Geheilt statt behandelt. Prof. Dr. Harald Prof. Dr. Schmidt

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Geheilt statt behandelt - Prof. Dr. Harald Prof. Dr. Schmidt

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Diabetes. In 26 Studien wurde jedoch kein solcher Zusammenhang festgestellt. Was war anders an diesen Studien? Sie wurden alle von Forschern mit finanziellen Verbindungen zur Getränkeindustrie durchgeführt. Die Ergebnisse wurden in den Annals of Internal Medicine veröffentlicht.36

      Die Getränkeindustrie bezahlt zudem Ernährungswissenschaftler und sogenannte Gesundheitsexperten dafür, in sozialen Medien Beiträge zu schreiben, die sich gegen Steuern auf extrem zuckerhaltige Getränke aussprechen und dagegen Verbraucher ermutigen, diese als gesunden Snack zu sehen.37 Als „wissenschaftsbasierte“ Lösung setzt sich Coca-Cola dafür ein, die Adipositaskrise als Bewegungsmangel- oder Energiebilanzproblem zu definieren und nicht als ein Problem des Zuviels an Kalorien und Zucker. Das Unternehmen hat hierzu eine „gemeinnützige“ Organisation namens Global Energy Balance Network unterstützt. Die Website des Netzwerks (gebn.org) ist bei der Coca-Cola-Zentrale in Atlanta registriert, von wo diese auch administriert wird. Die finanzielle Unterstützung von Coca-Cola wird nicht erwähnt. Die Unterstützung prominenter Gesundheitsforscher durch Coke erinnert an die Taktik der Tabakindustrie, die Wissenschaft zu verwirren und Zweifel über die Gesundheitsrisiken des Rauchens zu säen.

      Der regelmäßige Konsum von einem zuckergesüßten Getränk pro Tag erhöht das Diabetesrisiko (unabhängig von einer Zunahme an Körpergewicht) um 13 Prozent.38 Die Länder mit dem höchsten Zuckerkonsum haben die höchsten Typ-2-Diabetesraten und umgekehrt.39 Nun könnte man argumentieren, Menschen, die viel Zucker zu sich nehmen, essen vielleicht überhaupt sehr viel und sind daher übergewichtig und bewegen sich infolgedessen auch zu wenig, und vielleicht sind Übergewicht und Bewegungsmangel die eigentlichen Gründe für die Korrelation zwischen Zucker und Diabetes. Aber auch wenn man Personen mit gleichem Gewicht oder Übergewicht beziehungsweise gleicher körperlicher Bewegung miteinander vergleicht, bleibt der Effekt des Zuckers bestehen.40 Er ist und bleibt eines der sechs wesentlichen Lebensstilrisiken für chronische Erkrankungen und erklärt die annähernde Verzehnfachung der Krankheitsrate an Diabetes in der Bevölkerung seit den 1950er-Jahren (siehe Abbildung 9).

      Die Zahlen in Deutschland sind mit circa sieben Prozent Typ-2-Diabetikern in etwa gleich hoch wie in den USA.41 Diese häufigste Form von Diabetes hieß übrigens nicht immer Typ 2. Ursprünglich war dies eine Diabetesform, die meist erst im Erwachsenenalter auftrat. Noch bis in die 80er-Jahre meines Medizinstudiums wurde sie daher Altersdiabetes genannt. Allerdings sind heutzutage immer mehr jüngere Menschen betroffen und so wurde die Bezeichnung Typ 2 eingeführt, um sie von dem selteneren Autoimmundiabetes Typ 1 zu unterscheiden. Fehlernährung, oft gepaart mit mangelnder Bewegung, hat so das Stadium der chronischen Erkrankung weit in das Jugendlichenalter verschoben. Die Langzeitkonsequenzen – Herzinfarkt, Schlaganfall, Amputationen, Sehstörungen und Nierenschädigungen – lassen sich durch die sogenannten Anti-Diabetika kaum verhindern. Im Grunde sind dies auch nur Arzneimittel, die das Symptom erhöhte Blutzuckerwerte normalisieren. Die Gründe dafür, warum eine reine Symptombehandlung nicht ausreichen kann und die NNT für die relevanten Spätfolgen so hoch ist (zwischen 45 und 100), entsprechen denen beim Bluthochdruck-Beispiel (siehe Kapitel 1).42

      Abb. 9: Der wachsende Anteil der Diabetiker in der Bevölkerung der USA von 1958 bis 2020.41

      Die evidenzbasierte Ernährungsempfehlung lautet nicht, Zucker wegzulassen, sondern den Ball flach zu halten. Zum Beispiel empfiehlt die WHO, maximal zehn Prozent der täglichen Kalorien durch zugefügten Zucker abzudecken.43 Das sollte ja wohl jeder schaffen. Körperliche Aktivität ist natürlich auch wichtig und muss mit der Gesamtkalorienaufnahme in Balance stehen. Es dürfte klar sein, dass der an Gewicht zunimmt, der mehr isst, als er verbraucht. Bewegung regt allerdings auch den Appetit an und veranlasst dadurch, mehr Kalorien zu sich zu nehmen. Bewegung verbraucht also viel weniger Kalorien, als die meisten Menschen denken. Eine Dose Coca-Cola enthält zehn Teelöffel Zucker; um diese zu verbrennen, müssten Sie circa fünf Kilometer laufen, also eine Stunde. Wer macht das schon? Die Ergänzung eines Ernährungsprogramms durch Bewegung hilft, aber eine Ernährungsumstellung erzielt viel mehr Wirkung.44

