Geheilt statt behandelt. Prof. Dr. Harald Prof. Dr. Schmidt

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Geheilt statt behandelt - Prof. Dr. Harald Prof. Dr. Schmidt

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dem bisher nicht bekannt war, dass er Menschen infizieren könnte, daran, dass die pandemische Virusgrippe weiterhin eine Bedrohung darstellt.6 Während sich viele asiatische Staaten daraufhin auf einen ähnlichen Ausbruch mit Vorbeugungs- und Pandemiebekämpfungsszenarien vorbereiteten7, versäumten dies fast alle anderen Länder, was sich ab 2019 in der durch den SARS-CoV-2-Virus verursachten Covid-19-Pandemie rächen sollte.

      Zur Prävention komme ich später. Zunächst möchte ich noch festhalten, dass trotz aller vermeintlichen Errungenschaften der Medizin seit 1900 die Sterblichkeit – mit Ausnahme der Todesfälle durch Infektionskrankheiten – nicht (!) gesunken ist. Einige Todesursachen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in den Hintergrund gerückt, andere, wie Lungen- und Tumorerkrankungen, spielen nun eine größere Rolle; so resultiert im Mittel und als Endergebnis kein Gewinn an Lebenserwartung. Aber es kommt leider noch schlimmer, wenn man nämlich über den Zeitpunkt 1999 hinaus in das 21. Jahrhundert schaut …

      Die Sterblichkeit steigt

      Nicht nur, dass seit 2000 die Lebenserwartung stagniert, sie beginnt in einigen Industrieländern sogar zu sinken. Die USA und Großbritannien sind hierbei die unrühmlichen „Vorreiter“, aber es wird nicht lange dauern, bis diese Entwicklung auch andere europäische Länder einschließlich Deutschland treffen wird. In den USA ist die Lebenserwartung 2019 im dritten Jahr in Folge zurückgegangen.8 Diese Veränderung machte den jahrzehntelangen medizinischen Fortschritt bei der Verminderung der Sterblichkeit – auch wenn dieser im Wesentlichen auf das enge Gebiet der Hygiene bei Infektionskrankheiten, Impfungen sowie Antibiotika zurückgeht – zunichte.

      Die Ursachen hierfür sind teilweise USA-spezifisch. Ein wesentlicher Grund für frühe Todesfälle dort ist nämlich die relativ einzigartige Krise durch die verantwortungslose Verschreibung stark wirksamer Schmerzmittel (die in Deutschland alle unter das Betäubungsmittelgesetz fallen und wesentlich besser reguliert sind), aber auch durch chronischen Alkoholmissbrauch, Selbstmorde, Fettleibigkeit, Diabetes, Bluthochdruck und andere chronische Erkrankungen. Die USA leisten sich zwar das teuerste Gesundheitswesen der Welt, die Bevölkerung ist aber nicht gesünder als anderswo. Im Gegenteil, bezüglich der Lebenserwartung sind die USA im Vergleich zu anderen Industrieländern unteres Mittelmaß.

      Erstmals 2013 wurde in Großbritannien bemerkt, dass sich der Anstieg der Lebenserwartung zu verlangsamen begann. 2019 wurde zum ersten Mal in 100 Jahren beobachtet, dass Großbritanniens Einwohner früher zu sterben begannen. Großbritannien hat aktuell die schlechtesten Gesundheitstrends in ganz Westeuropa. Ältere Menschen, Arme und Neugeborene sind am stärksten betroffen. Männer im Alter von 65 Jahren werden mit 86,9 Jahren sterben, früher als bisher mit 87,4 Jahren; Frauen, die heute 65 Jahre alt sind, werden wahrscheinlich mit 89,2 Jahren sterben, ein Rückgang von den bisherigen 89,7 Jahren. Mit anderen Worten: Die Lebenserwartung von Menschen, die ins Rentenalter eintreten, ist um circa sechs Lebensmonate gesunken. Nun könnten Sie denken, dass die Menschen einfach den Höhepunkt ihrer Langlebigkeit erreicht haben. Man könne ja nicht erwarten, dass die Lebenserwartung ewig zunimmt. Den aktuellen Zahlen aus den USA und Großbritannien steht aber gegenüber, dass die Lebenserwartung an vielen anderen Orten der Welt, darunter zum Beispiel Hongkong, das chinesische Festland, Japan und Skandinavien, nicht sinkt und weit über dem Niveau Großbritanniens liegt.

      Und Deutschland? Es gibt keinen Grund, sich als Deutscher beruhigt und stolz auf die Schulter zu klopfen. Innerhalb Europas hat Deutschland neben der Schweiz das teuerste Gesundheitswesen. Trotzdem nimmt Deutschland bei der Lebenserwartung im europaweiten Vergleich einen Platz im hinteren Drittel ein; und das gilt auch für die Gesundheit der Bevölkerung insgesamt.

