Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021. Alfred Bekker
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Das Zeichen der Manichäer!, erkannte Li. Dieser Glaube war selbst in die Kernlande des Reichs der Mitte vorgedrungen, wo seine Missionare behaupteten, der Prophet Mani sei nicht nur der Vollender der Lehre Jesu Christi gewesen, sondern auch eine Wiedergeburt des Weisen Lao-she. Li hatte sich von dem Eiferertum, das man unter den Anhängern Manis so häufig finden konnte, immer abgestoßen gefühlt. Aber all die strengen Regeln und die rigide Moral, der sich die Mani-Gläubigen unterwarfen, hielten sie offenbar nicht davon ab, sich als Räuber und Mörder zu betätigen. Raub und Handel waren für diese Nomaden ohnehin nur zwei Seiten ein und derselben Medaille.
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Den ganzen Tag über ritten sie ununterbrochen – abgesehen von einer kurzen Rast, die an einem Wasserloch eingelegt wurde.
Sie passierten stetig steiler werdende Anhöhen und erreichten schließlich ein gebirgiges Land, in dem der Boden immer steiniger und karger wurde.
Das Tempo, mit dem bisher die Pferde vorwärts getrieben worden waren, wurde etwas gemäßigter. Man stellte sich offenbar auf eine weite Reise ein und wollte die Tiere nicht zu Schanden hetzen. Li hielt sich in der Nähe ihres Vaters, und versuchte, sich nicht zu weit von ihm zu entfernen, soweit das möglich war, ohne bei den Uiguren Aufsehen zu erregen.
„Der Mann mit der Narbe – Toruk! Er scheint der Anführer zu sein“, sagte Li, als sie zwischenzeitlich etwas langsamer ritten, um die Pferde zu schonen. Die uigurischen Reiter hatten ein sehr feines Gespür dafür, wie viel sie ihren Reittieren zumuten konnten.
Wang nickte. „Ja, er könnte der Mann sein, den man anderswo auch den narbigen Schlächter nennt“, meinte er. „Der dicke Perser aus Samarkand hat mir davon berichtet, als ich ihm das Papier für seine Lieferlisten verkauft habe!“ Wang war weitaus besser an das Reiten gewöhnt, als seine Tochter. Er hatte Li davon erzählt, wie er schon als Junge von seinem Vater, der ebenfalls Papiermacher gewesen war, auf längere Botschaftsritte geschickt worden war. In Bian, mitten im Herzland der Mittleren Reiche war das zu jener Zeit ohne Gefahr möglich gewesen, denn niemand außer den Soldaten des Kaisers, hatte Waffen tragen dürfen. Der Sohn des Himmels garantierte die Sicherheit für alle und seine Gesetze hatte in jener Zeit noch unumschränkte Gültigkeit gehabt. So hatte niemand hatte befürchten müssen, unterwegs von Räuberbanden überfallen zu werden.
In Xi Xia waren die Verhältnisse in dieser Hinsicht allerdings immer schon weitaus unsicherer gewesen. Es war niemandem zu empfehlen, allein durch die Steppe zu reiten. Einer Frau schon gar nicht. Und selbst von schwer bewaffneten Eskorten begleitete Karawanen waren vor der Gier der Nomadenstämme nicht sicher. Manchmal konnte man sie mit Wegzoll zufrieden stellen. Dass sie so dreist waren, einen Ort mit Befestigungsanlagen anzugreifen, kam dagegen nicht so häufig vor. Li war sich inzwischen sicher, dass ihr der Manichäer mit der Dreiecksspange tatsächlich auf dem Markt begegnet war. Vermutlich erinnerte er sich gar nicht daran. Nein, er war auf ganz andere Dinge konzentriert gewesen, erkannte Li. Auch wenn der Manichäer damals so getan hatte, als wäre er einer der unzähligen Händler der Umgebung, so hatte er in Wahrheit wohl die Verhältnisse in der Stadt ausgekundschaftet.
„Was weiß man über den narbigen Schlächter?“, fragte Li, der inzwischen jeder Muskel ihres Körpers schmerzte und die nur noch zu den Göttern betete, dass dieser furchtbare Ritt bald ein Ende haben möge.
„Er ist der Sohn eines Uiguren-Khans in den westlichen Bergen.“
„Und der Herr von Xi Xia lässt ihn gewähren?“, fragte Li verständnislos.
