Schmäh. Edwin Baumgartner

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Schmäh - Edwin Baumgartner

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      - Da graue min Bözgraugn – wos kost n dea?

      - Regulea ochtfünf, owa fia Sie ocht, waun ma scho in gleichn Haus wohna.

      - Des is ma aa zvüü. Fünfe?

      - Na, do vadien I nix mea. Sie wissen eh: Außer Ihnan kriagt bei mia sunst kana an Rabatt. Owa fünfe kaun i wiaklech net mochn. Woatns, I hoe eana den Mauntl, dass amoe einaschlupfn kenna. So, no brobians amoe. Und jetzt schaun S in d n Spiagel. Sea fesch, sog i …!

      - Eh. Und drogt si guat. Owa ocht is ma zvü.

      - Da Graugn is a Oat Neaz! Haaßt Kolinski und kummt aus Russlaund.

      - Schmähohne, von de Russn?

      - Schmähohne. Griaß Sie, Frau Steputat.

      - Grüß Sie, Frau Schuller. Ham Sie noch die Pelzjacke, die ich gestan probiat hab?

      - An Momend, Frau Steputat, I bin glei bei eana. No, wos manan S, Frau Sladek?

      - I waaß net. Fesch is a scho.

      - Und ea steht Ihnan. I sogat’s net, wauns net woa warad. Grod, oes wa r a fia Sie gmocht.

      - Ich bin ein bisserl in Eile, Frau Schuller …

      - Glei, Frau Steputat. Dea foed guat. No, ka Wunda bei eanara Figua!

      - Dank ihnan. Ea gfollad ma wiaklech guad.

      - Schaun S eana de Vaoaweidung au. Sengen S, wia fein die Nähte san?

      - Und dea is wiaklech aus Russlaund?

      - Nua da Kragn. Da Rest is aus da eiganen Schneidarei.

      - Drum …

      - Ich hab noch ein paar Wege zu machen, könnten Sie mich vielleicht dazwischenschieben?

      - An Momend, Frau Steputat, glei bin i bei eana!

      - Die Jacke …

      - An Momend, Frau Steputat.

      - Fesch is a, sea sogoa. No jo … Wissen S wos? Lossen’s n herinn, i geh gschwind eikaufn und üwaleg dabei, ob i ma des leistn kau. Wiedaschaun, Frau Schuller.

      - Wiederschaun, Frau Sladek. Gstopft wia r a Gansl, da Mau von ia, owa haundln wüü S. So, jetzt hol i de Jackn fia Sie, Frau Steputat.

      - Aber neun is wirklich viel. Sieben, sonst kommen wir nicht ins Geschäft.

      - So, da hamma de Jackn. Schlupfen S eine, Frau Steputat. Fesch san S, sea fesch! Achtfünf fia Sie, waun ma scho in söbn Haus wohnan. Außer Ihnan kriagt sunst kana an Rabatt bei mia.

      - Schmähohne?

      - Schmähohne.

      WOHER DER SCHMÄH KOMMT

      Das muss ich Ihnen jetzt erzählen:

      Gerade hab’ ich Ihnen erklärt, dass man nicht genau definieren kann, was der Schmäh ist und dass sich seine Bedeutung, je nach Verwendung des Wortes, im Dreieck zwischen treffendem Ausspruch, launigem G’schichterl und Lüge bewegen kann und alle seine Erscheinungsformen höchstens in dem Punkt einer eigenwilligen Auffassung von Wahrheit auf einen etwas unsauberen kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen sind. Und jetzt soll ich im darauffolgenden Kapitel erklären, dass ich nicht weiß, woher das Wort kommt. Gar nicht darauf einzugehen, wäre indessen auch unseriös, oder?

      Karten auf den Tisch, es ist wirklich so: Woher das Wort Schmäh kommt, weiß niemand. Es ist wie bei der Frage, was der Schmäh seinem Wesen nach ist: Vermutungen äußern viele, nur belegen kann sie keiner.

