Eugénie oder Die Bürgerzeit. Heinrich Mann

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Eugénie oder Die Bürgerzeit - Heinrich Mann

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halten, statt für alltägliches Leiden seines Leibes. Ihre Gesichter wurden denn auch achtungsvoll.

      Der gedeckte Tisch stand nahe der weit offenen Gartentür. Der Alte sah es mit Besorgnis. Da erblickte er den Kamin, das leichte Holzfeuer, – er machte einen schnelleren Schritt, er hob seinen langen grauen Rock auf und ließ sich von rückwärts die Beine wärmen.

      »Sie kennen den Süden«, sagte die Konsulin und legte hin, was sie in der Hand hielt.

      Sie gab ihm den Platz beim Kamin, eigenhändig wickelte sie ihm sein Plaid um die Knie. Er hatte die Hausfrau rechts, zu seiner Linken die andere Dame. Die drei Herren saßen der Tür zu, der Tisch war rund. Er trug zwei silberne Kandelaber mit Kerzen, der Kamin die beiden chinesischen Lampen aus Porzellan. Es war hell, warm, ins Zimmer duftete der Garten. Alle betrachteten einander erwartungsvoll und mit Wohlwollen.

      Die Mädchen in weißen Häubchen reichten Krebse, Spargel und russische Rebhühner, eine Seltenheit, mitgebracht von einem Kapitän der Firma. Die Gesellschaft sprach aber, sie aß nicht, obwohl die Speisen verschwanden. Es geschah nebenher, sie schienen nicht darauf zu achten. Professor von Heines unterbrach die Reden einzig, um den Wein zu loben. Konsul West hatte beide Weine zugleich anbieten lassen. Der alte Dichter ward warm von seinem Léoville und dem Kaminfeuer, er sagte aber: von Erinnerungen an Griechenland, die er ablese aus den wundervollen Augen der Hausfrau.

      Sogleich war er versetzt in Ölwälder, wo Hirten die Schalmei bliesen, ihm träumte dabei vom Flötenspiel des großen Pan. Er war versetzt unter Bogentore, um die ein wilder Rosenbusch rankte. Zwischen Säulen stieg und fiel der Brunnen, gefaßt von Porphyr. Er rundete den Namen Porphyr, die Namen Kephissia, Lorbeer, Opal. Wenige Worte: drei Palmen, Geklüfte und blaues Meer weiteten durch seinen Mund sich zur Landschaft, dorthinaus starrten alle geblendet, indes sie um diesen Tisch doch nur in das Kerzenlicht blinzelten.

      Gabriele fragte zuerst. Sie fragte nach den Frauen Griechenlands, sie hatte bisher fast nur von den Knaben gehört.

      Noch einmal erweckte er eine Stadt aus Marmor, die Treppe, das Portal. Darunter stand das Mädchen, Abendröte umspielte ihr Haar.

      »Wie war sie gekleidet?« fragte die Konsulin.

      Emmy Nissen begriff, daß sie an ein Maskenkostüm für den Winter dachte. Sie sollten es nicht erfahren.

      »Da sah ich dich zum ersten Male«, sagte statt dessen der Greis – verriet auch, daß er ein Weib von jenes Landes gottähnlichem Geschlechte fast gefreit hätte. Ihn hinderte seine Sprache, sein Lied, bei dem dort drüben niemand aufhorchte. Ja, auch Kampf und Schicksal seines Volkes riefen ihn ab. Hier erhob er sein Glas gegen die beiden Leutnants.

      Der Konsul nickte seiner Frau zu. »Ähnlich schwer ward es uns nicht gemacht«, sagte er.

      So erfuhr der Dichter, daß auch sie eine Fremde sei. Er habe es gewußt, behauptete er. Ihr beglänzter Blick verrate es ihm, ihr leichter Schritt. Er erkenne die Tochter des Südens wie eine Verwandte.

      Emmy Nissen dachte: ›Jeder hat ihm gesagt, woher sie ist.‹ Dennoch staunte auch sie ... Gabriele aber begann zu sprechen.

      »Als Kind lebte ich in Bordeaux. Wir wohnten beim öffentlichen Garten, in einer kurzen Straße mit Bäumen, Cours de Gourgue, Sie kennen sie?«

      »Auch dorthin trugen mich meine Sängerfahrten. Die alten Häuser werden von Bäumen beschattet«, wiederholte der Dichter. Er warf den Kopf, sein Blick sah Erhabenes.

