Wörterbuch alttestamentlicher Motive. Группа авторов

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den beiden Nationen Israel und Edom in pränataler Zeit (Gen 25,22–23), bei der Geburt (Gen 25,24–25) sowie in der Kindheit (Gen 25,27) antizipiert. Das Bruderverhältnis spiegelt mit erzählerischen Mitteln in einigen Zügen das Verhältnis zwischen den metonymisch bezeichneten Nationen wider – vermutlich bezeichnet Esaus Alter das kulturgeschichtliche Alter Edoms im Verhältnis zu Israel. Der Verkauf des Erstgeburtsrechts (Gen 25,29–34), der → Betrug des Bruders um den väterlichen Segen (Gen 27,1–40) und der dadurch entstandene Hass (Gen 27,41–46) führen zur Flucht des Bruders Jakob zu Laban, dem Bruder der Mutter. Die Rückkehr nach vielen Jahren ist erst nach Jakobs Aussöhnung mit Esau möglich, die er durch Geschenke erreicht (Gen 32,1–21; 33,1–15). Sie führt zur territorialen Trennung: Esau siedelt in Seïr und Jakob in Sichem in Kanaan (Gen 33,14.15–17.18). Das Bruderverhältnis kann auch die Unterschiede kultureller Lebensformen widerspiegeln, z.B. ist der eine Bruder Jäger und der andere Feldbauer (Gen 25,27). Am 1,9 erwähnt den „Bruderbund“ zwischen nationalen Größen; genannt werden Tyrus und Israel, was vermutlich auf ein Bündnis zwischen Edom und Israel anspielt.

      Die Josefsgeschichte (Gen 37; 39–50) beschreibt das Verhältnis der zwölf Jakobssöhne untereinander als Diasporaerzählung. Die Erzählung des Verkaufs des Lieblingssohnes Josef an eine midianitische Karawane und nach Ägypten dient innerhalb der Erzählung als Ätiologie, um beispielhaft eine typische Aufstiegserzählung eines Judäers an einem fremden Hof und die Überlegenheit judäischer Kultur (Diasporanovelle) zu beschreiben und mit Hilfe der Josefsgestalt eine judäische Diasporaexistenz in Ägypten zu erklären. Durch das Bruderverhältnis hebt die Erzählung insbesondere Jakobs Liebe zu den Rachelsöhnen Josef und Benjamin hervor sowie Josefs Überlegenheit gegenüber seinen Brüdern. Die Erzählung entfaltet verschiedene Aspekte der Bruderschaft: Den Hass zwischen Brüdern, der sich gegen Josef richtet, die Intention, Josef zu töten, den Verkauf des Bruders, die spätere Hilfe des Bruders in Ägypten für seine hungernden Verwandten in Israel (Gen 42–44) sowie die Versöhnung unter Brüdern nach einem Konflikt (Gen 45; 46–48; 50,15–21).

      Individuelle und kollektive Bruderverhältnisse setzt die Fehde zwischen den Männern Davids und den Männern Israels in 2 Sam 2,12–17 voraus. Der israelitische Militärführer Abner bezeichnet die Verfolgung von Israeliten und Judäern als Streit zwischen Brüdern (2 Sam 2,26), der in der Konsequenz zur Ausrottung des Volkes führen kann (2 Sam 2,28). Eingefügt in den Kontext des Krieges zwischen Israel und Juda schildert eine Nahkampfszene den Tod des Judäers Asael durch Provo kation im Kampf (2 Sam 2,18–23), sowie in dessen Folge, wie Asaels Tod seine Brüder Joab und Abischai zur Blutrache provoziert (2 Sam 2,24), sodass der Konflikt von Brüdern auf der kollektiven Ebene (Israel, Juda) und zugleich im Rahmen einer Individualhandlung dargestellt wird.

      Der prophetische Kommentar in 1 Kön 12,21–24 aus nachexilischer Zeit gipfelt in einer vom Propheten Schemaja verkündeten JHWH-Rede, in der der Prophet einen potentiellen von Juda provozierten militärischen Konflikt mit Israel moralisch verwirft und ihn als Streit zwischen Brüdern ausweist.

      2 Kontexte der Bruder-Motivik

      Die Problematik der Nachfolgeregelung angesichts konkurrierender Thronfolgeansprüche zwischen den Brüdern eines Monarchen diskutiert die Thronfolgeerzählung an den Brüdern Absalom (2 Sam 13–19), Salomo (2 Sam 11–12; 1 Kön 1–2) sowie des nach Absalom geborenen Adonia (1 Kön 1,5–11.41–53).

      Regeln innerhalb eines Volkszusammenhanges können als Bruderethik dargestellt werden. Die ethischen Aufrufe zu brüderlicher Solidarität (Gen 13,8; Ps 133,1) und zum Beistand in der Zeit der Not (Spr 17,17; vgl. Spr 18,19; 19,7) sind auf dem Hintergrund der Störungen dieses Zusammenhanges zu sehen, etwa durch Krieg zwischen Israel und Juda als Brüdern, durch den Tod von Brüdern, verursacht durch Geldgier, Gewalt (2 Sam 3,8), Egoismus, Ungerechtigkeit und anderem Fehlverhalten. Wer Streit unter Brüdern anfacht, wird kritisiert (Spr 6,19). Nehemia kritisiert im Rahmen einer Verschuldung die Zinsnahme unter Brüdern im Volk und beruft aus diesem Grund eine Volksversammlung ein, die die Schuldnerverhältnisse klären bzw. aufheben soll (Neh 5,7). Das Verbot der Zinsnahme unter Brüdern spricht Dtn 23,20–21 aus.

