Wörterbuch alttestamentlicher Motive. Группа авторов

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„Dann werden geöffnet die Augen von Blinden, und die Ohren von Tauben werden aufgetan“. Dies allein ist schon wunderbar, doch einige Kapitel zuvor wurde in Jes 29,18 sogar verheißen: „Hören werden an jenem Tag Taube die Worte einer Schriftrolle, und aus Dunkel und aus Finsternis werden die Augen von Blinden sehen.“ Die doppelt erwähnte Dunkelheit erhöht die Schwierigkeit des Sehens; doch für Gott ist es ein Leichtes, auch dieses Hindernis zusätzlich zu überwinden. Wie eine Vollendung dieser Verheißungen wirkt Jes 42,16: „Ich führe Blinde auf einem Weg, den sie nicht kennen, (…) ich mache Dunkelheit vor ihnen zum Licht.“ Gott löst hier noch ein weiteres gravierendes Problem für Sehbehinderte, nämlich damit nicht vertraut zu sein, wo sie gehen können. Insgesamt ist Jes 42 die Stelle in der Bibel, in der das Motiv von Blindheit und ihrer Lösung bzw. Heilung am häufigsten vorkommt, nämlich in den Versen 7, 16, 18 (dort die Aufforderung: „schaut [genau], um zu sehen“) und 19, insgesamt sechs Mal. Im Schlusshallel des Psalters erfährt das heilende Handeln Gottes hymnische Würdigung. „JHWH ist öffnend Blinde“ heißt es in verkürzter Redeweise in Ps 146,8, inmitten einer Reihe anderer lobender Aussagen über göttliches Helfen und Retten, besonders von schwachen Menschen. Die erzählerisch eindrucksvollste Realisierung dafür liegt im Buch Tobit vor. Tobit, die Hauptfigur des Buches, wird trotz guten eigenen Handelns blind und leidet darunter (Tob 2–3, s. 2). Der Engel Rafael, mit dem Symbolnamen „Gott heilt“, begleitet seinen Sohn Tobias auf dessen Reise und weist ihn auf Fischgalle als Medizin bei Augenkrankheiten hin (Tob 6,6–10). Bei der Heimkehr, kurz vor dem Wiedersehen mit seinem Vater, belehrt Rafael Tobias in der Anwendung und gibt ihm Zuversicht (Tob 11,7–8); dieser führt die Anweisung dann bei seinem Vater aus, worauf Tobit geheilt wird und wieder sieht (Tob 11,11–13). Im Hintergrund dieses Geschehens lässt sich auch eine „Heilung von theologischer Blindheit“ wahrnehmen, insofern Tobit die Begrenztheit einer eng gefassten Vergeltungslehre erfährt (KIEL 2011, 281f).

      Eine Fortführung erhält dieses heilende Wirken Gottes im NT. Mehrere Evangelientexte schildern, wie Jesus Blinde heilt: einen bei Betsaida (Mk 8,22–26), Bartimäus bei Jericho (Mk 10,46–52), einen anderen Blinden an einem Sabbat in Jerusalem (Joh 9) u.a. (SCHRAGE 1969, 288–291). Die beiden letzten Erzählungen verbinden damit weiterreichende Prozesse der Nachfolge und des Glaubens. Der die Jünger verfolgende Saulus wird anlässlich einer Erscheinung Jesu selbst drei Tage blind, dann aber von Hananias geheilt und verkündet daraufhin seine eben erlangte neue Sichtweise (Apg 9,1–22; vgl. oben die Spannung mit dem Diener JHWHs in Jes 42). – Heilung von äußeren und inneren Blindheiten hängen oft zusammen.

