Geheilt statt behandelt. Prof. Dr. Harald Prof. Dr. Schmidt

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Geheilt statt behandelt - Prof. Dr. Harald Prof. Dr. Schmidt

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gut sein. Dennoch gibt es falsche Anreize (siehe Kapitel 6) und entgegen allen Beteuerungen der Politik, dass dem nicht so sei, wächst die Bedeutung von Privatversicherten für die Finanzierung des deutschen Gesundheitswesens immer weiter. Da jedoch für Privatversicherte die Behandlungskosten ohne Budgetgrenzen erstattet werden, zahlen sie für viele medizinische Leistungen höhere Honorare. Im Jahr 2017 flossen 36 Milliarden Euro durch Privatpatienten ins System. Wären sie gesetzlich versichert, hätte das System 13 Milliarden Euro, also über ein Drittel davon, verloren. Im ambulanten Bereich ist der Mehrumsatz besonders hoch. Die Arztpraxen würden ohne die private Krankenversicherung jährlich über sechs Milliarden Euro einbüßen. Umgerechnet sind das durchschnittlich mehr als 54.000 Euro pro Jahr, die pro Arztpraxis im Vergleich zu heute fehlen würden. Das entspricht zum Beispiel 1,75 Sprechstundenhilfen, die eine Praxis dann nicht mehr beschäftigen könnte. Viele niedergelassene Ärzte geben unumwunden zu, dass sie ohne Privatpatienten ihre Praxis nicht am Leben halten könnten und schließen müssten. Kein Wunder, dass Privatpatienten bevorzugt werden, ob dies nun öffentlich ausgesprochen oder als politisch inkorrekt verschwiegen wird; es ist Fakt. Und wer würde nicht die beste Kundschaft, die essenziell für das Überleben der Praxis ist, bevorzugt behandeln? Im Krankenhausbereich ist der Anteil des Mehrumsatzes übrigens viel niedriger, was daran liegt daran, dass hier privat und gesetzlich Versicherte nach demselben Vergütungssystem abgerechnet werden, außer eventuell durch eine Unterbringung im Ein- oder Zweibettzimmer oder die Behandlung durch den Chefarzt – übrigens ein zweifelhafter Vorteil.

      Geld allein macht also nicht gesund beziehungsweise zu wenig Geld erklärt nicht den hohen Anteil chronisch Kranker und den auch bei uns drohenden Verlust an gesunden Lebensjahren. Es bleibt festzuhalten, dass die Lebenserwartung der Menschen in den letzten 100 Jahren in vielen Teilen der Welt zugenommen hat, diese Zunahme aber nun stagniert und in einigen Industrieländern sich ins Gegenteil zu verkehren beginnt. Dabei wächst der Anteil der Lebenszeit, in der eine Person am Ende ihres Lebens mit Behinderung und Krankheit lebt, insbesondere bei Frauen. Betreiben wir also weiter Ursachenforschung …

      KAPITEL 4

      CHRONISCH KRANK HEISST SYSTEMVERSAGEN

      Betreiben wir ein bisschen Ursachenforschung, woher die vielen chronischen Krankheiten kommen und warum uns durch sie – neben all den anderen Problemen, Risiken und Beeinträchtigungen, die damit verbunden sind –, wie bereits jetzt in den USA und Großbritannien zu beobachten, auch in Deutschland eine Verkürzung der Lebenserwartung droht.

      80 Prozent der Kosten aller chronischen Erkrankungen werden durch eine relativ überschaubare Gruppe von 15 Symptomen und Beschwerden verursacht:1

      1.Depression

      2.Rückenschmerzen

      3.Arthritis

      4.Übergewicht bis Fettleibigkeit

      5.Diabetes

      6.Erhöhtes Cholesterol

      7.Bluthochdruck

      8.Koronare Herzkrankheit oder Erkrankung der Herzkranzgefäße, Angina Pectoris

      9.Herzinsuffizienz, Herzschwäche

      10.Allergien

      11.Asthma

      12.Sinusitis, Nasennebenhöhlenentzündung

      13.Chronisch verengende Lungenerkrankung (COPD)

