Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker

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Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021 - Alfred Bekker

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Anweisung, die Gefangenen zu fesseln. Daraufhin wurden lange Hanfseile aus den Satteltaschen geholt. Eigentlich waren sie wohl dazu da, Pferde anzubinden.

      Doch der narbige Toruk schritt ein.

      „Wohin sollen sie denn schon gehen – bei Nacht allein in dieser Einöde?“, fragte der Anführer des räuberischen Trupps. „Davon abgesehen werden die meisten von ihnen es nicht gewohnt sein, an einem Tag mehr Meilen im Sattel hinter sich zu bringen, als sie es vermutlich je zuvor in ihrem Leben getan haben.“

      Toruk wandte sich dann persönlich an die Gefangenen. Im Schein des Lagerfeuers, das die Uiguren entzündet hatten, sah sie, wie ein Muskel nur wenig oberhalb der Narbe, die seine Züge entstellte, unruhig zuckte. „Wer es wagen sollte, zu fliehen, hat keine Gnade zu erwarten!“, rief er. „Wir werden jeden, der das versucht, sofort töten, gleichgültig, ob seine vornehme Herkunft ein gutes Lösegeld verspricht oder wir ihn nur als Arbeitssklaven verkaufen könnten!“ Dann wiederholte Toruk seine Worte noch einmal in einem barbarischen, akzentbeladenen Dialekt der Sprache des Han-Volkes, wie es einige seiner Abkömmlinge in die am westlichsten gelegenen Provinzen des Reichs der Mitte gebracht hatten. Li hatte nur deswegen keine Mühe, ihn zu verstehen, weil sie zuvor schon auf Uigurisch verstanden hatte, was er wollte. Schließlich ließ Toruk annähernd dieselben Worte auch noch einmal auf Persisch folgen. Eine so große Gelehrsamkeit in der Kunst, fremde Sprachen zu erlernen, hatte Li ihm gar nicht zugetraut. Aber andererseits kamen diese Nomaden entlang der Seidenstraße weit herum und konnten kaum erwarten, dass man in den großen Städten, die sich sowohl im Osten als auch im Westen wie an einer Perlenkette aufreihten, irgendjemand die Zunge eines unbedeutenden Nomadenstammes beherrschte.

      Li zitterte. In der Nacht wurde es empfindlich kalt und abgesehen von dem, was sie am Leib trug, hatte sie nichts bei sich. Toruk sah dies und ein schiefes Lächeln spielte um seine Lippen. „Der Dung der Pferde mag euch Abkömmlinge von streunenden Hunden wärmen", knurrte er. „Aber vielleicht ist es besser, euch beim Feuer zusammenzutreiben - dann kann man euch besser sehen und niemand unter euch empfindlichen Bewohnern fester Häuser wird mir in den nächsten Nächten am Husten sterben..."

      „Wir sollen mit diesem Gewürm aus dem Han-Volk an einem Feuer sitzen?", ereiferte sich jetzt Mahmut. „Bei Allah, Mani und den Windgeistern der Steppe - du verlangst viel von mir, Toruk."

      Toruk lachte. „Du verlangst aber auch viel von dem neuen Gott Allah, den du im Westen kennen gelernt hast. Ich glaube nicht, dass seine Imame es gut heißen, wenn du alles in einem Atemzug anrufst. Oder machen die Anhänger Mohammeds neuerdings auch jeden Berggeist zu einem ihrer Heiligen? Das wäre mir neu."

      „Du meinst, so wie es die Manichäer tun!", knurrte Mahmut und in seinen Augen funkelte es auf eine Weise, die erkennen ließ, dass für ihn Toruks Spott nur schwer erträglich war. Eine Hand Mahmuts schloss sich um den Griff des leicht gebogenen Schwertes, das er am Gürtel trug und das ganz offenkundig nach Art der Perser und Araber geschmiedet war.

