Verrat verjährt nicht. Peter Gerdes
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Читать онлайн книгу Verrat verjährt nicht - Peter Gerdes страница 12
Der Glatzkopf verzog missmutig Mund und Schnauzbart. »Die Uni ist nicht gerade meine Welt«, maulte er. »Außerdem haben wir bisher etwas Wichtiges vergessen. Nämlich das Wasser.«
»Nicht vergessen.« Stahnke schüttelte den Kopf. »Nur hintangestellt. Mir ist klar, dass der Täter auch auf dem Wasserweg zum Jachtanleger gekommen sein kann. Mitsamt seinem Opfer, über das wir dringend mehr wissen müssen. Eins nach dem anderen, Schritt für Schritt. Aber bitte, wir können die Schrittfolge auch ändern.«
»Ich bin für paralleles Vorgehen«, sagte Hauptkommissar Seifert. »Der Schleusenwärter weiß, welche Schiffe und Boote gestern bei ihm durchgekommen sind, das wird aufgezeichnet. Mit etwas Glück hat er darüber hinaus vielleicht beobachtet, was sich sonst noch im Huntebecken vor dem Schleusentor getan hat. Ich möchte ihn gerne befragen, solange die Erinnerungen frisch sind.«
»Alles klar, von mir aus«, stimmte Stahnke zu. »Und wer übernimmt die Uni samt Wohnheim?«
»Das mache ich.« Venema hob eifrig die Hand. »Ich kenne mich da ein bisschen aus, bin früher öfter dort gewesen.«
»Klar, früher, als die Uni-Feten noch wilder waren.« Seifert erhob sich. »Melde mich, wenn ich etwas habe«, sagte er und verließ den Raum, Sibylle Wiemken in seinem Kielwasser.
Thorsten Venema blieb noch sitzen, Stahnke gegenüber, an der entfernten Schmalseite des Tisches. Der Hauptkommissar hob den Blick: »Ja, Kollege, was gibt es noch?« Er hatte das diffuse Gefühl, sich entschuldigen zu müssen, wusste aber nicht, wofür.
»Ich wollte noch …« Venema schluckte. »Ich wollte noch gratulieren. Erster Hauptkommissar, das ist schon etwas. Wirklich verdient nach all den Jahren. Was man so gehört hat, die vielen erfolgreichen Ermittlungen …« Der Oberkommissar schien auf eine Erwiderung zu warten, aber Stahnke ließ ihn zappeln. Endlich stieß Venema hervor: »War das der Grund für Ihre Rückkehr? Der Karrieresprung nach all den Jahren?«
Stahnke fixierte ihn mit seinen wasserblauen Augen, und es schien ewig zu dauern, ehe er antwortete: »Bleiben wir doch bei der Anrede Hauptkommissar, wie gestern schon gesagt, in Ordnung? Ansonsten bin ich wieder hier, das ist alles, was ich dazu sage. Höchstens noch, dass Ihre Fragetechnik lausig ist. Daran werden wir arbeiten. Aber vor allem haben wir einen Fall zu lösen.«
Leise ächzend erhob er sich aus seinem Stuhl. Als er sich anschickte, den Raum zu verlassen, war Thorsten Venema schon draußen auf dem Gang.
6.
Heute
Dienstbeginn anderthalb Stunden später, das hatte sie sich ausbedungen nach ihrer außerplanmäßigen Sonderschicht gestern Abend. Wenigstens schön ausschlafen! Von wegen. Ihre innere Uhr hatte sie zur üblichen Zeit aus dem Reich der unruhigen Träume geholt. Dort war sie übrigens von einem Froschmann bedrängt worden und hatte vergebens nach einem scharfen Messer gesucht. Solch eine innere Uhr hatte also auch ihr Gutes.
Jetzt stand sind in ihrem Garten, die bloßen Füße im taunassen Gras und einen dampfenden Kaffeebecher in der Hand, und blinzelte in die Morgensonne. Schön war das, so ganz allein und in Ruhe. Klar, ein Frühstück in fröhlicher Runde war auch etwas Schönes, das kannte sie aber nur aus Skiurlauben in Norwegen. Sie war ziemlich sicher, dass sie so etwas jeden Tag gar nicht ertragen würde. Und selbst wenn, der Preis dafür hieß Familie oder Wohngemeinschaft und war bei Weitem zu hoch. Jedenfalls ließ sie keine Gelegenheit aus, sich das einzureden.
