Big Ideas. Das Wirtschafts-Buch. John Farndon
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In der Praxis geschieht das häufig, besonders wenn die Kontingente ungleich verteilt sind. Die zwölf Mitglieder der OPEC sprechen z. B. regelmäßig Fördermengen und Preise ab, aber kaum jemand hält sich daran. Die kleinen, weniger reichen Mitglieder sehen die Chance, zusätzlichen Profit zu machen, und überschreiten ihre Förderquoten. So entsteht Konkurrenz und die Macht des Kartells insgesamt wird geschwächt. Je mehr Angehörige das Kartell hat, desto größer ist die Gefahr, dass die Absprachen gebrochen werden – und ein Regelbrecher ist bereits genug, um alle zu schwächen.
Kartelle können Preise festlegen, indem sie als virtuelles Monopol handeln. Wenn niemand den Verbrauchern einen niedrigeren Preis anbietet, kann ihr Preis deutlich über den Produktionskosten liegen und den Kartellen hohe Profite einbringen.
Durchsetzung von Vereinbarungen
Häufig fungiert ein Mitglied des Kartells – das leistungsfähigste, was die Produktion angeht – als »Durchsetzer«. Gerät z. B. die Effizienz der OPEC in Gefahr, weil ein Land wie Angola zu viel produziert, kann es sein, dass Saudi-Arabien, das größte Mitglied des Kartells, eingreift. Als größter Produzent mit den niedrigsten Produktionskosten kann das Land es sich leisten, die Produktion zu erhöhen und die Preise so weit in den Keller zu treiben, dass die kleineren Länder dadurch abgestraft werden oder sogar bankrott gehen. Doch in vielen Fällen führt die Versuchung zu mogeln, gepaart mit dem Zögern des »Durchsetzers«, die eigenen Profite zu verringern, zum Bruch des Kartells. Die vielen Schwierigkeiten bei der Bildung und Aufrechterhaltung von Kartellen haben dazu geführt, dass diese »Verschwörungen« seltener vorkommen, als Adam Smith angenommen haben dürfte. In den 1960er-Jahren zeigte der US-Ökonom George Stigler, dass das natürliche Misstrauen der Wettbewerber der Kollusion in einem Kartell entgegenwirkt und dass Kartelle unwahrscheinlicher werden, wenn mehr Unternehmen auf dem Markt sind. Daher kommt es meist zum Wettbewerb und nicht zur Kooperation, selbst in Branchen, wo es nur wenige große Hersteller gibt, wie bei Konsolen für Videospiele oder Handys.
»Wir dürfen weder eine repressive Regierung noch industrielle Oligarchien in Form von Monopolen oder Kartellen dulden.«
Henry A. Wallace
US-Politiker (1888–1965)
Doch die wenigen existierenden Kartelle stellen eine so große Bedrohung für die Märkte dar, dass die Regierungen sich zum Eingreifen veranlasst sehen. Öffentlicher Druck von Seiten der Verbraucher stand hinter der Bewegung für eine »Antitrust«-Gesetzgebung (siehe rechts) im 20. Jahrhundert. In den meisten Ländern wurden Kartellabsprachen damit verboten. Weil es schwierig ist, solche Absprachen nachzuweisen, bieten viele dieser Gesetze dem ersten Angehörigen eines Kartells, der gesteht, Straffreiheit an – was noch einen weiteren Anreiz darstellt, das Kartell zu durchbrechen. Ein großer Erfolg gelang mit dieser Taktik im Jahr 2007: Virgin Atlantic Airlines gestand angesichts einer bevorstehenden Untersuchung von Preisabsprachen bei Transatlantikflügen die Kollusion mit British Airways, worauf British Airways eine hohe Geldstrafe zahlen musste.
Handynetzbetreiber in den Niederlanden wurden 2011 auf Kartellabsprachen überprüft.
»Die Ökonomen haben ihre großen Momente, aber ich glaube nicht, dass die Antitrustgesetze dazugehören.«
George Stigler
Zustimmung von Regierungsseite
Manche liberalistischen Ökonomen wie George Stigler halten diese Gesetze nicht für notwendig, weil Kartelle ohnehin instabil seien. Regierungen vertreten häufig keine klare Haltung, da sie manche Formen der Zusammenarbeit sogar für wünschenswert halten. Während beispielsweise die Preisfestsetzungen der IATA als Kollusion verurteilt wurden, wird die OPEC als Handelsblock, der zur Stabilität beiträgt, mit - unter in einem günstigeren Licht gesehen. Mit dem gleichen Argument wurden öffentliche Kartelle in manchen Branchen (etwa Öl oder Stahl) in Zeiten der wirtschaftlichen Depression verteidigt. Wenn die Kooperation von der Regierung reguliert wird, kann sie Produktion und Preise stabilisieren, die Verbraucher und kleineren Hersteller schützen und die Branche insgesamt auf internationaler Ebene wettbewerbsfähiger machen. Solche öffentlichen Kartelle waren sowohl in den USA als auch in Europa während der 1920er- und 1930er-Jahre üblich, verschwanden aber zumeist nach dem Zweiten Weltkrieg, während nationale Kartelle in Japan immer noch ein Merkmal der Wirtschaft sind.
Antitrustgesetze
Kartelle wie Monopole gelten als schädlich für die Märkte. Die meisten Regierungen versuchen, diese Art von Zusammenarbeit durch Antitrust-- oder Wettbewerbsgesetzgebung zu verhindern. Das erste derartige Gesetz wurde 1890 in den USA verabschiedet. Der Sherman Act ächtete jeden Vertrag und jede Absprache, die den zwischenstaatlichen oder Außenhandel behinderten. Es folgten weitere Antitrustgesetze, darunter der Clayton Act1914, der örtliche Preissenkungen zur Verdrängung von Wettbewerbern untersagte. Wirtschaftswissenschaftler sind im Allgemeinen skeptisch, was Antitrustgesetze angeht, die in der Regel schwer durchzusetzen sind. Sie weisen darauf hin, dass Zusammenarbeit nicht notwendig zu betrügerischen Praktiken wie Preis- oder Angebotsabsprachen führen muss. Viele glauben, dass ein Großteil der Antitrustgesetzgebung nicht so sehr durch wirtschaftliche Analysen, sondern vielmehr politisch motiviert ist.
Diese Titelseite aus den 1960er-Jahren verspottet den US-Politiker Nelson Aldrich, der US-Waren mit einem »Netz« von Zöllen vor ausländischer Konkurrenz schützte.
DAS ANGEBOT SCHAFFT SICH SEINE NACHFRAGE SELBST
ÜBERANGEBOT AUF MÄRKTEN
IM KONTEXT
SCHWERPUNKT
Die Makroökonomie
VORDENKER
Jean-Baptiste Say (1767–1832)
FRÜHER
1820 Der britische Ökonom Thomas Malthus glaubt, dass Unterbeschäftigung und Überproduktion auftreten können.
SPÄTER
1936