Wörterbuch alttestamentlicher Motive. Группа авторов

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Einschränkungen hebt sich Mose ab, dessen Auge noch mit 120 Jahren ungetrübt ist (Dtn 34,7).

      Das AT beschreibt auch die Auswirkungen von Blindheit im Verhalten. Menschen tappen umher, wie in Dunkelheit, trotz hellen Tageslichts (Dtn 28,29). Sie stoßen an Mauern an (Jes 59,10), gehen unsicher, schwankend in den Gassen (Klgl 4,14), stolpern über Türschwellen und sind in Gefahr zu fallen (Tob 11,10f.). Gerade die Geschichte Tobits schildert am eindrücklichsten, wie Erblindung (Tob 2,10) zu Misstrauen (Tob 2,11–14) und Lebensüberdruss führen kann (seine Bitte zu sterben: Tob 3,1–6; → Todessehnsucht) – was zu einem großen Teil verständlich ist, da dieses Leiden „vom normalen Leben weitgehend ausschloss“ (HOFRICHTER 1991, 304).

      Andere Folgen von Blindheit zeigen sich in Bezug auf den Kult als Zurücksetzung (WÄCHTER 1986, 1191). Ein Blinder kann nicht Priester werden (Lev 21,18), ebenso wenig wie ein Lahmer (diese beiden Gebrechen finden sich am häufigsten gemeinsam genannt: SCHORCH 2008) oder Menschen mit anderen Makeln (Lev 21,18–20). Gleiches gilt für Opfertiere; es ist nicht erlaubt, Gott behinderte und damit minderwertige Tiere darzubringen (Lev 22,22; Dtn 15,21), was aber offensichtlich dennoch versucht wird (Mal 1,8).

      Die auch sonst im AT zu beobachtende Sorge um die Schwachen lässt sich ebenso bezüglich der Blinden erkennen. Lev 19,14 verbietet, einem Blinden ein Hindernis in den Weg zu legen, und verbindet diese Haltung mit Gottesfurcht – die Beziehung zu Gott hängt direkt zusammen mit dem Verhalten gegenüber Behinderten. In Dtn 27,18 stimmt das ganze Volk der Verfluchung eines Menschen zu, der einem Blinden den falschen Weg weist. Im Kontrast zu solcher verständnisvoller Einfühlung steht die von David ausgesagte Einstellung, Lahme und Blinde seien von ihm gehasst und haben keinen Zutritt in sein (?) Haus (2 Sam 5,8); möglicherweise ist diese Ablehnung jedoch Reaktion auf den überheblichen Spott der Jebusiter kurz zuvor in V. 6 (anders BRUNET 1979, 72, der darin eine Art magischer oder religiöser Verteidigung sieht) oder aber als Geringschätzung von Wehrlosen (HOFRICHTER 1991, 304) zu begreifen.

      Noch weiter gehen Versuche, das schwere Geschick von Blinden zu erleichtern. So sagt Hiob von sich: „Augen bin ich geworden dem Blinden, und Füße dem Lahmen bin ich“ (Hiob 29,15). Darin deutet sich konkrete Hilfe an, die den Mangel der Behinderten durch eigenen Einsatz auszugleichen sucht. So will auch Gott handeln: „Ich werde Blinde auf einem Weg führen, den sie nicht kennen (…); ich mache das Dunkel vor ihnen zum Licht“ (Jes 42,16). In Jer 31,8 verspricht er gar, dass auch Blinde und Lahme bei der Rückwanderung aus dem Exil (dem „Nordland“) in die Heimat dabei sein dürfen. Wer nicht sieht, ist angewiesen auf die Unterstützung anderer, die seinem Mangel abhelfen. Am weitesten geht dies bei Heilung (s. 5).

      3 Gottes Gericht

      Schon Gen 19 ließ erkennen, dass Blindheit von Gott verhängte Strafe sein kann (s. 1). Dieser Aspekt wird in anderen Texten auch bezüglich Israels und anderer Völker entfaltet. Für den Fall, dass Israel nicht auf Gott hört, kündigt Mose in Dtn 28,28 neben vielem anderen an, Gott werde es mit „Wahnsinn, Blindheit und Verwirrung des Herzens“ schlagen. Sach 12,4 nimmt später alle diese drei Ausdrücke auf und wendet sie auf Israels Feinde an, während Gott über dem Haus Juda seine Augen öffnet. Das Richten des eigenen Volkes wandelt sich so zum Gericht an den Gegnern. Offener ist dagegen noch die Vorstellung in Zef 1,17, die mit dem → Tag JHWHs (ab V. 14) Gottes Bedrängen aller Menschen verbindet, dessen Folgen mit dem Gehen von Blinden vergleicht und mit vorausgehenden Sünden begründet. In ähnlicher Weise erstellt Klgl 4,13f. einen Zusammenhang mit vorausliegender eigener Schuld und bezeugt so selbstkritisch, dass Gott im Richten seines Volkes gerecht ist.

