Wörterbuch alttestamentlicher Motive. Группа авторов

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Das Blut schreit zu Gott

      Wie in allen Kulturen und zu allen Zeiten ist Mord auch im AT das größte Verbrechen. Mord kann nur mit dem Tod des Mörders gesühnt werden, weil schließlich der Mensch Ebenbild Gottes ist (Gen 9,5f.). Im AT wird schon in der Genesis konstatiert, dass die Fähigkeit zum Mord zum Menschsein gehört wie sein Geschaffensein durch Gott. Gleich der erste geborene Mensch tötet seinen Bruder (Gen 4,8). Mörder werden „Blutmänner“ genannt (2 Sam 16,8; Ps 26,9 u. ö.).

      Gewaltsam vergossenes Blut schreit zu Gott um Gerechtigkeit (Gen 4,10). Bei Blutschuld wird auch die Erde verunreinigt: „Schändet das Land nicht, darin ihr wohnt; denn wer des Blutes schuldig ist, der schändet das Land, und das Land kann nicht entsühnt werden vom Blut, das darin vergossen wird, außer durch das Blut dessen, der es vergossen hat“ (Num 35,33; s. auch Dtn 19,10–13). Religionsgeschichtlich handelt es sich wahrscheinlich um Reste chthonischer Vorstellungen. Die Redewendung, dass das (vergossene) „Blut über jemandes Haupt ist“ (z.B. Jos 2,19; 2 Sam 1,16; 1 Kön 2,33; Ez 18,13 und Mt 27,25) fügt denselben Gedanken in soziale Bezüge ein.

      8 Blutrache

      Um dem Blut eines Mordopfers Gerechtigkeit zu verschaffen, gibt es die Einrichtung der Blutrache, die – anders als der heutige deutschsprachige Gebrauch des Begriffs – weder etwas mit Aggression noch mit Mordlust zu tun hat. Es handelt sich vielmehr um ein streng geregeltes Verfahren, an dem der jeweilige Bluträcher teilnehmen muss, ob er will oder nicht (Num 35,9–15.16–34; Dtn 19,1–13; Jos 20). Hierbei geht es nicht so sehr um das Einstehen für Verwandte (man ist ja nicht über das Blut verwandt, s.o.), sondern vor allem darum, die Verunreinigung der Erde durch das wiederum gewaltsam vergossene Blut des Mörders zu sühnen. In den Erzähltexten des AT kommt Blutrache als Handlungsmotiv nicht vor, wohl aber als Argument der weisen Frau von Tekoa, die David zu überzeugen versucht, dass Absalom begnadigt werden muss (2 Sam 14,1–24). Insbesondere aber rächt Gott das Unrecht, das die Völker über seinen Auftrag hinaus an Israel taten, mit dem Blut dieser Völker (z.B. Jes 47,3; Jer 50,15.28; 51,6.11.36).

      9 Literatur

      FEIX, Josef (Hrsg.) (62001): Herodot, Historien Griechisch–Deutsch, Düsseldorf.

      GIRARD, René (1994): Das Heilige und die Gewalt, Frankfurt a.M.

      HAAS, Volkert (1993): Ein hurritischer Blutritus und die Deponierung der Ritualrückstände nach hethitischen Quellen, in: B. Janowski, K. Koch, G. Wilhelm (Hrsg.): Religionsgeschichtliche Beziehungen zwischen Kleinasien, Nordsyrien und dem Alten Testament. Internationales Symposium Hamburg 17.–21. März 1990, Fribourg/Göttingen, 67–85.

      HORNUNG, Erik (1982): Der ägyptische Mythos von der Himmelskuh. Eine Ätiologie des Unvollkommenen, Fribourg/Göttingen.

      JANOWSKI, Bernd; WILHELM, Gernot (1993): Der Bock, der die Sünden hinausträgt. Zur Religionsgeschichte des Azazel-Ritus Lev 16,10.21f, in: B. Janowski, K. Koch, G. Wilhelm (Hrsg.): a.a.O., 109–169.

      KOCH, Klaus (1962): Der Spruch „Sein Blut bleibe auf seinem Haupt…“, in: Vetus Testamentum 12, 396–416.

      KUNZ-LÜBCKE, Andreas (2007): Interkulturell lesen! Die Geschichte von Jiftach und seiner Tochter in Jdc 11,30 in textsemantischer Perspektive, in: L. Morenz, S. Schorch (Hrsg.): Was ist ein Text? – Ägyptologische, altorientalistische und alttestamentliche Perspektiven, Berlin–New York, 258–283.

      MAUSS, Marcel (1923/24): Die Gabe. Die Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften, Frankfurt a.M., nachgedruckt u.a. 2009.

      MICHEL, Andreas (2003): Gott und Gewalt gegen Kinder im Alten Testament, Tübingen.