      »Den öffentlichen Garten säumen lange Terrassen mit stolzen Palästen. Ein stärkerer Himmel dunkelt über der Orangerie, den tiefen Alleen.«

      So war es; sie mußte wohl sein Glas, das er hinhielt, mit dem ihren streifen. Sie war beglückt, wenngleich eifersüchtig auf sein Wissen. Seltsam, seine durchdringenden Worte entfernten sie auch von Haus und Mann, die ihr gehörten. War ihre arme Mutter dort unten gestorben, der Vater hatte sie doch aus einer anderen Heimat in diese gebracht, und die war wieder ihr. Sie entgegnete:

      »Am Hafen dort roch es genau wie hier am Hafen.«

      Es hieß: ›Ich habe die Heimat nie verloren. Hier ist sie wieder.‹

      Ihr Gatte sagte: »Natürlich. Dieselben Schiffe fahren hin und her.«

      Da lächelte sie ihn dankbar an.

      Hier kehrte das Gespräch, niemand sah klar warum, aus der Welt in die Nähe zurück. Der Konsul erwähnte Pidohn.

      »Ich weiß, wer er ist«, sagte der Konsul. »Ich kenne seine Existenz, ich kann sogar berechnen, wie lange er sich beiläufig noch hält. Dennoch hatte er mich von seinen sinnlosen Hirngespinsten einen Augenblick lang beinahe überzeugt. Haben Sie dafür eine Erklärung, Herr Professor?«

      »Er ist ein Spekulant, müssen Sie wissen«, bemerkte die Konsulin wichtig. »Ich habe sogar gehört, daß er alles Getreide der Welt kauft, damit das Brot ganz billig wird ... Oder ganz teuer?« fragte sie, unsicher geworden.

      Der Konsul lachte leise, aber so heftig, daß es ihn schüttelte. Ohne Übergang ward er völlig ernst. »Er weiß es selbst nicht. Er sieht nur, daß durch Spekulation jetzt häufiger Vermögen entstehen, als mit gediegener Arbeit. Merkt er nicht auch, daß die Rückschläge schon häufiger werden – und uns näherkommen?« fragte der Konsul sichtlich nur sich selbst. Dann fielen ihm seine Zuhörer wieder ein. »Solchen Leuten fehlt die klare Vorstellung ihrer Grenzen. Auch ihrer Pflichten«, ergänzte er streng.

      Kusine Emmy bestätigte es, nicht weniger streng. »Seine Frau lebt meistens bei ihren uralten Eltern, so sehr leidet sie unter ihm. Die Söhne meiden ihn tunlichst, die Villa gehört der Frau.«

      »Jedenfalls führte der Herr unzulässige Reden«, behauptete Leutnant von Kühn. Sein Kamerad Kessel schloß:

      »Eigentlich hätten wir ihn zur Verantwortung ziehen müssen.«

      »Verantwortung!« rief der Konsul. »Daran liegt es grade. Er ist ihrer unfähig, sonst hätte er sich längst darauf besonnen, daß wir Kaufleute nicht nur da sind, unbegrenzt Geld zu verdienen. Wir sind Teile eines Ganzen, das in noch höherem Maße unsere Sorge sein muß als das eigene Wohl. Um so sicherer gedeihen auch wir.«

      Er sagte dies mit noch helleren Augen, weil es nicht mehr ganz so wie früher die reine Wahrheit war – für andere nicht und bald auch für ihn.

      Er versicherte sich, daß der verehrungswürdige Gast ihm zuhörte. Ein solcher Tischgenosse regte ihn an, seine Grundgedanken zu äußern, zu vertreten, was ihn bisher noch sicher und stolz machte. Ein letzter Nachdruck war seiner Rede noch zu geben.

      »Der große Schlag, den Pidohn vor hat, kann ihn selbst zum Bettler machen. Es ist das Wahrscheinliche und es wäre verdient. Mit ihm gehen Ungezählte zugrunde, gut, ihre Sache. Und wenn er gewinnt? Auch dann. Er aber ist dann reicher, als man sein darf. Zu großer Reichtum ist selten achtbar«, endigte Konsul West.

      Der Dichter nickte um so verständnisvoller, je weniger er alles dies jemals bedacht hatte. Er bekundete aber, was er wirklich wußte:

      »Jener Mensch ist ein Unglücklicher. Noch sehe ich ihn, schattendunkler als natürlich schien, in der Dämmerung den Gartenweg entlang kommen«, sagte er im Ton seiner griechischen Gesichte. Jetzt erhob er Stimme und Blick. »Das war die Miene des Unglücks schon. Das war schon der Morgen von Sedan.«

      Die Offiziere nickten. Das Wort war eindrucksvoll, den Konsul

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