Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker
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„Allah hat dir Weisheit gegeben, Herr!“, meinte Mahmut unterwürfig. Offenbar gehörte er zu der noch kleinen, aber immer zahlreicher werdenden Gruppe unter den Uiguren, die den Worten des Koran folgten, während gemeinhin der Glaube des Mani an einen immerwährenden Kampf zwischen dem Licht und der Dunkelheit unter den Uiguren am meisten verbreitet war. Mahmuts Haltung straffte sich etwas. Er hob den Blick und sah abwartend zu seinem Anführer.
Der Narbengesichtige machte eine ausholende Geste und rief den in der Nähe befindlichen Männern zu: „Es muss noch mehr Papiermacher hier geben. Findet sie alle! Man wird uns ihr Gewicht in Silber aufwiegen!“
„Wir sollten allerdings trotzdem so schnell wie möglich von hier verschwinden, Toruk!“, meinte Mahmut. „Der Kaiser von Xi Xia wird Jagd auf uns machen, bis wir die Grenzen seiner Herrschaft hinter uns gelassen haben!“
Toruk, der Narbengesichtige, lachte heiser auf. „Der Kaiser von Xi Xia ist ein armseliger Narr, der anscheinend glaubt, dass er sich nur denselben Titel zu geben braucht wie der Herr des Reichs der Mitte. Aber bei der Weisheit des Propheten Mani! Ein Sohn des Himmels wird dieser tangutische Emporkömmling nie werden – und vor seiner armseligen Macht braucht auch niemand zu zittern!“ Toruk wandte sich noch einmal Wang zu. „Zeig uns, mit wem du dein Handwerk verrichtest!“, forderte er. „Na los!“
Wang deutete auf Gao. „Das ist mein Geselle und meine Tochter Li habe auch auch in die Geheimnisse dieser Kunst eingewiesen. Sie hat den Grad meisterlicher Vollkommenheit bereits erreicht.“
Toruks Blick wanderte zu der jungen Frau. Li gefiel die Art und Weise nicht, wie der Uigure sie ansah. Sein Gesicht verzog sich.
„Bist du noch Jungfrau?“, fragte er.
„Ja, Herr“, antwortete sie.
„Auch dafür ließe sich ein guter Preis erzielen! Wir werden sehen, für welches deiner Talente das Gebot höher ist!“
Zweites Kapitel: Gefangen und verschleppt
Die Uiguren nahmen nichts mit, was sich nicht auf dem Rücken eines Pferdes hieven ließ. Die erbeuteten Pferde wurden zusammengetrieben und zu einem Gutteil mit Waren und Silbervorräten der Fellhändler beladen. Sämtliche Sättel, die man auftreiben konnte, wurden anderen Gäulen auf den Rücken geschnallt.
„Vater, was wird jetzt?“, fragte Li, während sich all das vor ihr abspielte.
„Was nun geschieht, haben wir nicht in der Hand“, sagte der Papiermacher mit einer äußeren Gelassenheit, die Li nicht in derselben Weise aufzubringen vermochte. Furcht vor der Ungewissheit schnürte ihr die Kehle zu. Als Konkubine irgendeines der ungezählten Klein-Khane an der Seidenstraße verkauft zu werden, war nun wirklich nicht das, was sie sich für ihr Leben vorgestellt hatte. Aber zur Arbeit in einen fernen, unzivilisierten Ort fortgeschafft zu werden, war ebenfalls keine rosige Aussicht. Li hörte nicht zum ersten Mal davon, dass begehrte Handwerker von Räuberbanden verschleppt wurden, um an weit entfernten Orten, an denen an ihrer besonderen Kunst ein Mangel bestand, zu dienen. Begabte Waffenschmiede gehörten ebenso dazu wie Baumeister oder Rechenkünstler. Normalerweise gelang es keinem von ihnen jemals in seine Heimat zurückzukehren und darüber, wie es ihnen in der Fremde erging, konnte man nur Vermutungen anstellen.
Li wurde auf ein Pferd gesetzt. Da ihr Kleid zum Reiten eigentlich nicht geeignet war, schlitzte der Uigurenkrieger, der ihr in den Sattel half, es kurzerhand mit seinem Schwert ein Stück auf.
Innerhalb von weniger als einer Stunde hatten die Uiguren alles auf den Rücken von Pferden gebracht, was sie mitzunehmen gedachten – Menschen und Waren. Ohnmächtig vor Wut stand so mancher Händler da, der hilflos mitansehen musste, wie seine Waren fortgeschafft wurden. Allerdings nur der Teil, der sich problemlos mitnehmen ließ. Krüge und andere zerbrechliche Gegenstände zerschlugen die fremden Reiter manchmal aus purem Mutwillen.
Allerdings wagte es niemand, sich zu wehren. Die Händler - die meisten von ihnen Perser – konnten froh sein, wenn man sie nicht für reich hielt, sodass es vielleicht lohnte, sie zu verschleppen und ein Lösegeld zu fordern.
Dieses Schicksal ereilte hingegen mehrere Dutzend Angehörige der angesehensten Familien. Die Uiguren nahmen immer nur ein Familienmitglied gefangen und gingen bei der Einschätzung des Reichtums der jeweiligen Familie schlicht nach der Ausstattung des jeweiligen Hauses oder der Art der Kleidung.
Li klammerte sich am Sattelknauf fest. Es war nicht das erste Mal, dass sie auf dem Rücken eines Pferdes saß, denn hin und wieder war sie mit ihrem Vater oder dessen Gesellen die Nachbarorte abgeritten, um Lumpen aufzukaufen. Lumpen, die man zerstampfen und aus denen man schließlich den kostbaren Stoff fertigen konnten, der Gedanke und Gesetze trug und dessen ganz besondere Magie es sogar ermöglichte, dass er sich fliegend in die Lüfte erhob – vorausgesetzt man wusste ihn richtig zu falten und die Windgeister waren einem gnädig.
Auch die anderen Gefangenen wurden auf Pferde gesetzt. Sie zu fesseln schien man nicht für nötig zu halten. Schließlich war keiner von ihnen bewaffnet.
Darüber hinaus wurde jedes dieser gefangenen Pferde noch mit Gepäck behängt, darunter waren gepökeltes Fleisch, Felle, Decken und was den Uiguren sonst noch wertvoll erschien. Nur Waffen, Schmuck und Silbermünzen hielten Toruk und seine Männer von den Gefangenen fern. Gürtel und farbige Gewänder, die den Reitern gefielen und den ein oder anderen Zierdolch nahmen die berittenen Krieger sofort an sich. Dann preschte die Horde davon. Zurück blieben zahllose Tote. Wen die Uiguren von der tangutischen Stadtwache noch lebend aufgefunden hatten, war umgebracht worden. Schließlich wollte man verhindern, dass sie in Kürze verfolgt werden.
Die Zurückbleibenden waren waffenlose Händler und verzweifelte Angehörige der Verschleppten, die nun zusehen mussten, ein Lösegeld aufzutreiben. Und das, nachdem man gerade vollkommen ausgeplündert worden war! Wer keine reichen Verwandten andernorts hatte, für den sahen die Aussichten für eine Rückkehr schlecht aus.
Der Ritt war so scharf, dass Li Mühe hatte, sich im Sattel zu halten. Sie war völlig verkrampft und klammerte sich mit alle Kraft am Knauf fest. Die Uiguren nahmen die Pferde mit den Gefangenen in ihre Mitte. Es war keineswegs ausgeschlossen, dass diese dreisten Diebe, sich soeben genau die Pferde zurückholten, die sie zuvor auf dem Pferdemarkt feilgeboten hatten.