Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis. Walter G. Pfaus
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Der Officer deutete auf eine breite Einfahrt, die offenbar zu einem Hinterhof führte. "Da ist eine Leiche entdeckt worden. Mehr weiß ich nicht. Die Mordkommission ist schon unterwegs."
Milo und ich passierten die Einfahrt.
Der Hinterhof, in den wir gelangten, war ziemlich unübersichtlich. Einige halb ausgeschlachtete Lastwagen standen hier herum. Firmenschilder wiesen daraufhin, dass hier wohl einst ein privater Paketservice residiert hatte.
Aber das musste schon eine Weile her sein. Die Wände waren mit Graffitis bemalt. Drei abgerissene Gestalten - vermutlich Obdachlose - standen um einen Officer herum, der die Aussage der Männer auf einem Notizblock mitschrieb.
Zwischen den Lastwagen lag eine Leiche, ausgestreckt auf dem Asphalt.
Ein anderer NYPD-Beamter stand daneben. Sein Gesicht war aschfahl. Der Anblick, der sich ihm bot, war alles andere als leicht wegzustecken.
Wir traten näher, hielten dem Officer dabei wortlos die Ausweise hin.
Es konnte keinen Zweifel geben.
Als ich das Gesicht des Toten sah, wusste ich Bescheid.
Es handelte sich zweifellos um Tom Ridger.
Er lag auf dem Rücken.
In der Linken hielt er eine kleinkalibrige Waffe, die fast in seiner großen Hand verschwand. Ich beugte mich nieder, hob die Waffe etwas an, ohne den verkrampften Griff der Hand zu lösen und roch am Laufende.
"Aus der Waffe ist geschossen worden", stellte ich fest.
Jetzt kam einer der Obdachlose auf uns zu.
"Ich habe alles gesehen", behauptete er.
Ich wandte mich zu ihm herum.
"Erzählen Sie."
"Ich war dort, hinter dem blauen Lastwagen..."
"Was haben Sie gesehen."
"Zwei Männer sind hier her gekommen und haben sich gestritten. Ziemlich lautstark sogar. Ich habe nicht genau begriffen, worum es ging. Ich nehme an um Geld. Und dann hat plötzlich einer eine Pistole gezogen." Der Obdachlose deutete auf Ridger. "Nicht der da, sondern der andere. Der dort hat danach seine Waffe gezogen und dann wurde geschossen."
"Hier sind Blutspuren", meldete sich Milo zu Wort.
Mit wenigen Schritten war ich bei ihm.
Die Spur führte in einer geraden Linie auf das leerstehende Lagerhaus zu, das sich vor uns erhob.
"Vielleicht hat Ridger seinen Mörder noch erwischt", murmelte ich.
Mit einer raschen Bewegung hatte ich die P226 in der Hand.
Milo holte ebenfalls seine Dienstwaffe aus dem Gürtelholster.
Wenn Smith angeschossen war, konnte er nicht weit kommen.
23
Wir folgten der Blutspur bis zum Eingang des Lagerhauses. Die Schiebetür stand offen. Sie war so verrostet, dass man sie vermutlich gar nicht mehr bewegen konnte.
Die dunkelroten Flecken auf dem Boden waren immer größer geworden.
Smith musste bereits eine Menge Blut verloren haben.
"Das muss mehr als ein einfacher Streifschuss gewesen sein", meinte Milo.
Im Inneren des Lagerhauses war es ziemlich dunkel. Die meisten Fensterflächen waren einfach mit Spanplatten vernagelt worden. Nur an wenigen Stellen kam Tageslicht herein, das dann so grell wie das Licht von Taschenlampen wirkte.
Wir durchquerten das Erdgeschoss, das aus mehreren großen Räumen bestand. Vor allem ging es uns darum, zu überprüfen, ob es auf der anderen Seite einen Ausgang zur Straße gab.
Aber das war nicht der Fall.
Die Blutspur führte die Treppe in den ersten Stock hinauf.
Feiner Staub hatte sich auf die Stufen gesetzt. Durch ein Loch in einem der vernagelten Fenster drang ein Lichtstrahl herein. Im Staub konnte ich dicht neben einem der Blutflecke zwei Fußabdrücke erkennen.
Einer der Abdrücke war deutlich größer als der andere, obwohl sie mit großer Wahrscheinlichkeit von derselben Person stammten.
Milo und ich sahen uns kurz an.
Wir brauchten kein Wort darüber zu verlieren.
Auch so war uns beiden in dieser Sekunde klar, dass wir jetzt vielleicht einen entscheidenden Schritt nach vorn machen konnten.
Wir lauschten.
Von draußen drangen Geräusche herein. Motorengeräusche und Stimmengewirr. Die Kollegen, die wir als Verstärkung angefordert hatten, waren eingetroffen, desgleichen die Mordkommission und die Spurensicherung.
Vorsichtig schlichen wir Stufe um Stufe hinauf. Zuerst ich, mit der P226 im beidhändigen Anschlag, dann mein Freund und Kollege Milo Tucker, der mich absicherte.
Der erste Stock sah von der Raumaufteilung dem Erdgeschoss zum verwechseln ähnlich. Die Lichtverhältnisse waren hier allerdings noch etwas schlechter.
Ich ließ den Blick schweifen.
Ein schabender Laut ließ mich herumfahren.
Aus dem türlosen Eingang in einen noch dunkleren Nebenraum blitzte Mündungsfeuer auf.
Ich ließ mich seitwärts fallen.
Milo feuerte sofort in die Richtung, aus der der Schuss