Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis. Walter G. Pfaus
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Ich rollte mich am Boden herum, schnellte hoch, riss die P226 hoch. Fünf, sechs Meter lagen zwischen mir und einem Stapel verstaubter Holzkisten mit der Aufschrift HARRISON EXPRESS MAIL.
Ein Schuss zischte dicht an mir vorbei.
Ich feuerte zurück.
Insgesamt viermal zog ich den Abzug der P226 durch, während ich auf den Kistenstapel zuschnellte.
Milo gab mir zusätzlichen Feuerschutz.
Sekunden später hatte ich es geschafft.
Ich hatte Deckung hinter den Kisten und duckte mich.
Milo konnte ich von meiner Position aus sehen. Er presste sich in die Mauernische und lud seine Waffe nach.
"Hier ist der FBI!", rief ich unserem Gegenüber zu. "Wir wissen, dass Sie uns hören können, Smith! Sie haben keine Chance. Fahndungsfotos von Ihnen hängen in jedem New Yorker Polizeirevier. Außerdem sind Sie verletzt. Sie müssen viel Blut verloren haben..."
Ich wartete ab.
Sekundenlang herrschte absolute Stille. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
"Geben Sie auf, Smith!", rief ich. "Sie tun sich keinen Gefallen, wenn Sie jetzt weitermachen. Ihre Lage kann nur schlimmer werden..."
Wieder folgte ein Augenblick der Stille.
Dann dröhnte ein Schuss aus dem Nebenraum heraus, in dem Smith sich verborgen hielt.
Ich hatte kein Mündungsfeuer aus der Dunkelheit heraus aufblitzen sehen.
Smith hatte also nicht auf uns gefeuert.
Es gab zwei Möglichkeiten - und die gefielen mir beide nicht.
Entweder, der Mann, der sich Smith nannte, hatte sich selbst eine Kugel in den Kopf gejagt, weil er erkannt hatte, dass seine Lage aussichtslos war.
Oder er wollte uns das nur glauben machen, um uns aus der Deckung herauszulocken.
In geduckter Haltung kam ich hinter dem Kistenstapel hervor, die P226 mit beiden Händen umklammert.
Ich musste höllisch aufpassen.
Vorsichtig tastete ich mich voran. Milo sicherte mich von hinten ab.
Dann hatte ich die Tür zu dem dunklen Nebenraum erreicht, in dem Smith sich aufhalten musste.
Ich wartete.
Kein Laut war zu hören.
Dann stürzte ich hinein.
Binnen eines Sekundenbruchteils musste ich mich an das Dunkel gewöhnen. Eine schattenhafte Gestalt lehnte an der Wand. Die Gestalt rührte sich nicht, saß da wie erstarrt.
Ich trat etwas zur Seite, so dass ich mir nicht selbst im Licht stand.
Dann senkte ich die Waffe.
"Der Kerl hat sich selbst eine Kugel in die Schläfe gejagt", sagte ich an Milo gerichtet, dessen Schritte ich hörte.
24
Kurze Zeit später wimmelte es in dem Lagerhaus nur so von FBI-Agenten und Spurensicherern der Scientific Research Division, dem zentralen Erkennungsdienst aller New Yorker Polizeieinheiten.
Unsere Kollegen Medina und Caravaggio waren auch anwesend.
"Lansing, Manzaro, Ridger - alle, die direkt an dem Überfall auf MADISON GEN-TECH beteiligt waren, sind tot", stellte ich nachdenklich fest.
"Das erhöht nicht gerade unsere Chancen, etwas über die Hintermänner herauszufinden", bemerkte Clive Caravaggio und strich sich mit einer beiläufigen Handbewegung das blonde Haar zurück.
Medina sagte: "Seien wir doch ehrlich, Clive. Wir stehen wieder ganz am Anfang."
"Wenn man bedenkt, dass dieser Kerl namens Smith auch nicht mehr aussagen wird, muss ich dir leider recht geben", stimmte Milo düster zu.
Sergeant Grady vom Erkennungsdienst kam auf uns zu.
"Sie werden noch etwas warten müssen, bis man etwas über die Identität des Toten sagen kann", meinte er. "Er hat keinerlei Papiere bei sich. Natürlich werde wir überprüfen, ob seine Waffe registriert ist, aber das ist wohl kaum anzunehmen."
"Wenn wir Glück haben, dann hat dieser Smith - oder wie immer er auch in Wahrheit heißen mag - hier irgendwo in der Gegend seinen Wagen abgestellt", meldete sich Orry zu Wort.
Grady erwiderte nüchtern: "Wir haben einen Schlüsselbund bei dem Toten gefunden. Trotzdem wird es 'ne Weile dauern, bis wir den passenden Wagen dazu gefunden haben. Selbst unter günstigsten Umständen."
"Ich frage mich, weshalb er sich umgebracht hat", murmelte ich. Ich wandte mich an Grady. "Haben Sie nichts weiter bei ihm gefunden? Nur diesen Schlüssel?"
"So ist es."
"Bis jetzt dachte ich, wir hätten es bei diesem Smith mit einem eiskalten Profi zu tun", meinte ich.
"Und was spricht bitte jetzt dagegen?", fragte Clive Caravaggio.
"Die Tatsache, dass er sich umgebracht hat. Dazu war keine Veranlassung."
"Seine Lage war aussichtslos, er war schwer verletzt", gab Milo zu bedenken. "Schwer genug, um eine Flucht utopisch erscheinen zu lassen."
"Wenn er kühl überlegt hätte, dann hätte er versucht, sich juristisch aus der Schlinge zu ziehen", meinte ich. "Vielleicht mit dem Staatsanwalt einen Deal aushandeln oder dergleichen."
"Selbstmörder sind entweder Verrückte oder Fanatiker", hörte ich