Eugénie oder Die Bürgerzeit. Heinrich Mann
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Читать онлайн книгу Eugénie oder Die Bürgerzeit - Heinrich Mann страница 7
Man mußte lachen über so viel Unbelehrbarkeit, – auch Professor von Heines lachte. Zu ihrem Gatten sagte er, wie vor einer Person, die ihn nicht verstände:
»Hätten sie drüben den Krieg gewonnen, wäre sie jetzt Französin. So ist Ihre Frau. Sich selbst rechnet sie immer dorthin, wo das Glück ist.«
So kannte der Konsul sie, es machte ihm manchmal Bedenken. Um so leichter klang seine Antwort.
»Versuchen Sie mit ihr fertig zu werden, Herr Professor!«
»Wollen Sie es?« fragte Heines. »Verlangen Sie es geradezu? Dann passen Sie auf!«
Viertes Kapitel
»Ich sehe jemanden kommen«, sagte Professor von Heines, er spähte angelegentlich in den dunklen Garten. Man erschrak, wenn man ihm zusah.
»Schon wieder Herrn Pidohn?« fragte die junge Hausfrau.
»Nein, den toten Kaiser Napoleon«, sagte er, – und als sie aufschreien wollte, befahl er:
»Still! Sie selbst sind seine Gemahlin.«
»Ach so, Sie dichten«, bemerkte Gabriele mit Erleichterung.
»Sie treffen ihn nach der Niederlage bei Sedan.«
»Dann war es doch vielleicht unser Pidohn?« schlug der Konsul vor. »Denn das kaiserliche Paar ist sich nach Sedan nicht begegnet.«
Heines war aufgestanden. Er ging zuerst nur durch den Hintergrund des Zimmers. Allmählich drang er bis zur halboffenen Gartentür vor. Er schien die Nachtluft nicht mehr zu fühlen. Übrigens war sie warm und duftete. Der Dichter beschloß:
»Das tragische Paar wäre einzig und allein auf Schloß Wilhelmshöhe zusammenzuführen.«
Er rang es sich ab, selbst schon gespannt durch sein Wagnis.
»Eugénie gelangt bis zu dem Gefangenen nach Deutschland. Wie? Verkleidet? Mit falschen Pässen? Vielmehr, weil ein Mächtigerer sie begünstigt – sie benutzt für seine eigenen Pläne?«
Er hielt an und sann. Dies währte so lange, daß jemand, ohne es selbst zu merken, fragte:
»Wer mag das sein?«
Der Dichter beschloß:
»Es kann nur Kaiser Wilhelm sein.«
Den Namen hörten die beiden Offiziere und rückten sich gerade.
»Oder glauben Sie«, fragte der Dichter sie besonders, »daß Kaiser Wilhelm, was auch vorhergegangen sei, den andern gern stürzen sah? Auch dort hatte ein Thron gestanden.«
Er unterbrach sich. »Herr Leutnant von Kühn, Sie spielen Kaiser Wilhelm.«
»Zu Befehl«, rief Kühn, sprang auf und setzte sich wieder. Die Augen des alten Dichters blitzten, er schien eine Schlacht zu lenken. Man mußte gehorchen.
Die Konsulin sah alle nacheinander an. »Das wird ein Stück! Wir wollen ein Stück spielen!«
Sie klatschte in die Hände. Der Dichter hielt auf ihr seinen leuchtenden Blick an, sie nahm es für Tadel. Er fand aber grade bei ihrem Anblick, was er brauchte.
»Sie ist trotz allem Erlebten nicht bis in ihren Seelengrund ernst. Noch immer könnte die Unglückliche lachen. Sie fühlt sich in ihrem Herzen nach wie vor erhaben über das Unglück. In ihrem ersten Auftritt mit Napoleon behandelt sie nur ihn, nicht aber sich selbst wie das Opfer.«
»Sie hätte sogar gewollt«, bemerkte jemand, »daß er bei Sedan fiel.«
»Jetzt«, rief der Dichter, »weiß sie etwas Besseres. Ihn zurückzuführen nach Paris! Mit Hilfe des bisherigen Feindes die Revolution besiegen! ... Furchtbares, liebe Freunde –« der Dichter kam dem Tisch näher mit Schritten, deren jeder eine große Nachricht brachte, »Furchtbares bereitet sich vor. Eugénie tritt vor Wilhelm.«
»Geben Sie mir den Kaiser heraus!« rief Gabriele und sprang schon auf.
»Die Ehre des deutschen Namens verbietet es mir!« antwortete er begeistert.
»Ich will es. Einst fanden Sie mich liebenswürdig.«
»Sie sind es mehr als je. Hörte ich auf meine Wünsche, ich behielte auch Sie gleich hier.«
»Führen Sie mich doch lieber mit Ihrer Armee nach Paris! Es wird zugleich Ihrem Vergnügen und Ihrer Größe dienen«, behauptete sie sowohl girrend als stolz. Sie umkreiste ihn fieberhaft.
»Bravo«, riefen die Zuschauer. Der Dichter gebot Ruhe.
»Jetzt müssen Sie mir drohen«, raunte er seiner Partnerin zu. »Sie haben einen Begleiter. Er war bei der kaiserlichen Polizei.«
»Sie weigern sich?« rief Gabriele schon. »Sie wagen, mich herauszufordern. Sie halten mich für schutzlos. Aber hier habe ich jemand, auf den ich rechnen kann.«
Sie zog Leutnant von Kessel hervor.
»Er liebt mich heimlich«, versicherte sie mit flammendem Blick, »für mich ist er alles imstande. Wissen Sie, daß er eine Frau, die meinem Gatten gefährlich wurde, kurzweg getötet hat?«
Der arme Kessel war blutrot. ›Verlegenheit‹, dachten die anderen, ›so plötzlich in die Sache hineingezogen zu sein.‹
»Beobachten Sie mich gut«, sagte Professor Heines zu Leutnant von Kühn. »So sollen Sie König Wilhelm spielen.«
Alle aber hatten Augen nur für Gabriele gehabt. Ihr so unerwartet entdecktes Talent stieg ihr selbst zu Kopf.
»Jetzt brauche ich Pidohn«, rief sie. »Für meine große Szene mit Napoleon ... Herr Pidohn!« rief sie durch die hohlen Hände in den Garten hinaus. »Herr Pidohn!«
»Wenn er nun wirklich erschiene?« fragte Kusine Emmy, als dächten beide an eine wahre Teufelsgestalt, grausig, wenn auch nur erfunden.
»Er ist nur unglücklich«, sagte hier der Dichter. »Er leidet furchtbare Schmerzen, hat alles verloren, seine Kraft ist allein die Ergebung in das Unvermeidliche.«
»Davon habe ich nichts bemerkt bei Pidohn«, versicherte der Konsul.
»Ich spreche von Napoleon«, berichtigte der Dichter. »Die Gatten sind allein.«
Jetzt stand er vor seiner Partnerin als Tiefgebeugter, mit Leidenszügen, sichtlich gealtert, seitdem er nicht mehr der siegreiche Wilhelm war.
»Ihre Wandlung!« raunte er ihr zu. »Sie sehen einen Kranken. Dies haben Sie aus ihm gemacht. Es ist Ihre Schuld.«
»Ach! Schuld?« warf Gabriele hin. Er streckte den Finger aus:
»So ist der Ton. Noch zweifeln Sie. Aber endlich wandeln Sie sich.«
»Das langweilt mich«, sagte sie kalt.
»Wie