      14.Nierenerkrankungen

      15.Krebs

      Sie stellen das „täglich Brot“ eines jeden Hausarztes dar. Wie schon gesagt: Da wir die genauen molekularen Ursachen nicht kennen, das heißt, weil wir nicht wissen, welche Moleküle, Hormone und Signalwege genau fehlreguliert sind, können wir mit Arzneimitteln nur an den Symptomen herumdoktern. Wir hoffen, damit zum Beispiel bei Diabetes, erhöhtem Cholesterol, Bluthochdruck, koronarer Herzkrankheit oder Herzschwäche die lebensbedrohlichen Langzeitkonsequenzen Herzinfarkt und Schlaganfall zu verhindern.

      Wir wissen aber auch, dass diese Erkrankungen nicht ausschließlich genetisch bedingt, also fast schicksalhaft sind. Alle werden durch weitere beeinflussbare oder sogenannte Lebensstilfaktoren beeinflusst oder eventuell erst getriggert. Verschiedene Menschen tragen also unterschiedliche, wahrscheinlich genetisch oder epigenetisch (dazu später mehr) definierte Risiken in sich, deren Ausbruch sie beeinflussen können.

      Es kann natürlich sein, dass Sie so günstige Gene in sich tragen, dass Sie auch beim schlechtesten Lebensstil 100 Jahre alt werden. Und solche Beispiele kennen wir. Helmut Schmidt zum Beispiel rauchte nicht nur Zigaretten, sondern sogar inzwischen verbotene Mentholzigaretten. Er ist mir zumindest nicht als sonderlich sportlich in Erinnerung, wurde aber fast 100 Jahre alt. Sehr alt zu werden ist daher nicht zwingend die Folge einer gesunden Lebensweise. Weder ernähren sich hochbetagte Menschen gesünder noch treiben sie mehr Sport. Auch Nikotin oder Alkohol genießen sie genauso häufig. Dennoch sind solche Lebensgewohnheiten für die meisten von uns keine gute Wahl.

      Das Problem ist im Moment: Wir kennen die „Langlebig-trotzungesundem-Lebensstil-Gene“ leider noch nicht. Es ist wie bei der Wirksamkeit der Arzneimittel. Wir haben im Moment keine Chance, den Menschen herauszufiltern, dem wir sagen können: „Sie können (fast) machen, was Sie wollen, Sie werden auch so 100 Jahre alt.“

      Das Gleiche gilt aber auch umgekehrt. Es gibt auch die Hochrisikomenschen, die man von Jugend an monitoren und coachen und auf deren Lebensstil man streng achten müsste, damit sie eine normale Lebenserwartung genießen können. Ein Hinweis können im Moment ernste Erkrankungen aus der obigen 15er-Gruppe bei Eltern oder Geschwistern sein. Solche Angaben werden auch benutzt, um Risiken für zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen abzuschätzen, aber dies sind, wenn man ehrlich ist, gegenwärtig alles sehr vage und sehr unpräzise individuelle Voraussagen.

      Unbestritten ist jedoch, dass acht Risiken beziehungsweise Formen von Fehlverhalten als wesentliche Auslöser chronischer Erkrankungen gelten.2 Würden alle diese Risiken vermieden, könnten 80 Prozent der Kosten im Gesundheitssystem für chronische Erkrankungen eingespart werden. Von diesen acht sind sieben selbst zu beeinflussende Fehlverhalten (siehe Abbildung 8):

      1.Unzureichender Schlaf

      2.Zu viel Stress beziehungsweise mangelnde Fähigkeit, Stress zu vermeiden oder damit umzugehen

      3.Zu wenig körperliche Fitness

      (Ausdauer, Muskulatur und Beweglichkeit)

      4.Ungesunde Ernährung (zu viel Kalorien, zu wenig pflanzliche Nahrung, zu viel rotes Fleisch, zu viel Zucker)

      5.Übermäßiger Alkoholkonsum

      6.Rauchen

      7.Nichtnutzung medizinischer Angebote und Vorsorgeeinrichtungen

      Lediglich das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein medizinischer Angebote und Vorsorgeeinrichtungen

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