      Und noch zwei Punkte sind zu Zucker und Ernährung ebenfalls wichtig zu wissen. Auf vielen Lebensmitteln wird der Zuckeranteil durch kreative Alternativbezeichnungen versteckt. Hierzu gehören: Saccharose, Dextrose, Raffinose, Glukose, Fruktose-Glukose-Sirup, Stärkesirup, Karamellsirup, Laktose, Maltose, (Gersten-)Malzextrakt und Malto-Weizen-Dextrin, aber auch scheinbar gesunder Honig, Traubenfruchtsüße und Agavendicksäfte. So sind in Salatdressings (French, Vinaigrette) bis zu sieben Gramm Zucker pro Portion; in Suppen und Saucen zwölf Gramm; in Alkoholika wie einem Glas Cider oder einem doppelter Sherry 20 Gramm; selbst in Brot und Sandwiches ist Zucker, teilweise ein Teelöffel pro zwei Scheiben. Ebenso hohe Zuckeranteile finden sich in Frühstücks-Smoothies, Frühstücksriegeln und sogenannten fettarmen Fruchtjoghurts, die dafür dann sehr viel Zucker enthalten. Also aufgepasst!

      Ein zweiter Irrtum ist, Zuckerersatzstoffe oder Süßstoffe, die zu den weltweit am häufigsten verwendeten Lebensmittelzusatzstoffen gehören, seien gesünder oder gar vorteilhaft. Süßstoffe bewirken jedoch genauso Diabetes, und zwar durch Veränderungen in der Zusammensetzung und Funktion des Darm-Mikrobioms, sind also keine Lösung, sondern eher ein anderes Problem.45 Also wenn ein bisschen Zucker, dann Zucker und nicht Süßstoffe!

      Diabetes und massives Übergewicht werden gern als eine Pandemie bezeichnet, mit dramatischen Folgen für unser Gesundheitssystem beziehungsweise mit Einschränkungen der Lebenserwartung und Lebensqualität für Millionen von Menschen. Doch im Vergleich zu der Covid-19-Pandemie ab 2019 ist Diabetes keine schicksalhafte, schwer zu verhindernde, über die Welt hereingebrochene Pandemie. Mit den einfachen, gezielten und nachhaltigen Lebensstilmaßnahmen wäre es möglich, die Krankheitsrate von Diabetes wieder auf das Niveau der 1950er-Jahre zurückzubringen und das ohne Medikamente. Dann hätten wir auch wieder nur Alters- und keinen jugendlichen Typ-2-Diabetes mehr. Für Altersdiabetes, der auch ohne Über- und Fehlernährung auftritt, gibt es wahrscheinlich Risikogene, über die Forschung und eine vorbeugende Arzneimittelentwicklung sinnvoll sein könnten, nicht aber für den überwiegenden Rest der heutigen Diabetiker. Deren Diabetes mellitus ist überwiegend kein medizinisches, sondern vielmehr ein politisches Problem: der fehlende Wille zu echter Prävention und diese zudem auch durchzusetzen und zu finanzieren. Nicht viel anders ist es in weiteren Feldern von Lebensstilrisiken: Auch hier mangelt es an gesundheitspolitischem oder ökonomischem Willen zur echten Prävention.

      Rotes Fleisch

      Den Ball bei Zucker flach zu halten, ohne ihn ganz zu verbieten, und dies auf verschiedene Weisen auch durchzusetzen wäre einer der wichtigsten Präventionsimperative. Der einfachste Ansatz wäre, eine Zuckersteuer zu erheben, die auf all die gesundheitlichen Langzeitschäden einzahlt, die Zucker verursacht. Andere Länder haben es schon vorgemacht.46

      Ähnlich deutlich wie bei Zucker ist die Sachlage bei rotem Fleisch, dem Muskelfleisch von Rind, Schwein, Lamm oder Wild.47 Zucker und rotes Fleisch (insbesondere verarbeitet48 in Wurst- und anderen Fertigwaren) sind die Lebensmittel, bei denen eine Reduktion den deutlichsten Effekt auf die Gesundheit hat. Rotes Fleisch erhöht das Risiko für Gesamtsterblichkeit, vor allem für Krebs. Immer mehr junge Menschen, vor allem im Alter von 20 bis 2949, erkranken an Darmkrebs, während dieser bei 50-Jährigen durch Früherkennungsdarmspiegelungen rückläufig ist. Eigentlich müsste das Screening-Alter dringend auf 45 Jahre gesenkt werden. Dasselbe gilt für das Sterblichkeitsrisiko infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen; auch dieses korreliert mit dem Verzehr von rotem Fleisch. Ursächlich beteiligt hieran scheint Trimethylamin-N-oxid (TMAO) zu sein, eine

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