerichtet zu werden.

      Aber alle wussten, dass sie umgebracht wurden. Sie wollten nicht, dass sie zu Helden des Widerstandes stilisiert werden würden. Er war damals erst 24“, erzählt Jost bekümmert.

      „Nein wie schrecklich!“

      Es wird mir immer rätselhafter, wie mein Vater in so ein gewalttätiges Land einwandern konnte und dort immer noch lebt.

      „Ich war auch so zurückhaltend, weil ich nicht wollte, dass Isabellas Vater mich wieder entließ, die Gelegenheit, hier Fuß zu fassen, war zu günstig. Ich hatte damals unheimliches Glück, denn anders wäre ich nicht zu einem so lukrativen, sicheren Einkommen gekommen.

      Ich lernte also alles über Rindermastzucht, das Führen einer Estancia und eben alles, was mir Don Juan, Donna Leticia und ihre Mitarbeiter beibringen konnten. Isabella erledigte damals wie heute die Verwaltung und Buchführung, kümmerte sich um die Angestellten.

      Es war auch ein Glücksfall, dass ich mich mit Leticia und Juan so gut verstand. Abends durfte ich mit ihnen am Familientisch sitzen und essen, nicht im Angestelltentrakt, wie sonst üblich. Ich hatte sogar ein Zimmer im Haupthaus.

      Nach einiger Zeit bemühte ich mich dann immer augenscheinlicher um Isabella.

      Ich versuchte, sie während der Mahlzeiten in Gespräche zu verwickeln, machte ihr Komplimente und brachte sie zum Lachen.

      Letzteres war sehr schwierig, aber der kleine Ramón war eine große Hilfe.“

      „Wer ist Ramón?“, möchte ich wissen.

      „Das ist Isabellas Sohn aus erster Ehe. Er war damals vier, als ich zu Juan kam. Als Isa und ich 1983 heirateten, adoptierte ich ihn.“

      „Oh cool, noch ein Halbbruder!“, rufe ich begeistert aus.

      „Eher ein Stiefbruder, aber ja“, antwortet er lächelnd. „Ich mochte den Kleinen sehr. Für seine vier Jahre war er schon recht aufgeweckt und er schien mich auch zu mögen. Er war ein lebendiger, kleiner Bursche, aber natürlich litt er auch unter dem Verlust seines Vaters.

      Er war und ist uns eine Quelle der Freude und des Stolzes, aber leider hat er uns auch immer wieder heftigen Kummer und Sorgen bereitet.“

      „Oh, das tut mir leid.“

      „Es ist der Verlust seines Vaters; obwohl ich immer versucht habe, ihn zu ersetzen, konnte es mir nicht gelingen. Ich bin so anders, als Enrique es gewesen sein muss.“

      „Er war wohl ein richtiger südamerikanischer Revolutionär“, rufe ich begeistert aus.

      „Ja, aber ich würde es nicht so positiv und bewundernd ausdrücken, Valeska. Du siehst, wohin es geführt hat.“

      „Aber er wollte seinem Land und auch seiner Familie helfen, eine schreckliche Diktatur zu beenden!

      Was ist daran falsch?“, beharre ich.

      „Ich bewundere deinen jugendlichen Enthusiasmus und deinen Glauben an das Gute“, erwidert er, „aber er hat es mit seinem Leben bezahlt und – seien wir ehrlich – mit dem Sturz der Regierung hätte er es billigend in Kauf genommen, dass Menschen sterben – egal auf welcher Seite.“

      Ich schweige und kann Josts Argumentation nur bedingt zustimmen.

      „Wie dem auch sei“, fährt er fort. „Ramón war ein entzückender, hochintelligenter Junge, sehr extrovertiert und wie viele begabte Kinder langweilte er sich schnell in der Schule, so dass er Blödsinn anstellte.

      Oft mussten wir zu Gesprächen in die Schule und egal wie streng wir mit ihm waren, es fruchtete wenig. Nur die Arbeit mit den Pferden und Rindern liebte er.

      In der Pubertät wurde es noch schlimmer. Hinzu kamen unzählige Mädchengeschichten – ich kann dir gar nicht sagen, wie oft wütende Väter vor unserer Tür standen.

      Ramón war und ist völlig bindungsunfähig. Es liegt wohl viel am frühen Verlust seines Vaters.

      Isa und ich haben uns oft gefragt, was wir falsch gemacht haben…“

      „Was macht er denn jetzt? Er musss nun schon Anfang 20 sein. Arbeitet er auf der Estancia?“

      „Ramón?“, lacht Jost. „Nein, nur während der Semesterferien. Er studiert seit drei Jahren Medizin an der Uni in Asunción!“

      „Wow, das ist ja großartig! Dann müsst ihr doch stolz auf ihn sein?“

      „Ja, das sind wir auch. In letzter Zeit hat er auch keinen Ärger mehr gemacht. Wir denken, er wird langsam erwachsen. Er wird übrigens auch bald zu Besuch kommen.

      Die Uni schließt für vier Wochen und wir erwarten ihn heute Abend oder morgen. Genaueres hat er nicht gesagt.“

      „Schön. Dann erzähl doch bitte auch vom Rest der Familie: von Isabella, Juanita und Jorge.“

      „Ja – Isabella ging mit der Zeit auf meine Avancen ein. Später sagte sie, es habe ihr gefallen, wie schüchtern und vorsichtig ich ihr den Hof gemacht hätte. Wir konnten uns stundenlang unterhalten, ich lud sie ins Kino und zum Essen in Restaurants ein.

      Eines Tages, als wir allein waren, fasste ich mir ein Herz und küsste sie …

      Schnell wurden wir ein Paar. Juan und Leticia kam diese Entwicklung mehr als gelegen.

      Hatten sie nicht nur einen geeigneten Nachfolger, sondern auch einen neuen Mann für ihr einziges Kind Isabella gefunden.

      1983 heirateten

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