      Ohne dass ausdrücklich Gottes Beteiligung erwähnt wird, verknüpft Spr 30,17 fehlendes Ehren der Eltern mit dem Verlust des Augenlichts: „Ein Auge, das den Vater verspottet und Gehorsam gegenüber der Mutter verachtet – der Rabe am Bach pickt es aus, und die Jungen des Geiers fressen es“, wobei hier aber auch der Tod des Betreffenden im Blick sein kann, nach dem diese Aasvögel sich auf dessen Leichnam stürzen. Unbeschadet dessen gilt, dass mangelnde Ehrfurcht vor den Eltern viel mit Blindheit zu tun hat.

      Eine andere Form eines Konfliktes spiegelt Num 16,14. Dort lassen Datan und Abiram ihren Unmut Mose ausrichten, indem sie ihn auf das nicht eingelöste Versprechen hinweisen, sie in ein von Milch und Honig fließendes Land zu bringen, und der in Worten gipfelt: „Hast du die Augen dieser Männer ausgestochen? – Wir ziehen nicht hinauf!“ Im Vorwurf klingt an, sie mutwillig getäuscht zu haben und für blind zu halten. Gott beantwortet diese Unterstellung seinem Gesandten und Plan gegenüber mit dem Untergang der Ankläger.

      Ein besonderer Text ist Jesaja 6. Dort erhält der Prophet den Auftrag: „Mach fett das Herz dieses Volkes, und seine Ohren schwer, und seine Augen verklebe, dass es nicht sieht mit seinen Augen (…) und umkehrt und Heilung ihm wird!“ (Jes 6,10). In Weiterführung von Ex 4 (s. 2) verhängt Gott Behinderung für die Gemeinschaft, die mit Herz, Ohren und Augen die wichtigsten Organe der Wahrnehmung umfasst und Antwort auf deren zuvor vielfach geschilderten sündhaften Zustand ist (Jes 1–5). Dies bleibt aber nicht Gottes letztes Wort, sondern ist Auftakt zu einer intensiven Beschäftigung mit dieser Thematik im weiteren Buch.

      4 Das Motiv der Blindheit im Jesajabuch

      Keine andere Schrift des AT beschäftigt sich so intensiv mit Sehbehinderung wie Jesaja. Wie schon Jes 6 mit der Fortführung „(…) und umkehrt“ zeigte, handelt es sich nicht so sehr um eine körperliche Einschränkung, sondern um ein geistliches Unvermögen, oft dazu im Kontrast mit dennoch vorhandenen Organen und Befähigungen. So fordert Jes 43,8 „Bring heraus das blinde Volk, das doch Augen hat, und die Tauben, trotzdem ihnen Ohren sind!“ als Ermutigung an Israel (BERGES 2008, 280f.) In der folgenden Auseinandersetzung mit den Nationen (Jes 43,9) benennt und bestellt Gott dann die Gemeinschaft als „meine Zeugen“ und „mein Diener“ (Jes 43,10). – Dieser Kontrast zwischen vorhandenen „Augen“ und fehlender Fähigkeit, sie zu gebrauchen, prägt auch die polemischen Beschreibungen von Götterstatuen (s. Jes 44,18; Ps 115,5; 135,16).

      Zuvor schon sah Jes 42,19 in der Blindheit geradezu die charakteristische Eigenschaft des Dieners JHWHs und betonte sie mit dreifacher Wiederholung: „Wer ist blind, wenn nicht mein Diener, und taub wie mein Bote, den ich sende? Wer ist blind wie Meschullam („der als Ersatz Gegebene“, oder „dem vergolten worden ist“), und blind wie der Diener JHWHs?“ Die Spannung zwischen göttlichem Auftrag und fehlendem Erkenntnisvermögen prägt somit grundlegend die Gestalt des Dieners.

      Im Gegensatz zu der nicht selbst gesuchten Blindheit steht jene, die Folge eigener Bequemlichkeit ist. In dieser Weise klagt Jes 56,10 Verantwortliche der Gemeinschaft an: „Seine Späher/Wächter sind blind, sie alle erkennen nicht. Sie alle sind stumme Hunde, können nicht bellen. Schauend liegen sie, liebend zu ruhen.“ Hier vergehen sich Leiter des Volkes und sind selbst schuld daran, dass sie nicht sehen – mit gravierenden Folgen für die ihnen Anvertrauten (Jes 56,11ff.).

      Das Jesajabuch spricht aber nicht nur mehr als andere Bücher des AT von Blindheit, sondern es kennt auch die Aufhebung dieser Behinderung. Sie soll im nächsten Punkt zur Sprache kommen.

      5 Lösung und Heilung von Blindheit

      Im selben Kapitel, in dem Blindsein geradezu als Wesenszug des Dieners JHWHs beschrieben wird (s.o. Jes 42,19), findet sich auch die Aufgabe des Dieners, nämlich „die Augen von Blinden zu öffnen“ (Jes 42,7). Selbst behindert im Sehen, erhält er von Gott den Auftrag, andere von solcher Einschränkung zu befreien. In paradoxer Weise kann der, der selbst solches Leiden durchgemacht hat, ähnlich Betroffenen helfen, und das universal, wie die Sendung „zum Licht der Nationen“ im vorausgehenden V. 6 andeutet.

      Solches zu tun wurzelt freilich

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