Die Unerwünschten. Owen Jones

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Die Unerwünschten - Owen Jones

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ich habe nicht abgewartet was passiert. Ich will nicht, dass Paw stirbt, Tante Da, bitte rette ihn.“

      „Ich werde alles tun, was ich kann, mein Kind, aber wenn Buddha ruft gibt es niemanden auf der ganzen Welt, der ‚nein‘ sagen kann. Trotzdem, schauen wir mal, was sich machen lässt. Komm mit.“

      Da ging voraus zum Kultraum, zündete eine Kerze an und schloss die Tür hinter ihnen. Sie hoffte, dass Din Interesse für die ‚alten Gebräuche‘ zeigte, solange sie noch jung genug war, sie ihr beizubringen. Sie wusste, dass sie eines Tages eine Nachfolgerin brauchte, wenn der Job in der Lee-Familie bleiben sollte.

      Sie deutete auf die Matte für Hilfesuchende auf dem Boden, Din setzte sich, dann wanderte Da durch die Hütte, murmelte Gebete und Beschwörungen und zündete noch mehr Kerzen an, bevor sie Din gegenüber Platz nahm, die ihre Hände auf dem Schoß mit den Handflächen nach oben anstarrte.

      Da sah ihre Nichte an, fühlte wie ein leichtes Zittern ihren Körper durchlief, starrte sekundenlang auf die eigenen Handflächen und blickte wieder zu Din auf.

      „Du bist gekommen, um für eine andere Person Rat einzuholen? Bitte stelle deine Frage“, sagte Dan, aber mit einer tiefen, grollenden Stimme, die außerhalb ihrer Hütte noch nie jemand vernommen hatte.

      Die Verwandlung erschreckte Din. So war es jedes Mal, wenn ihre Tante in Trance versank und einem anderen Wesen erlaubte, von ihrem Körper Besitz zu ergreifen. Es war nicht so sehr die Verwandlung ihres Gesichtsausdrucks, obwohl das beängstigend genug war. Es war vielmehr die subtile Veränderung ihres ganzen Körpers, ähnlich wie ein Schauspieler oder Darsteller seine Haltung verändert, um sich der zu verkörpernden Persönlichkeit anzupassen. Es war jedoch noch mehr als das. Es war, als ob Das Inneres durch ein anderes Wesen ersetzt worden war, wodurch sie nicht nur anders aussah, sondern auch anders klang.

      Din sah die alte Schamanin an, die nicht länger ihre Tante war.

      „Schamanin, mein Vater ist sehr krank. Ich muss wissen, was mit ihm los ist und was wir tun können.“

      „Ja, dein Vater, der auch ‚Paw‘ genannt wird.“

      Die Tante klang jetzt wie ein Mann, der seine Hand auf die Bündel legte, die Heng gestern dagelassen hatte und die Augen der Tante schloss. Es entstand eine lange Pause, jedenfalls schien es Din so, und die Stille war so tief, dass sie hören konnte, wie Ameisen auf dem harten Lehmboden herumkrabbelten.

      Din hatte bereits an einem Dutzend solcher Sitzungen teilgenommen, obwohl bei keiner ein so ernster Grund vorgelegen hatte. Einmal hatte sie bei einem Magenproblem und vor einigen Jahren wegen ihrer Regel um Rat gebeten und neulich hatte sie wissen wollen, ob sie bald heiraten würde. Sie hatte keine Angst vor der Sitzung selbst, sondern vor dem Ergebnis. Sie wusste aber auch, dass sie nur dasitzen, warten und beobachten konnte, denn sie fand den Vorgang zugleich faszinierend.

      Die Schamanin wickelte langsam das erste Päckchen mit dem Stein aus, untersuchte es sorgfältig, roch daran und legte es in das Bananenblatt zurück, dann nahm sie das Blatt mit dem Moos und roch ebenfalls daran, bevor sie es vor sich auf die Matte legte.

      Die Schamanin sah Din feierlich an und nach ein paar Minuten ergriff sie das Wort.

      „Der, um den du dich sorgst, ist sehr krank. Eigentlich war er dem Tod schon sehr nahe, als er diese Proben ablieferte, aber noch ist er nicht gestorben … Einige seiner inneren Organe, insbesondere die zur Reinigung des Blutes, sind in sehr schlechtem Zustand … Das, was man die Nieren nennt, haben ihre Funktion eingestellt und ein Leberversagen ist nur noch eine Frage der Zeit. Das bedeutet, dass der Tod kurz bevorsteht. Es gibt dafür kein Heilmittel.“

      Die Schamanin erschauerte aufs Neue und ihre Gestalt verwandelte sich wieder in die alte Tante Da, die jetzt ein paarmal blinzelte, sich die Augen rieb und herumrutschte, als ob sie wieder ein altes enges Kleid überstreifte.