      6 Verblendung im Urteilen

      Eine besondere Gefährdung, nicht zu sehen, liegt bei Entscheidungsträgern vor. Ihr Reden und Handeln betrifft viele, und dementsprechend spielen verschiedene Interessen mit hinein (s. auch oben Num 16, bei 3). Explizit warnen zwei Stellen vor der Annahme von Geschenken zur Bestechung bei Gerichtsprozessen. „Bestechungsgeschenk sollst du nicht nehmen, denn es macht Sehende blind und verkehrt die (Rechts-) Fälle von Gerechten!“, heißt es im „Bundesbuch“ in Ex 23,8. Die parallele Anweisung in Dtn 16,19 verschärft die Folgen noch mit der Aussage: „(…), denn das Bestechungsgeschenk macht blind die Augen von Weisen.“ Bis heute sind solche Einflussnahmen und Korruptionsanfälligkeit Quelle von bewusst intendierter „Blindheit“ bzw. von Nicht-sehen-Wollen – und damit von richterlichen Fehlurteilen und massivem Unrecht. Eine andere Form von Verblendung, mit ebenso gefährlichen Auswirkungen, lässt sich bei hohen Verantwortlichen als arrogante Selbstüberhebung oder krasse Fehleinschätzung beobachten. Aus vielen Fällen seien folgende drei Beispiele genannt: König Rehabeam, in völliger Verkennung der Lage und Stimmung beim Volk, folgt dem Rat der Jungen nach hartem Vorgehen und bewirkt so die Spaltung des Reiches (1 Kön 12,1–19). Das Buch Judit zeichnet Nebukadnezzar als machtbesessenen, blutrünstigen, von sich eingenommenen Herrscher (u.a. Jdt 2,5–13), der für sich göttliche Verehrung beansprucht (Jdt 3,8). Der betrunkene König Belschazzar lässt zu seinem Festmahl die Kultgeräte aus dem Jerusalemer Tempel herbeibringen und seine Gäste daraus trinken (Dan 5,1–4). Diese letztgenannten Stellen reden nicht explizit von Blindheit, stellen aber eine verbreitete Form davon dar. Sie ist nicht auf Könige beschränkt, im Gegenteil – kein Mensch ist vor solcher Täuschung sicher. Zudem legen es manche Menschen darauf an, andere mit Lug, Trug, Tricks oder Schmeichelei im übertragenen Sinn „blind“ zu machen und so in die Irre zu führen: siehe dazu die List der Bewohner von Gibeon in Jos 9, Abimelechs Eigenwerbung in Ri 9,2, die Antwort der Daniten an Michas Priester in Ri 18,19, Huschais Rat an Absalom in 2 Sam 17,5–14, als einige unter viele weiteren Fällen. Wie Licht und Dunkel, so durchziehen Sehen und Blindheit in unzähligen Formen menschliches Leben.

      7 Zusammenschau

      Sehen ist eine der wichtigsten Weisen der Wahrnehmung. Dementsprechend gehört Blindsein zu den ganz schweren Einschränkungen menschlichen Lebens. Beides, Sehen und Blindheit, ist im AT überwiegend mit Gott verbunden, in einer Fülle von Aspekten: als Rettung, als Gericht, als Auftrag usw. – doch mit einer deutlichen Tendenz, diese Behinderung zu heilen (s. 5). Das Schwergewicht der Texte liegt im Jesajabuch, bei dem dieses Motiv einen großen Bogen von der Berufung des Propheten (Jes 6) bis zum Wirken des Dieners JHWHs (bes. in Jes 42f.) bildet und mehrfach eine Lösung des Blindseins in Aussicht stellt. Die in diesen Textstellen vorhandene Sichtweise, Blindheit im übertragenen Sinne zu verstehen, leitet auch an, Formen von Verblendung im alltäglichen Leben von „Sehenden“ zu erkennen und zu bedenken (s. auch 6).

      8 Literatur

      BERGES, Ulrich (2008): Jesaja (40–48). Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament, Freiburg i.Br./Basel/Wien.

      BRUNET, Gilbert (1979): Les aveugles et boiteux jébusites, in: Vetus Testamentum Supplements 30, 65–72.

      GERLEMANN, Gillis (1976f.): Bemerkungen zur Terminologie der „Blindheit“ im Alten Testament, in: Svensk Exegetisk Årsbok 41/42, 77–80.

      HOFRICHTER, Peter (1991): Blind (AT), in: Neues Bibel-Lexikon I, 304f.

      KIEL, Micah D. (2011): Tobit’s Theological Blindness, in: Catholic Biblical Quaterly 73/2, 281–298.

      SCHORCH, Stefan (2008): Behinderung (AT), in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet: www.wibilex.de (Zugriffsdatum 31.08.2012).

      SCHRAGE, Wolfgang (1969): tyflós, in: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament VIII, 270–294.

      STOEBE, Hans-Joachim. (1962): Blendung, in: Biblischhistorisches Handwörterbuch I, 256f.

      V. SODEN, Wolfram (1986): ʿiwwer, I., in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament V, 1190f.

      WÄCHTER, Ludwig (1986): ʿiwwer, in: Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament V, 1190–1193.

       Georg Fischer SJ

       Blöße → Inzest

      Blut

      Blut hat jeder Mensch in jeder Gegend der Welt und zu allen Zeiten. Es gibt wohl kaum etwas Grundlegenderes. Doch sind die Vorstellungen in Bezug auf das Blut von Kultur zu Kultur unterschiedlich, was sich an den Regeln, Sitten und Konnotationen, die in den einzelnen Kulturen gebräuchlich sind, zeigt.

      1 Verwandtschaft

      Im AT ist Blut nicht das, was Verwandte verbindet. Stattdessen ist von „Gebein und Fleisch“ die Rede (Gen 29,14; Ri 9,2; 2 Sam 19,13f.), nicht aber von gemeinsamem Blut. So

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