Syltmond. Sibylle Narberhaus

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Syltmond - Sibylle Narberhaus страница 6

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Syltmond - Sibylle Narberhaus

Скачать книгу

die alte Kriegsverletzung?«, erkundigte sich Britta mit einem Augenzwinkern.

      »Sehr witzig. Nein, das spüre ich.«

      »Soso, das ist ja höchst interessant, mein Wettergott«, erwiderte Britta belustigt und hakte sich bei ihm unter.

      »Mach dich nur lustig über mich. Laut meiner WetterApp zieht ein Niederschlagsgebiet direkt auf uns zu. Hier, überzeuge dich selbst, wenn du mir nicht glaubst!« Er zog den Handschuh aus und wischte über das Display seines Smartphones, bevor er es demonstrativ in die Runde hielt.

      »Na, lassen wir uns überraschen. Wo bleiben eigentlich Uwe und Tina? Sie wollten sich mit uns treffen, aber ich kann sie nirgends entdecken.« Suchend sah ich mich auf dem überfüllten Platz nach unseren Freunden um.

      »Sie werden sicher jeden Augenblick kommen. Sieh dir die Autoschlange an, die sich den schmalen Weg entlang wälzt. Höchstwahrscheinlich stecken sie mittendrin«, vermutete Nick, als sein Handy klingelte.

      »Wenn man vom Teufel spricht«, murmelte er mit Blick auf das Display und hielt sich das Gerät ans Ohr. Während er zuhörte, zog er die Augenbrauen zusammen, sodass sich zwei senkrechte Falten in seine Stirn gruben. »Ich bin unterwegs, bis gleich!« Mit diesen Worten war das Gespräch beendet.

      »Sag schon, was ist los!«, erkundigte sich Jan, dessen Augen neugierig aufblitzten.

      »Das war Uwe. Offenbar gibt es ein Problem auf dem Feuerplatz.«

      »Ein Problem?«, wiederholte ich und versuchte, in Nicks Gesicht zu lesen.

      »Lass mich raten: Die Jungs von der Feuerwehr haben dem Glühwein bereits im Vorfeld den Garaus gemacht und es gibt keinen Nachschub. Richtig?«, scherzte Jan.

      »Nein, leider nicht«, entgegnete Nick, dem offensichtlich alles andere als zum Scherzen zumute war. »Die Feuerwehr hat einen anonymen Hinweis erhalten«, fuhr er stattdessen mit ernster Miene fort.

      »Ein anonymer Hinweis? Nun rück raus mit der Sprache und spann uns nicht länger auf die Folter!« Britta sah ihn erwartungsvoll an.

      »Uwe hat vage Andeutungen gemacht, dass mit dem aufgeschichteten Haufen etwas nicht stimmt. Genaueres weiß ich wirklich nicht, aber ich treffe mich gleich mit ihm vor Ort.«

      »Wir kommen mit«, entschied Britta kurzerhand.

      »Nein.« Nick schüttelte vehement den Kopf. »Ich gehe allein. Wenn wir wissen, was los ist, und grünes Licht geben, kommt ihr mit dem Fackelzug hinterher. Wir treffen uns bei den Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr am Glühweinstand.« Er gab mir einen Kuss, übergab mir Christopher und bahnte sich den Weg durch die dicht gedrängte Menschenmenge.

      »Pass auf dich auf!«, rief ich ihm nach, was jedoch vom allgemeinen Stimmengewirr verschluckt wurde.

      »Was stimmt mit dem Feuerhaufen nicht?«, überlegte Britta laut vor sich hin.

      »Das weiß ich nicht, aber Nicks Gesichtsausdruck nach zu urteilen, wird es sich nicht um eine Lappalie handeln.«

      »Das klärt sich bestimmt. Ich hoffe nur, dass sich das Ganze nicht allzu sehr verzögert, mir ist nämlich verdammt kalt.« Britta rieb trotz Handschuhen demonstrativ die Hände gegeneinander und trat von einem Fuß auf den anderen. »Wo ist Jan geblieben? Er war eben noch hier.«

      »Er hat einen Bekannten entdeckt.« Ich deutete nach rechts, wo sich Jan ein paar Meter von uns entfernt angeregt mit einem Mann in einer abgewetzten Wachsjacke unterhielt.

      »Ach, das ist Kai! Kai Paulsen, der Weltenbummler. Den habe ich ewig nicht gesehen«, zeigte sich Britta beim Anblick des Gesprächspartners ihres Mannes hocherfreut.

