Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis. Walter G. Pfaus
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Ich kettete den Lockenkopf mit den Handschellen an einen Heizkörper und setzte ihn dabei in einen der klobigen Plüschsessel.
Dann fielen mir die Blutflecken auf dem Boden auf, die im ganzen Raum verteilt waren. Es waren Fußabdrücke. Der Lockenkopf war in irgendetwas hineingetreten.
Ich ging durch die offene Tür ins Nebenzimmer.
Es war das Schlafzimmer.
Auf dem Boden lag eine junge Frau in seltsam verrenkter Stellung. In Höhe des Bauchnabels war ihr Kleid blutdurchränkt. Eine Schusswunde. Der ganze Raum zeigte Spuren eines heftigen Kampfes.
Außer der Schusswunde hatte die Frau noch zahlreiche kleinere Verletzungen im Gesicht und an den Armen. Am Hals war ein Abdruck, der aussah, wie eine Brandwunde. Ich holte den Elektroschocker noch einmal hervor, den ich dem Lockenkopf abgenommen hatte.
Die Form des Abdrucks passte.
Was hier geschehen war, lag auf der Hand. Die Frau war vermutlich mit dem Schocker gefoltert worden, bevor entweder der Lockenkopf oder sein Komplize sie erschossen hatten.
Vermutlich, um etwas aus ihr herauszupressen.
Die Tote war vermutlich Melanie Travis. Und die beiden Killer waren Sally Hirams Spur bis hier gefolgt. Es war nichts Ungewöhnliches, dass Sekten das persönliche Umfeld ihrer Mitglieder sehr genau ausleuchteten. Sie wussten Bescheid. Die AUSERWÄHLTEN waren uns gegenüber immer einen Schritt voraus.
Ich entschied mich dafür, das halbvolle Glas zu sehen nicht das, das halb leer war.
Was hier geschehen war, war grauenhaft.
Aber es bedeutete auch, dass Sally noch lebte und die AUSERWÄHLTEN sie noch nicht in ihrer Gewalt hatten.
Ich kehrte zurück zu dem Festgenommenen.
Er warf mir einen wütenden Blick zu.
"Warum wollt ihr Sally Hiram umbringen?", fragte ich. "Was hat sie getan?"
Schweigen war die Antwort.
Ich sah ihm in die Augen.
"Für dich bin ich nur ein Diener des Bösen..."
Er sah mich erstaunt an. Dann zischte er: "Es wird ein großes Wehklagen kommen, wenn die Diener der Finsternis im Höllenschlund vernichtet werden..."
Ich griff zum Handy, um die Zentrale anzurufen. Die Spurensicherung musste sich die Wohnung genauestens ansehen. Außerdem brauchten wir Verstärkung von der City Police. Der Tatort musste gesichert werden.
Ich blickte aus dem Fenster.
Ein Parkplatz befand sich dort. Zu dieser Tageszeit war er kaum frequentiert, da die meisten Hausbewohner bei der Arbeit waren. Dahinter befanden sich weitere Gebäude. Die engen Lücken, die man zwischen ihnen gelassen hatte, gaben hier und da den Blick auf eine Straße frei.
In der nächsten Sekunde hörte ich das Knattern einer Maschinenpistole.
53
Milo hatte den Kerl mit der Baseballmütze bis zur Straße verfolgt. Suchend ließ er den Blick schweifen. Der Verkehr quälte sich auf vier Spuren dahin. Auf den Bürgersteigen gab es kaum Passanten. Dies war eine Wohngegend, Geschäfte hatten Seltenheitswert. Die Konkurrenz des nahen Manhattan war einfach zu übermächtig.
Ein aufgeregtes Hupen ließ Milos Blick zur Seite fahren.
Und dann sah er ihn.
Er hatte sich bis zu dem Grünstreifen gerettet, der die Straße teilte.
Er blickte in Milos Richtung.
Milo trug die P226 in der Rechten. Aber er wusste, dass ihm die Waffe im Moment wenig nützte. Es wäre unverantwortlich gewesen, an diesem Ort eine Schießerei zu riskieren.
Sein Gegenüber hatte da weit weniger Skrupel.
Er begriff sofort, dass Milo hinter ihm her war. Der Mann mit der Baseball-Kappe riss den Arm hoch... Etwas Dunkles hielt er in der Rechten. Eine Maschinenpistole vom Typ Uzi.
Der Flüchtende ließ die Waffe einfach losknattern. Ein Kugelhagel von zwanzig bis dreißig Geschossen pfiff über die Autodächer. Viele der Fahrer bemerkten überhaupt nicht, was los war.
Milo duckte sich.
Hinter ihm gingen einige Fensterscheiben zu Bruch.
Der Mann mit der Baseballmütze versuchte, seinen Weg fortzusetzen und auch die zweite Hälfte der Straße hinter sich bringen. Jemand hupte. Bremsen quietschten. Der Flüchtende wich wieder zurück auf den Grünstreifen. Milo rannte indessen los. Ein Geländewagen verfehlte ihn nur um Haaresbreite. Ein Lastwagen fuhr Zentimeter vor seinen Füßen her und ließ ihn wieder einen Schritt zurückweichen. Als der Lastwagen davongefahren war, sah Milo, dass sein Gegner mitten auf der Fahrbahn stand. Er richtete die MPi direkt auf die Windschutzscheibe eines Mercedes. Der Mercedes bremste. Der Fahrer - ein Mann in hellblauem Pilotenhemd und dunkelroter Krawatte - war bleich vor Schrecken. Es gab ein dumpfes Geräusch. Hinter dem Mercedes gab es einen kleineren Auffahrunfall. Jemand hupte.
Der Flüchtende umrundete die Motorhaube des Mercedes, versuchte die Beifahrertür aufzureißen. Die Zentralverrieglung