      „Das waren keine guten Neuigkeiten, mein Kind, oder? Weißt du, wenn ich besessen bin, kann ich nicht immer alles hören, aber ich habe einiges davon mitbekommen und sehe dir an, dass es um deinen Vater schlimm steht.“

      „Der Geist sagte, dass Paw sicher bald sterben wird, weil es kein Heilmittel für Nieren- und Leberversagen gibt …“

      „Es tut mir leid, Din, du weißt, dass ich deinen Vater sehr gern habe … Jetzt hör mir mal zu, ich habe mir über die Jahre außer der Besessenheit selber ein paar Tricks angeeignet. Sehen wir mal … ja, der Stein … siehst du, wo dein Vater draufgespuckt hat? Keine Flecken! Das bedeutet, in seinem Speichel sind weder Salz noch Mineralien, keine Vitamine, einfach nichts, nur Wasser. Jetzt zu dem Moos.“ Sie hielt es von sich weg, schnüffelte und brachte es näher an ihre Nase. „Dasselbe! Riech mal!“ Sie streckte es Din entgegen, aber Din widerstrebte es, am Urin ihres Vaters zu riechen. „Nun mach schon, es beißt nicht!“, sagte Da. Din tat, was ihr gesagt wurde.

      „Nichts, nur ein moosiger Geruch.“

      „Genau! Männerurin riecht wie Katzenpisse, wenn man ihn verpackt aufbewahrt, aber der von deinem Vater nicht. Das bedeutet, dass er keine Substanz enthält, die ihn schlecht werden lässt. Das heißt weiterhin, dass der Urin deines Vaters auch nur Wasser ist.

      Man kann nicht lange leben, wenn das Blut aus Wasser besteht. Das leuchtet doch ein? Das Blut ist für alle wertvollen Inhaltsstoffe im Körper verantwortlich, aber dein Vater hat keines und deswegen ist er auch die ganze Zeit so schwach! Lauf jetzt nach Hause, sieh nach, ob es schon zu spät ist und wenn er immer noch am Leben ist, komm zurück und hole mich mit deinem Roller. Los, beeil dich!“

      Din stürzte nach Hause davon.

      Während Din nach ihrem Vater sah, machte sich Da zum Aufbruch fertig, denn in ihrem Inneren wusste sie, dass Heng noch nicht tot war, nicht ganz zumindest. Sie wählte einige Kräuter aus und legte sie in eine Tasche, spritzte sich Wasser ins Gesicht und band sich für die bevorstehende Rollerfahrt die Haare mit einem Kopftuch zusammen gegen die Zugluft. Dann ging sie nach draußen, um auf ihre Nichte zu warten.

      Einige Minuten später kam Din in einer Staubwolke zurück.

      „Beeil dich, Tante, Mama sagt, er liegt im Sterben, komm schnell.“

      Da setzte sich im Damensitz auf den Roller, wie es sich gehörte, sie rasten los und Da versuchte, Dins langen Haaren auszuweichen, die ihr schmerzhaft in das runzlige alte Gesicht peitschten. Sobald sie angekommen waren, sprang Da herunter, denn sie war gelenkig für ihr Alter und wurde ins Haus geführt.

      „Danke, dass du so schnell gekommen bist, Tante Da, er ist oben im Schlafzimmer.“

      „Ja, das dachte ich mir schon, dass er im Bett liegt und nicht bei seinen geliebten Ziegen ist!“

      Sie hob das Moskitonetz und setzte sich neben Hengs Kopf auf den Holzboden. Zuerst betrachtete sie seine Haut, dann seine Augen und Lippen, schließlich öffnete sie seine Augen und spähte hinein.

      „Hm, aha … zeig mir seine Füße!“ Wan deckte eilig die Füße ihres Mannes auf, Da lehnte sich darüber, um sie zu drücken und genauer anzusehen.

      „Hm, ich habe noch nie so einen schweren Fall von Substanzmangel im Blut gesehen wie bei ihm. Erlaubst du mir, deinen Kindern zu sagen, was sie ab jetzt tun sollen? Gut, ich komme bald wieder, bette inzwischen den Kopf deines Mannes mit ein paar Kissen etwa höher, ich schicke Din herein, damit sie dir hilft und Den soll mir draußen helfen.“

      „Ja, Tante, natürlich. Alles, was du willst, um meinem lieben Heng zu helfen.“

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