      »Weltenbummler?«

      Britta grinste. »Ich nenne ihn so, weil er beinahe überall auf der Welt gewesen ist. Ein echter Weltenbummler eben. Erst vor Kurzem ist er zurück nach Sylt gekommen. Kai ist ein alter Schulfreund von Jan und hat mehrere Jahre im Ausland gearbeitet, unter anderem in den USA, Südamerika und Indien. Er ist Softwareentwickler oder etwas in der Art. Ganz genau habe ich es nicht verstanden. Jedenfalls war er neulich bei uns und hat eine Menge Geschichten erzählt. Er führt mit Sicherheit ein aufregendes Leben, aber für mich wäre das nichts. Außerdem bin ich mit meinem Leben äußerst zufrieden, auch ohne um den gesamten Erdball getingelt zu sein. Wir leben auf Sylt, was will man mehr! Oder was meinst du? Anna?«

      »Was?«

      »Hörst du mir eigentlich zu?«

      »Entschuldige, Britta, ich war gerade mit meinen Gedanken woanders. Was sagtest du?«

      »Vergiss es!«

      »Nun sei nicht eingeschnappt.«

      »Bin ich nicht. War nicht so wichtig«, wiegelte sie ab. Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als wolle sie eine Strähne aus ihrem Sichtfeld streichen, dabei legte sie leicht den Kopf in den Nacken. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie beleidigt war.

      »Eben ist ein Rettungswagen zum Feuerplatz gefahren«, begründete ich meine vorübergehende Ablenkung. »Vielleicht ist etwas passiert?«

      »Das will ich nicht hoffen!«

      Mittlerweile war es nach 18 Uhr, und alle Anwesenden warteten voller Ungeduld darauf, dass sich der Fackelzug endlich in Bewegung setzte. Obendrein wurde mir trotz warmer Kleidung zusehends kälter und Christopher langweilig. Er machte seinen Unmut deutlich, indem er zu nörgeln begann und ständig an meiner Jacke zupfte. Von Nick hatte ich seit seinem Weggang nichts gehört. Nahezu unbemerkt hatte sich die Dunkelheit über die Insel gelegt.

      »Ich hoffe, es geht bald los, bevor ich vollkommen steif gefroren bin«, sagte ich an Britta gewandt, deren Gesicht beinahe vollständig von ihrer dicken Fellkapuze verschluckt wurde. Lediglich ihre blauen Augen blitzten munter hervor.

      »Dein Flehen wurde erhört. Da drüben werden die ersten Fackeln entzündet. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass es losgeht«, bemerkte sie und zauberte ein Feuerzeug aus ihrer Jackentasche hervor. »So, dann wollen wir mal. Gib mir deine Fackel!«

      Die Flamme griff gierig nach der mit einer brennbaren Flüssigkeit getränkten Fackel, die umgehend mit hellem Lichtschein zu brennen begann. In kürzester Zeit befanden wir uns inmitten eines Lichtermeeres aus orange-gelben, unruhig zappelnden Feuerpunkten. Seit Tagen wurden auf der Insel in den meisten Geschäften Fackeln verkauft, oder man erhielt sie als kostenlose Zugabe beim Einkaufen. Im Vergleich zum vergangenen Jahr, in dem bis zum letzten Moment nicht feststand, ob die Biiken aufgrund des stürmischen Windes überhaupt stattfinden konnten, herrschte heute fast Windstille. Nun gab der Anführer des Musikzuges das Signal zum Aufbruch. Ein Trommelwirbel erklang, und gleich darauf setzte sich der lange Fackelzug, bestehend aus Einheimischen und Gästen, in Richtung des Feuerplatzes am Morsumkliff mit Trommeln und Trompeten in Bewegung. Der Marsch, begleitet von der Musik und den vielen Lichtern, bescherte mir regelmäßig eine Gänsehaut. Seitdem ich meinen Lebensmittelpunkt nach Sylt verlegt hatte, verstand ich erst die Leidenschaft für das Ereignis, mit dem die Menschen in Nordfriesland diesem Brauchtum begegneten, und wollte es selbst nicht mehr missen. Diese tief verwurzelte Tradition, um die sich zahlreiche Geschichten ranken, symbolisiert nicht nur das Ende des eisigen Winters, der mithilfe der Feuer vertrieben werden soll, sondern steht für die nordfriesische Heimatliebe und das ehrliche Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Einheimischen. Im Jahre 2014 erhielt dieser Brauch sogar einen Platz im nationalen Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der

Скачать книгу