      In Jer 9,4–6 werden Betrügerei sowie Falschaussage als Fehlverhalten gegenüber dem Nächsten (nicht ausdrücklich des Bruders) gerügt.

      In einer Aufzählung von Vergehen, die für das Individuum relevant sind, wird in Ez 18, 10–14 problematisches Verhalten in der Volksgemeinschaft kritisiert, wie die Ausübung physischer Gewalt, Blutvergießen, d.h. vorsätzliche Tötung, (kultische) Mahlzeiten auf den Höhen, die Verunreinigung der Frau des Nachbarn (nicht Bruders), Bedrückung des Armen und Bedürftigen, Menschendiebstahl, Verweigerung der Pfandrückgabe, Verehrung von Götterbildern, Verübung von Gräueln und Zinsnahme.

      Im Schuldaufweis einer Gerichtsansage wird im Rückblick in Sach 7,9–10 JHWHs Aufruf an die Volksgenossen formuliert, „(in) Gerechtigkeit (und) Wahrheit zu richten“ sowie, dass „ein Mann seinem Bruder Erbarmenstaten erweise; die Witwe und die fremde Waise und den Armen nicht zu bedrängen, und dass nicht ein Mann in seinem Herzen gegen seinen Bruder Böses plane.“ Die Aussagen weisen auf die problematische übliche Praxis zwischen Volksgenossen („Brüdern“) hin und begründen das göttliche Strafgericht mit der Weigerung des Volkes, zu hören, mit seiner Abweisung sowie dem Nichthören „dieser Worte der Weisung/Tora, sowie die Worte, die JHWH durch die früheren Propheten geredet hatte.“ Erzählkontexte heben positiv die Fürsorge, die Abraham für den Sohn seines Bruders Lot zeigt (Gen 18,23ff.), bzw. Judas Liebe für Benjamin (Gen 44,18–34), hervor.

      Die Sprüche Salomos grenzen Freund und Bruder voneinander ab: „Ein Freund liebt immer, aber ein Bruder ist geboren für die Not“ (Spr 17,17), „Es gibt einen Freund, der mehr zu einem steht als ein Bruder“ (Spr 18,24) und „Lieber einen Bewohner in der Nähe als einen Bruder fernab“ (Spr 27,10).

      Rechtstexte regeln Fratrizid (Brudermord), Verbot von Geschlechtsverkehr zwischen Bruder und Schwester (Lev 18,9,11; 20,17; Dtn 27,22) sowie das Erbrecht. In Gen 4,1–9 wird das Bruderverhältnis zwischen beiden Protagonisten implizit durch die Angabe der gemeinsamen Mutter, Eva, betont (Gen 4,1) sowie explizit durch die gehäufte Bezeichnung „Bruder“ (Gen 4,2.8.9.10.11, dabei jeweils zweimal in 8 u. 9). Im Bruderzwist zwischen Kain und Abel erschlägt Kain Abel ohne Zeugen auf dem freien Feld. Als JHWH ihn nach Abel fragt, gesteht Kain die Tat zunächst nicht und lehnt es ab, für den Schutz seines Bruders als „Hüter“ zuständig zu sein. JHWH konstatiert als rechtliches Ergebnis der Tötung des Bruders die entstandene Blutschuld Kains („das Blut deines Bruders schreit zu mir von der Erde her“) und verflucht folgerichtig Kain zum Dasein als Flüchtling auf der Erde. Kain fürchtet, dass er schutzlos Gewaltverbrechen ausgeliefert sei, da er durch das Totschlagen seines Bruders keinen Angehörigen mehr habe, der ihn rächen könnte. Doch JHWH schützt ihn vor Bluttaten, indem er ihn zeichnet.

      Die Josefsgeschichte greift das Motiv des Fratrizids auf: Die Brüder wissen, dass der Vater Fratrizid vermuten könnte und erklären daher mit dem blutgetränkten Mantel als Beweismittel Josefs Tod als Unfall (Gen 37,31–35); vgl. besonders den Charakter des Ruben, der den Brüdern Einhalt gebietet beim Versuch, Josef zu töten (Gen 37,22–24; 29–30; 42,37–38; sowie mögliche Racheversuche Josefs 50,15–21).

      Der fiktive Fall der Frau von Tekoa in 2 Sam 14,4–11 thematisiert das Problem der Blutrache innerhalb eines Sippenverbandes im extremen Fall der Tötung des Bruders. Wie in Gen 4 handelt es sich auch hier um eine Tötung „auf dem Feld“, d.h. ohne Zeugen. Die entstandene Blutschuld nach dem Tod des einen der beiden Brüder provoziert die → Rache des Bluträchers. Die Schwere des Falls wird dadurch unterstrichen, dass der verstorbene Vater der beiden Söhne durch die Rache beider Familienverbände gänzlich ohne Nachkommen bliebe (2 Sam 14,5–7). David untersagt die (weitere) Blutrache innerhalb der Sippe im fiktiven Fall (2 Sam 14,11), wird nun aber von der weisen Frau darauf hingewiesen, dass er

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