Bei den Kiffernachbarn war noch kein Lebenszeichen wahrzunehmen. Lagen wohl noch im Betäubungsschlaf. Oder sie schoben ein morgendliches Nümmerchen. Olivia schüttelte sich bei dem Gedanken an die schmuddelige männerähnliche Hälfte des Pärchens. Oh bitte, so nötig konnte sie es gar nicht haben! Außerdem waren genügend akzeptable Exemplare auf dem Markt. Und frei verfügbar, vor allem, wenn man es nicht auf langfristige Vertragsbindung anlegte. Mit ihrem Marktwert konnte sie sehr zufrieden sein. Mit ihrer Rolle als Jägerin auch.
Auf die Dauer war das feuchte Gras doch etwas kühl an den Füßen; sie spürte Gänsehaut an den Armen, und dass sie unter ihrem T-Shirt nichts anhatte, konnte jetzt auch jeder sehen. Olivia scherte sie nicht darum. Sie wurde den Gedanken an diesen Froschmann nicht los.
»Moin! Und prost Kaffee!«, tönte es jenseits der sauber gestutzten Hecke. Albert Schulte stand dort, winkend und grinsend. Dieser alte Molch, dachte Olivia, wie lange steht der wohl schon da?
»Hast du eine Minute?«, fragte Schulte. »Möchte dir etwas zeigen.« Er wies mit dem Daumen auf die Terrassentür hinter sich: »Frischen Kaffee hab’ ich auch.«
»Na klar, ich komm’ rüber.« Sie nahm den Umweg über den Hauswirtschaftsraum, schlüpfte in ihre lila Crocs und warf sich eine Joggingjacke über. Beim Kontrollblick in den Flurspiegel musste sie lachen und zog den Reißverschluss zu. Alte Kerle waren auch Kerle. Aber diesen da mochte sie, und wenn sie sich nicht täuschte, mochte er sie auch.
Die seitliche Terrassentür führte direkt in Schultes Küche. Er empfing sie mit einem aufgeschlagenen Exemplar ihrer eigenen Zeitung. »Kenn’ ich«, sagte sie. »Den Kram da habe ich selbst geschrieben.«
»Aber weißt du auch, wer das ist? Nee. Das steht hier jedenfalls. Aber ich.«
»Sag bloß.« Olivia setzte sich und hielt ihm ihren Becher hin. »Mir wurde neuer Kaffee versprochen. Unter anderem. Wollen doch mal sehen, ob du auch lieferst, Herr Nachbar.«
Schulte goss schwungvoll ein. »Heino Zander, so heißt der Tote. Hat früher hier an der Uni studiert, daher kenne ich ihn. Ziemlich lange sogar.«
Olivia nahm Milch und reichlich Würfelzucker, musste sich vorbeugen und schlürfen, weil ihr Becher fast überlief. »Kanntest du ihn lange? Oder hat dieser Zander besonders lange studiert?«
»Beides«, erwiderte Schulte. »Paar Semester extra, das war damals noch kein Problem, wenn man es sich leisten konnte von der Lebenshaltung her. Danach hat er noch seinen Doktor gemacht. Das heißt, er hat so ein Studium drangehängt, wie heißt das noch … aber ob er den Titel auch bekommen hat, weiß ich nicht.«
»Provokationsstudium«, sagte Olivia ungerührt.
»Sag bloß.« Schulte machte große Augen. »Oder willst du mich nur promovieren?«
»Du Spinner!« Sie warf einen Zuckerwürfel nach ihm, dem er geschickt auswich. »Komm mir nicht so! Nicht am frühen Morgen.«
Schulte bückte sich, hob den Zuckerwürfel auf, besah ihn sich von allen Seiten, pustete ein Stäubchen ab und legte ihn auf die Tischplatte. »Nur nichts umkommen lassen«, kommentierte er und zwinkerte Olivia zu: »Weißt ja, Kriegsgeneration Scheuersack.«
»Was hattest du eigentlich an der Uni verloren, dass du das mit Zander so genau weißt?«, fragte sie. »Hast du etwa heimlich studiert? Muss ich Doktor Schulte sagen?«
»Hör mir auf mit Zeitverschwendung! Ich war immer Spediteur. Lastwagen fahren und daran herumklütern, das war meine Sache. Und nebenbei Motorräder.« Schulte deutete mit dem Daumen in Richtung Garage. »Ein paar Jahre bin ich für einen Bierverlag gefahren, Getränke ausliefern an Gaststätten und so, innerhalb Oldenburgs und umzu. In der Zeit habe ich immer wieder die Universität angefahren. Die Carl-von-Ossietzky-Universität, genauer gesagt; damals kochte gerade