Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis. Walter G. Pfaus

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Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis - Walter G. Pfaus

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      Wir fuhren nach Manhattan zum Kaufhaus Macy's. Aber Melanie Travis war nicht dort. Sie hatte heute ihren freien Tag, aber immerhin erfuhren wir ihre genaue Adresse.

      Melanie Travis wohnte in der Hausnummer 543 in der 39.Straße, Queens.

      Wir überquerten die Queensboro Bridge. Unter uns befand sich das langgezogene Roosevelt Island, das den East River in den East Channel und den West Channel teilte. Die gewaltige Queensboro Bridge senkte sich langsam ab. Links erstreckte sich der Queens Bridge Park, rechts befand sich eine Gewerbeansiedlung.

      "Ich komme immer noch nicht darüber hinweg, dass die Bauteile für den ABC-Schutzraum einfach abtransportiert wurden, ohne dass es eine Spur davon gibt", meinte ich, während ich in die 21. Straße einbog. Die 21. Straße in Queens wohlgemerkt. Es gibt eine Reihe von Straßenbezeichnungen, die in New York City mehrfach vorkommen.

      "Die Spurensicherer haben nichts gefunden, die Durchsuchung der Geschäftsräume von Parker & Sarrasco hat nichts ergeben und nach Zeugen braucht man auf einer abgelegenen Industriebrache ja wohl kaum zu suchen", fasste Milo den Stand der Dinge trocken zusammen. "Jesse, die Spur ist tot."

      "Ich würde mich trotzdem gerne nochmal auf dem Gelände in Jersey City umsehen."

      "Ich halte es für Zeitverschwendung, Jesse. Aber ich komme natürlich mit."

      "Auch, wenn es nach Dienstschluss ist?"

      "Wann immer das heute auch sein mag."

      Fünf Minuten später hatten wir Melanie Travis' Adresse erreicht. Ich fuhr den Sportwagen an den Straßenrand. Wir stiegen aus. Melanie Travis wohnte im Erdgeschoss eines fünfstöckigen Brownstone-Hauses. Wein rankte an den Mauern empor. Große Teile waren völlig zugewachsen.

      Ein separater Eingang führte zu ihrer Wohnung.

      Die Tür stand einen Spalt breit offen.

      Schon auf den ersten Blick sahen wir, dass sich jemand auf ziemlich grobe Weise am Schloss zu schaffen gemacht hatte. Wie automatisch ging meine Hand zum Griff der P226. Milo und ich zogen unsere Waffen im selben Moment. Ich berührte mit der Schuhspitze die Tür und vergrößerte etwas den Spalt.

      Geräusche drangen von innen heraus.

      Ich blickte in einen Flur.

      Dort war niemand.

      Die Eingänge zu mehreren Räumen zweigten von diesem Flur ab.

      Lautlos betrat ich die Wohnung.

      Dann schnellte eine Gestalt aus einem der anderen Räume.

      Ein Mann mit aschblondem, leicht gelocktem Haar. Wie erstarrt stand er in der nächsten Sekunde da, als er in den Lauf meiner P226 blickte. Er selbst hielt eine Automatik mit langgezogenem Schalldämpfer in der Rechten.

      "Schön ruhig", sagte ich.

      Milo war bei der Eingangstür geblieben und sicherte mich aus der Deckung heraus.

      Der Lockenkopf wandte ihm einen kurzen Blick zu.

      Ich konnte förmlich sehen, wie die Panik in unserem Gegenüber aufstieg. Ein heikler Moment. Die Gesichtsfarbe veränderte sich, wurde dunkelrot. Muskel und Sehnen spannten sich. Der Lockenkopf machte in dieser Sekunde den Eindruck eines in die Enge getriebenen Wolfs.

      "Wir sind vom FBI! Sie sind verhaftet!", setzte ich hinzu. "Lassen Sie die Waffe fallen...."

      Die Fingerknöchel des Lockenkopfs waren weiß, so umkrampfte er den Griff seiner Waffe. An seinem Hals sah ich ein metallisches Glitzern. Ein Amulett, das ich schon einmal gesehen hatte. Drei Kreuze auf einer kreisrunden Fläche...

      Wir waren also auf der richtige Spur.

      Ich hoffte nur, dass wir nicht bereits zu spät kamen. Zu spät, um Sally Hirams Leben zu retten...

      Der Lockenkopf blickte seitwärts, in den Raum hinein, aus dem er gekommen war.

      Ich wusste sofort, dass er jemanden anschaute.

      Dort war noch jemand...

      Einen Sekundenbruchteil später verriet ein schabendes Geräusch mir, dass ich recht hatte.

      Der Lockenkopf riss seine Waffe hoch.

      Wie ein Blitz zuckte das Mündungsfeuer aus dem Schalldämpfer heraus. Es machte zweimal kurz hintereinander 'plop!'. Ich wich zur Seite, kam hart gegen die Wand, während eines der Projektile nur Millimeter an mir vorbeizischte.

      Der Lockenkopf stürzte seitwärts durch den Zimmereingang.

      Das Klirren einer Fensterscheibe drang von dort zu uns herüber.

      Mit drei, vier schnellen Schritten stand ich im Eingang zum Wohnzimmer, die P226 mit beiden Händen umfasst.

      Ich riss die Waffe hoch.

      Der Lockenkopf war gerade im Begriff, durch das zertrümmerte Fenster zu klettern. Draußen rannte eine Gestalt davon. Das einzige, was ich an ihr klar erkennen konnte war die Baseballkappe auf dem Kopf.

      Ich feuerte.

      Meine Kugel brannte sich eine Handbreit vom rechten Bein des Lockenkopfs entfernt in das Gemäuer. Ein Stück Fensterbank wurde mit herausgesprengt.

      Der Lockenkopf erstarrte.

      "Die Waffe weg!", brüllte ich.

      Er zögerte. Mit dem nächsten Schuss holte ich eine der letzten Glasecken aus dem Fenster heraus. Der Lockenkopf zuckte zusammen. Der Griff um die Waffe löste sich. Mit einem harten Geräusch fiel sie auf den Parkettboden.

      Ich trat auf den Mann zu, begann ihn zu durchsuchen. Einen Elektroschocker holte ich aus seiner Jackentasche.

      Milo trat hinzu.

      "Da war noch ein zweiter", sagte ich.

      "Ich weiß", knurrte Milo. Er stieg auf die Fensterbank und sprang hinaus. "Den hol ich mir!"

      Milo spurtete los.

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