      Das erkannte sogar Li, die ansonsten weder etwas von den Kriegskünsten noch von Waffen verstand. Damaszener Stahl hatte einen geradezu legendären Ruf, der auch auf den Märkten von Xi Xia Bestand hatte. Aber noch berühmter war der so genannte schwarze Stahl, der aus den Bergen Chorasans kam. Persische Schmiede gossen ihn zu dunklen Barren. Li hatte schon gesehen, wie sie auf den Märkten hin und wieder gehandelt und in reinem Silber aufgewogen wurden, denn aus diesen Barren ließen sich Schwerter von besonderer Festigkeit schmieden. Zumindest wenn sie in die Hände von vollendeten Schmiedemeistern kamen, wie sie im Dienst des Himmelssohnes im fernen Bian standen.

      Diese Nomaden allerdings hatten solche Schwerter nicht selbst geschmiedet, sondern vermutlich beim Überfall auf Karawanen erbeutet oder weit im Westen gegen das Raubgut eingetauscht, das sie anderswo erbeutet hatten.

      „Lasst die Gefangenen etwas trinken!“, rief Toruk seinen Männern zu. „Führt sie in Gruppen zu zehnt an die Wasserstelle und lasst sie trinken, wenn die Pferde genug gesoffen haben! Und erschlagt nicht zu viele, wenn sie Widerstand leisten. Sonst hat sich der Raubzug nicht gelohnt!“

      Die Uiguren brüllten vor Lachen, aber Li lief es kalt über den Rücken.

      ––––––––

      „Mir knurrt der Magen“, meinte Wang später leise an seine Tochter gewandt. Er rieb sich die Hände. Offensichtlich fror auch er. Sie kauerten am Feuer und mussten zusehen, wie die Uiguren ihre Vorräte auspackten.

      „Sie werden uns nicht verhungern lassen, sonst können sie uns nicht weiterverkaufen“, meinte Li. „Oder für die hochwohlgeborenen Mitglieder unserer Leidensgemeinschaft noch ein Lösegeld erwarten...“

      „Was auch geschieht, wir werden es ertragen müssen, Li. Es gibt nichts, was wir tun könnten. Nichts, was unsere Lage verbessern könnte.“

      Li sah ihren Vater an und auf ihrer glatten Stirn erschien ausnahmsweise eine Falte – gut sichtbar im Licht des immer stärker prasselnden und aufflammenden Feuers. „Heißt das, wir müssen jede Hoffnung aufgeben?“, fragte sie flüsternd.

      „Oh nein, davon kann keine Rede sein!“, erwiderte Wang. „Aber so, wie sich die Bäume und das Gras der Steppe dem Wind beugen, werden wir uns auch beugen müssen. Wir sind nicht der Wind, Li – sondern das Gras.“

      ––––––––

      Li schlief unruhig und unbequem auf dem nackten Boden. So weit wie möglich hatte sie sich zusammengerollt. Das Wiehern eines Pferdes und die rauen Rufe von Toruks Leuten weckten sie schließlich.

      Li taten die Beine und das Gesäß weh. Jeder Muskel und jede Sehne bis hinauf zum Rücken schmerzten, als sie versuchte, sich zu erheben.

      Wang bemerkte, wie es seiner Tochter ging. „Wir sind das Reiten nicht gewöhnt“, sagte er. „Nicht auf diese Weise zumindest...“

      „Ich kann mich kaum bewegen“, meinte Li.

      „Doch, du kannst“, sagte Wang. „Du kannst mehr aushalten, als du im Moment für möglich halten magst. Was immer geschieht – nimm es als Prüfung, so wie es der Weise Lao-she von uns fordert.“

      Li widersprach nicht – denn auch, wenn ihr Vater im Moment einen wenig würdevollen Eindruck machte, so änderte dies nichts an dem tiefen Respekt, den sie vor ihm empfand.

      Die Worte Lao-shes und anderer Weiser kannte sie sehr wohl. Aber im Augenblick glaubte sie nicht daran, stark genug zu sein, um diese Prüfungen zu bestehen.

      ––––––––

      Noch ehe die Sonne aufging, wurde die Reise fortgesetzt. Von Norden her blies ein eisiger Wind, während sich im Osten bereits die ersten Strahlen der blutroten Morgensonne über den Horizont stahlen. Die Berge bildeten gezackte Schattenlinien, die sich dunkel und drohend dagegen abhoben.

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