      Noch sind die Zustände in Deutschland nicht wie in den USA. Dort leben ja auch Millionen Menschen ohne Krankenversicherung und der Opiat-Skandal ist wohl einzigartig. Doch die soziale Dimension der Medizin und die Zusammenhänge von sozialem Status, Bildung und Gesundheit werden in Deutschland zu wenig beachtet. Die größte Gefahr für die Gesundheit geht schließlich von Armut und mangelnder Bildung aus, von Einsamkeit und unsicheren beruflichen Verhältnissen. Um diese wichtigen Aspekte des Wohlergehens kümmert sich die Gesundheitspolitik so gut wie nicht, auch die meisten Ärzte und Kliniken lassen die Menschen damit allein, können es qua Kompetenz auch gar nicht. Hier wären komplett andere Disziplinen gefordert: Sozialarbeiter, Psychologen, Coaches und Ernährungsberater, doch der Geldtopf für die Gesundheit scheint aufgebraucht. Aber ist es allein Geld, das den Unterschied macht …?

      Mehr Geld allein ist nicht die Lösung

      Nein, mehr Geld allein bedeutet nicht automatisch mehr Gesundheit. Die von Forschern der Beratungsfirma Boston Consulting Group anhand von Daten der Weltgesundheitsorganisation und der Weltbank für das Weltwirtschaftsforum zusammengestellte Grafik (siehe Abbildung 7) zeigt die gesundheitsbereinigte Lebenserwartung, also die erwartete Zahl der Jahre, die ein Mensch krankheitsfrei lebt, weltweit für verschiedene Länder auf der y-Achse und die jährlichen Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben auf der x-Achse.

      Im Idealfall würden sich die Punkte der Länder alle im linken oberen Bereich der Grafik befinden, da hier die gesunde Lebenserwartung ohne einen wesentlichen Anstieg der Ausgaben zunimmt (als Ideallinie angedeutet). Viele auf dieser Linie, vor allem Entwicklungsländer (die weißen Kreise), erreichen offensichtlich mit relativ wenig Aufwand einen hohen gesundheitlichen Standard für ihre Bevölkerung. Aber diese Grafik zeigt auch, dass in weiten Teilen der Welt bei den Industrieländern (die schwarzen Kreise im oberen Bereich der Grafik) fast das Gegenteil eingetreten ist: Die gesunde Lebensspanne nimmt in diesen Ländern nicht weiter zu, obwohl bis zu zehnmal mehr Geld pro Einwohner für die Gesundheitsversorgung ausgegeben wird; weltweit jährlich rund acht Billionen Dollar sind es bei den angeblich entwickelten Nationen.

      Abb. 7: Mehr Input bringt nicht mehr Output.9 Verteilung der Gesundheitsausgaben (in US-Dollar) pro Einwohner und der Effekt auf gesunde Lebensjahre (Stand 2015) in verschiedenen Ländern. Der wissenschaftliche Name lautet „Health-adjusted life expectancy“ (HALE) oder „gesundheitsbereinigte Lebenserwartung“ und ist ein umfassenderer Indikator als die Lebenserwartung, weil er über die bloße Lebenszeit hinaus auch Lebensqualität beurteilt. Es ist die Zahl der Jahre in voller Gesundheit, die ein Individuum unter den gegenwärtigen Bedingungen (Erkrankungshäufigkeit und Lebenserwartung) erwarten kann. Die einzelnen Kreise symbolisieren verschiedene Industrie- und Entwicklungsländer (die Position der USA ist markiert). Die Größe der Kreise zeigt die Gesundheitsausgaben in Prozent des Bruttosozialprodukts (Stand 2014).

      Auffällig ist, dass die USA die höchsten Kosten pro Kopf und gemessen am Bruttosozialprodukt haben und dennoch von allen Industrienationen mit die niedrigste gesundheitsbereinigte Lebenserwartung. Amerikaner geben mehr als das Fünffache dessen aus, was zum Beispiel Chilenen ausgeben, obwohl die chilenische Bevölkerung tatsächlich länger lebt als die US-amerikanische.

      Es gibt mehrere Aspekte, die dazu beitragen, dass die USA und Großbritannien (noch) Ausreißer im internationalen Vergleich sind, auch im Vergleich zu anderen reichen Ländern, gegenüber denen die USA dreimal so hohe Gesundheitsausgaben pro Kopf haben. Die Verwaltungskosten im Gesundheitssektor in den USA sind hoch. Auch große soziale Ungleichheiten bei den Gesundheitsausgaben scheinen ein Treiber zu sein. Eine wachsende Anzahl von Ausgaben wird nicht durch Krankenversicherungen abgedeckt, was dazu geführt hat, dass sich die Gesundheitsangebote stark auf die einkommensmäßig obersten fünf Prozent der Patienten konzentriert haben; diese machen fast die Hälfte der Ausgaben aus; die des obersten einen Prozents der Patienten fast 20 Prozent der Ausgaben.

      Auch in Deutschland ist das Gesundheitssystem immer mehr von kommerziellen Interessen und Optimierungen getrieben. Zwar ist

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