Überlegt impfen. Paul Thomas
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Warum wurden so viele Kinder in meiner Praxis, die sich an meine Ratschläge hielten, krank?
Die meisten konventionell ausgebildeten Ärzte, so wie ich einer bin, werden Ihnen erklären, dass niemand die Gründe für Autismus kennt. Außerdem werden sie Ihnen sagen, dass es sich um eine Erkrankung handelt, für die es weder Hoffnung noch Heilung gibt.
Und im selben Atemzug machen sie womöglich Sie dafür verantwortlich, dass Ihr Kind unter Autismus leidet. Möglicherweise schieben sie es auf Ihre Gene oder führen eine andere genetische Begründung an. Vielleicht erwähnen die Ärzte die 2014 veröffentlichte Studie im Psychiatry Journal der American Medical Association, in der steht, dass bei Kindern, deren Väter älter als fünfundvierzig1 sind, das Autismusrisiko dreieinhalbmal so hoch ist wie bei Kindern, deren Väter in den Zwanzigern sind. Oder die 2014 im Journal of Perinatology veröffentlichte Studie, die zeigte, dass Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft fettleibig waren2, ein höheres Autismusrisiko hatten.
Ich habe immerzu mit meinen Kollegen über den Anstieg der Autismusfälle gesprochen. Zwar glaube ich, dass sie genauso besorgt waren wie ich, aber leider war es für viele einfacher, mit den Schultern zu zucken, am Stethoskop um ihren Hals zu nesteln und die Fakten zu verneinen. „Wir haben mittlerweile einfach nur mehr Möglichkeiten, solche Fälle zu erkennen.“ Mit dieser Antwort wollten sie sich selbst überzeugen, wenn ich ihnen von den ungewöhnlichen Krankengeschichten von Jack und meinen anderen Patienten berichtete.
Ich kam immer stärker zu der Erkenntnis, dass bestimmte Umweltfaktoren oder eine Kombination mehrerer Faktoren die Gesundheit der Kinder in meiner Praxis negativ beeinträchtigten und zu einem vermehrten Auftreten vieler vager, aber dennoch erschreckender Symptome führten: Migräne, Panikattacken, Magen-Darm-Störungen, ungewöhnlich früher Ausbruch von Allergien. Ebenfalls zeigte sich immer häufiger, dass manche Kinder irgendwie vergiftet waren oder eine Autoimmunreaktion ausgelöst worden war und ihr eigenes Immunsystem ihr Gehirn angriff – oder beides.
Blei ist ein äußerst nützliches und vielseitiges Metall, das früher ein Hauptbestandteil in so gut wie allem war – von Gesichtspuder bis hin zu Farben. Jeder in meinem Alter (ich wurde 1957 geboren) kann sich wahrscheinlich noch daran erinnern, dass Blei auch in unserem Benzin war. Blei war allgegenwärtig und wurde schon seit der Antike verwendet. Doch erst in den letzten dreißig Jahren des 20. Jahrhunderts begriffen die Menschen langsam, wie schädlich es für die menschliche Gesundheit ist.
Nach jahrzehntelanger Forschung und andauernden Kontroversen akzeptierten die US-Amerikaner schließlich die unbequemen wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass eine zu hohe Bleibelastung bei unseren Kindern Gehirn, IQ und Entwicklung beeinträchtigt. Wir nennen die Bleiexposition mittlerweile sogar Bleivergiftung.
Eine kleine Menge Blei ist normalerweise nicht gefährlich. Aber je stärker ein Kind Blei ausgesetzt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für eine neurologische Schädigung. Nicht jedes Kind, das hohen Bleiwerten ausgesetzt ist, wird unwiderruflich vergiftet, doch je mehr das Thema Blei untersucht wurde, desto mehr Wissenschaftler sind der Auffassung, dass es eine negative kumulative Auswirkung auf die wachsenden Gehirne von Kindern hat und dass die Menge und der Zeitpunkt der Bleiexposition einen großen Einfluss auf die Schwere der Symptome und das Beschwerdebild haben.
Während meiner Facharztausbildung erzählte man uns, die Menge Blei, die ein Kind im Blut haben könnte, betrüge bis zu 20 Mikrogramm pro Deziliter. Im Laufe der Jahre wurde die empfohlene Menge verringert, sodass ich Mitte der 1990er den Eltern sagte, die Bleimenge im Blutkreislauf eines Kindes solle 10 Mikrogramm pro Deziliter nicht übersteigen – das war die Hälfte dessen, was zuvor als sicher angesehen worden war. Heute haben wir bei der Sicherheit von Blei einen neuen Standard: Die Ärzte halten keine Bleimenge für sicher, und wir sagen Eltern, dass sogar 5 Mikrogramm pro Deziliter ein Grund zur Beunruhigung sind. Was bedeutet das? Dass wir mehr als zwanzig Jahre lang Eltern erzählt haben, sie bräuchten sich keine Sorgen um eine giftige Substanz machen, die in Wahrheit schädlich für die sich entwickelnden Gehirne der Kinder ist.