„Du weißt, wie schwach der Kaiser von Xi Xia ist.“
Der Geselle Gao meldete sich nun zu Wort. „Solange niemand seine ferne Residenz angreift, wird er kaum etwas zu unternehmen versuchen“, war er überzeugt. „Dort schaut man gebannt nach Osten, wie der neue Sohn des Himmels sich behauptet und ob man ihm vielleicht in Zukunft wieder Tribut zahlen muss!“
Gao war ein gelehriger junger Mann, der das Handwerk des Papiermachers gut erlernt hatte, wie Meister Wang nicht müde wurde zu betonen – schon deswegen, damit Gao nicht auf die Idee kam, seine Kunst anderswo für gutes Silber zu verkaufen. Ihm hätte es schließlich frei gestanden, ins Reich der Mitte zurückzukehren, denn seine Sippe war nicht in Ungnade gefallen. Vielmehr entstammte er einer Familie von Schreibern, die es hier her verschlagen hatte, als die Macht der Kaiser aus dem Reich der Mitte noch bis nach Xi Xia reichte und im Namen der Himmelssöhne Steuern erhoben, eingetrieben und verzeichnet werden mussten. Aber diese Zeiten waren lange vorbei. Das Reich der Mitte glich an seinen Rändern einem zwar kunstvollen, aber altersschwachen, ausgefransten und mottenzerfressenen persischen Wandteppich, dessen Maschen sich unaufhaltsam weiter auflösten. Jeder Versuch, diesen Vorgang anzuhalten, machte es nur schlimmer.
In jener Zeit, als das Reich Xi Xia die Herrschaft der Himmelssöhne von Bian abgeschüttelt hatte wie eine lästiges Joch, hatte auch Gaos Familie nach und nach ihren bescheidenen Wohlstand verloren. Die Zahl der Schreiber hatte sich ebenso verringert wie der Soldaten und Beamten. Und Steuern wurden häufig nicht nach Listen erhoben, sondern nach reiner Willkür festgesetzt.
Unter anderen Umständen hätte Wang sicher gefunden, dass Gao ein passender Schwiegersohn für seine Tochter gewesen wäre. Eigentlich brachte er alles dafür mit. Er war handwerklich geschickt und hatte die Kunst des Papiermachens auf eine Weise gelernt, wie es sonst nur wenige von sich behaupten konnten. Somit hatte er in jedem Fall eine sichere Grundlage, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Davon abgesehen besaß er Erwerbssinn und ein sanftmütiges, ausgeglichenes Wesen, wie Wang es sich für einen Ehemann seiner Tochter gewünscht hätte. Aber der Papiermacher hatte sich immer vorgestellt, dass durch die Heirat seiner Tochter auch der Besitz vermehrt würde. Und solange sie jung und hübsch war, so hatte er immer gemeint, brauchte er diese Hoffnung noch nicht aufzugeben.
Li hatte diese Pläne ihres Vater immer mit gemischten Gefühlen betrachtet. Sorge zu tragen, dass sich der Besitz der nachfolgenden Generationen mehrte, war gewiss die Pflicht eines Vaters. Aber hatte nicht Wangs eigenes Leben gezeigt, dass Besitz nicht alles war? Auf jeden Fall keine Gewähr für wirklich tief empfundenes Glück. Li hatte in diesem Zusammenhang immer an die selbst gewählte Armut der tibetischen Mönche denken müssen, die die Lehren Buddhas verbreiteten, und dabei einzig auf die Weisheit ihrer Worte und die Kraft ihres persönlichen Beispiels als Mittel der Bekehrung setzten. Aber eigenartigerweise schien auch für die Mönche der Nestorianer die Aufgabe des Besitzes eine Voraussetzung für die Erlösung zu sein – und wenn zwei so unterschiedliche Lehren wie die von Buddha und Christus in diesem Punkt übereinstimmten, dann war vielleicht ein wahrer Kern darin.
Der Überfall der Uiguren hatte natürlich alles über den Haufen geworfen, was Wang je an Zukunftsplänen für seine Tochter geschmiedet hatte. Nicht einmal die Götter mochten jetzt wissen, was vor ihnen lag.
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In der ersten Nacht lagerten die Uiguren für wenige Stunden zwischen Mitternacht und Morgengrauen an einer Wasserstelle. Sie lag geschützt zwischen den kargen, felsigen Bergen und man musste sie wohl kennen,