      SCHOTT, Siegfried (1938): Das blutrünstige Keltergerät, in: Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde 74, 88–93.

      SCHWARTZ, Joshua (1993): Treading the Grapes of Wrath. The Wine Press in Ancient Jewish and Christian Tradition, in: Theologische Zeitschrift 49, 215–228.311–324.

      WRIGHT, David P. (1987): The Disposal of Impurity. Elimination Rites in the Bible and in Hittite and Mesopotamian Literature, Atlanta.

       Ulrike Sals

       Bote → Engel

      Bruder

      Geschwisterverhältnisse gehören zu den grundlegenden Konstellationen menschlichen Daseins und sind in biblischen und altorientalischen Quellen (z.B. aus der hethitischen Großreichszeit; Annalen Muršiliš II. 1345–1315 v. Chr.) zahlreich belegt. Zwar bezeichnet Bruder vorwiegend, wie im zeitgenössischen Sprachgebrauch, ein ursprünglich biologisches Verhältnis zwischen zwei Individuen, doch kann es auch zur Bezeichnung von weiterer Verwandtschaft oder von kultureller oder historischer Nähe gebraucht werden.

      1 Bedeutungsspektrum

      „Bruder“ bezeichnet zunächst ein biologisches Verwandtschaftsverhältnis zu Geschwistern, Stiefoder Halbgeschwistern (1 Sam 16,13; 17,17.28; 2 Sam 13,4; vgl. Gen 42,13.32: „Brüder, Söhne eines Mannes/unseres Vaters“ und Dtn 13,7: „dein Bruder, der Sohn deiner Mutter“). Dieses Verhältnis kann nicht immer eindeutig geschieden werden von Bruderschaft als Verwandtschaft im weiteren Sinne, wie in der Formulierung Gen 37,27 „unsere Brüder, unser Fleisch“. Terminologisch sind folgende Begriffe belegt, die sich auf Bruderschaft beziehen: „Bruder des Vaters“ (Lev 18,14), „Onkel“ (Lev 10,4; 20,20 u. zweimal in 25,49; Num 36,11; 1 Sam 10,14–16; 14,50; 2 Kön 24,17; Jer 32,7–9,12; Am 6,10; 1 Chr 27,32; Est 2,7.15), „Schwester des Vaters“ (Lev 18,12; 20,19; Ex 6,20), „Frau des Bruders des Vaters“ (Lev 18,14; 20,20), „Bruder der Mutter“ (Gen 28,2; 29,10), „Schwester der Mutter“ (Lev 18,13; 20,19), „Frau des Bruders“ (Lev 18,16) und in Gen 12,5 „Sohn des Bruders“ (vgl. JENNI 1971). Die männliche Bezeichnung „Bruder“ dominiert auffällig, lediglich in Problemsituationen wird die Schwester speziell in den Blick genommen, z.B. in Gen 34 Dina als einzige Schwester der „Söhne Israels“.

      Nicht im biologischen Sinne begründete Verwandtschaftsbeziehungen zu einem Bruder umfassen die Beziehung zwischen Freunden wie David und Jonatan in 2 Sam 1,26 (→ Freundschaft), zwischen Verbündeten, zwischen Kollegen, Mitgliedern eines Gemeinwesens (2 Sam 3,8; Jer 9,3; Ps 35,14; ähnlich wie „Nächster“ in Sach 14,13; Ri 7,21–22), zwischen Bündnispartnern wie Hiram und Salomo in 1 Kön 9,13 oder zu Gesinnungsgenossen: Simeon und Levi als (echte) Brüder mit Waffen, mit denen sie physische Gewalt ausüben (Gen 49,5), Leviten als Brüder (Num 8,26) oder Leviten als Brüder der Priester (2 Chr 29,34).

      „Bruder“ kann als metonymische Bezeichnung zwischen individueller Erzählmotivik und historischer Repräsentanz gebraucht werden. Genealogische Systeme bilden Relationen zu bekannten Kulturen in Verwandtschaftssystemen ab, innerhalb derer das Bruderverhältnis eine Gleichzeitigkeit bzw. die Verhältnisbestimmung grundsätzlich vergleichbarer Kulturen zueinander bezeichnen kann; vgl. die geographisch aus der Perspektive Palästinas gebotene Aufteilung der bekannten Bevölkerung in der Völkertafel (Gen 10) in Noahs Söhne, den drei Brüdern: Sem im Nord- und Südosten, Mesopotamien, Syrien, die arabische Halbinsel; Ham, die süd-südwestliche Mittelmeerküste; Jafet nördlich-nordwestlich, d.h. Kleinasien, Ägäis, Zypern.

      Innerhalb der israelitischen Geschichtsüberlieferung können Brudererzählungen narrativ kulturelle bzw. geschichtliche Verbindungen darstellen. Die

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