Dann gibt es auch noch die Antibiotika. Obwohl manche bakteriellen Infektionen von alleine besser werden können, sind Antibiotika eins der Wunder der modernen Medizin. Zu den besten Dingen, die meine Mutter nach Arnoldine brachte, gehörten antibiotische Salben und oral einzunehmende Antibiotika. Manche Krankheiten, die früher für Tausende anfällige Menschen, insbesondere Kinder, tödlich verliefen, sind heutzutage praktisch nicht mehr existent, was größtenteils auf die Entdeckung der Antibiotika zurückzuführen ist.
In den letzten Jahren hat allerdings die Überverschreibung von Antibiotika zur Entwicklung sogenannter „Superkeime“ geführt – zu antibiotikaresistenten Bakterien, wie MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus), die katastrophal für die menschliche Gesundheit sind. Ein kürzlich erstellter Bericht der britischen Regierung prognostiziert, dass dieses weltweite Problem zu mindestens achtzigtausend Toten führen wird und kleine chirurgische Eingriffe und Routineoperationen möglicherweise hochriskante Eingriffe sein werden. Seit über zwanzig Jahren sprechen wir Ärzte über das Problem der Überverschreibung von Antibiotika, doch obwohl sie sich des Problems bewusst sind, sind die Verschreibungen der Ärzte weiterhin in mehr als 50 Prozent der Fälle unnötig.
Ich habe Jahre gebraucht, um etwas zu erkennen, von dem ich wünschte, es wäre nicht wahr. Doch wenn man heutzutage in den USA ein gesundes Baby haben möchte, darf man Folgendes nicht ignorieren: Unsere Regierungsvertreter und eine Handvoll gut aufgestellter Doktoren der Medizin, die diesen beratend zur Seite stehen, haben einige der wichtigsten durch Kollegen begutachtete Studien und einen großen Teil relevanter wissenschaftlicher Informationen zum Thema Immunität und Gesundheit während der Schwangerschaft und in der Kindheit schlichtweg ignoriert. Einige der heutzutage ausgesprochenen Empfehlungen sind sinnlos, wenn man sich die Wissenschaft betrachtet – beziehungsweise den Mangel an wissenschaftlichen Erkenntnissen in dem Bereich. Manches, wozu wir den Eltern raten, richtet mehr Schaden an, als dass es nutzen würde.
Ein Baby namens Jimmy wurde mit einer schwach ausgebildeten Anthelix bei beiden Ohren geboren (die Anthelix ist die Wulst in der Mitte der Ohrmuschel, die dafür sorgt, dass die Ohren seitlich am Kopf anliegen). Deshalb standen seine Ohren ab, so wie bei Neil Patrick Harris in der Fernsehserie „Doogie Howser, M. D.“. Harris unterzog sich später einer Ohrenoperation und Jimmys Eltern wünschten sich dasselbe für ihren Sohn, um ihm Hänseleien in der Schule zu ersparen. Ihr Kinderarzt meinte, es sei einfacher, die Ohren zu korrigieren, solange Jimmy noch ein Baby war, und überwies ihn an einen plastischen Chirurgen. Dieser besprach mit der Familie die Vorteile und Risiken der Operation. Unter anderem erklärte er, dass bei jeder Vollnarkose bei Kindern3 das Risiko seltener Komplikationen bestünde, darunter schwere allergische Reaktionen (davon betroffen ist rund 1 von 10.000 Kindern) und sogar Tod. Um seine Sorgfaltspflicht zu erfüllen, sagte er, dass die geringe4 – sehr geringe – Möglichkeit bestünde, dass Jimmy nicht mehr aus der Narkose erwachte.
Als Jimmys Mutter dies hörte, änderte sie ihre Meinung über die Operation. Sie schaute ihr Kind an und beschloss, seine Ohren zu lassen, wie sie waren, denn ein kosmetischer Eingriff sei das Risiko nicht wert, dass ihr Baby starb. Ihre Schwiegereltern waren anderer Meinung und drängten sie noch jahrelang „etwas gegen diese Ohren zu unternehmen“.
So wie die Operation zur Korrektur von Jimmys Segelohren ist jeder medizinische Eingriff mit Risiken verbunden. Vor jeder Operation müssen wir zwischen den möglichen Komplikationen und dem Risiko, nichts zu unternehmen, abwägen – und auch den Vorteilen des Eingriffs, sofern er erfolgreich ist.
Hätte Jimmy ein ernsthaftes medizinisches Problem gehabt, aufgrund dessen eine Vollnarkose nötig gewesen wäre – beispielsweise eine Blinddarmentzündung – wären seine Eltern und die Ärzte viel eher bereit gewesen, das kleine Risiko von Komplikationen durch eine Vollnarkose auf sich