      Fangen wir (wie sonst?) mit dem Wehle an. In seinem Buch „Sprechen Sie Wienerisch“ leitet er das Wort aus dem Jiddischen „schmaien“ ab, was seinerseits vom hebräischen „sch’ma“ abstammt, das an prominentester, nämlich erster Stelle im jüdischen Glaubensbekenntnis steht: „Höre, Israel, JHWH ist unser Gott, JHWH ist einer“ (5. Mose 6,4). Demgemäß heißt das jüdische Glaubensbekenntnis nach seinen ersten beiden Wörtern „Sch’ma Israel“. Wolfgang Teuschl gibt in seinem „Wiener Dialekt Lexikon“ dem Wehle recht, nicht expressis verbis zwar, aber auch er leitet den Schmäh von „schemá = Gehörtes“ ab.

      Aber der Schmäh besitzt weder sonderliche religiöse Bindungen noch hat er mit Zuhören zu tun. Schmähführen ist vor allem Erzählen, sich unterhalten. Erzählen und Zuhören sind miteinander verbunden, aber das Eine ist nicht das Andere. Und zuhören kann man auch einer Musik oder dem Rauschen der Wellen oder dem Spiel des Herbstwindes in welkenden Blättern. Es bedarf beim Zuhören nicht unbedingt eines Erzählers. Zum Schmähführen jedoch gehört ein Erzähler. Wie sonst soll er denn sonst zu rennen anfangen, der Schmäh. Darum scheinen mir „schmaien“ und „Schmäh“ nicht ganz zusammenzupassen.

      Andererseits gefällt mir der Hinweis auf das Jiddische. Der Schmäh und der jüdische Witz könnten wirklich Verwandte sein. Das fällt auf den ersten Blick nicht gleich auf, aber ich rede ja von einer Verwandtschaft über ein paar Ecken, fünf mindestens, und nicht von Zwillingen.

      Für beide gilt nämlich das gleiche: Der Schmäh ist kein Witz, und der jüdische Witz ist kein Witz, wenn wir Witz so verstehen, wie das Wort heute als Synonym von Scherz gebraucht wird. Beide, sowohl der Schmäh als auch der jüdische Witz, besitzen indessen Witz, und zwar Witz im Sinn von Gewitztheit. Das maßgebliche Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm definiert das so: „WITZ, m. (f., n.), verstand, klugheit, kluger einfall, scherz“ und führt aus: „eine neue aufgabe fällt dem worte im 17. jh. zu, als das gesellschaftlich-literarische ideal des bel esprit, ,des aufgeweckten, artigen kopfes‘ aufkommt. witz wird unter einflusz des franz. esprit und des engl. wit bezeichnung für die gabe der sinnreichen und klugen einfälle. (…) vereinzelt schon im 18. jh., stärker mit dem beginnenden 19. jh., bedeutet witz den klugen einfall selbst, fast immer in scherzhaftem oder spöttischem sinne. gegen ende des jahrhunderts ist die bedeutung ‚scherz‘ im schriftsprachlichen gebrauch bereits so herrschend, dasz ältere verwendungen kaum noch sichtbar werden. die mundarten jedoch kennen auch heute noch witz als ratio, prudentia, (…) vernunft, verstand, klugheit, list.“

      Zum Beispiel würde dieser jüdische Witz in minimaler Variation auch als Schmäh gewandet gute Figur machen: Grünzweig ist wieder einmal knapp bei Kasse. Er hofft, dass ihm Freiherr von Rothschild, der für seine Wohltätigkeit bekannt ist, aus der Geldverlegenheit hilft. Tatsächlich gelingt es Grünzweig, während einer Soiree zum Baron vorzustoßen. Als Grünzweig dann nach Hause kommt, fragt ihn seine Frau, wieviel ihm denn der Baron gegeben habe. „Fünf Gulden“, antwortet Grünzweig. „Fünf Gulden? Das ist alles?“ „Ach“, sagt Grünzweig, „es geht dem Baron selbst nicht gut im Moment. Er hat sogar ein Klavier verkaufen müssen.“ – „Wie kommst du auf diese Idee?“ – „Ich war doch bei der Soiree. Stell Dir vor: Zwei Pianisten hat er eingeladen, aber sie mussten gleichzeitig auf nur einem Klavier spielen.“

      Diesen jüdischen Witz über ein missverstandenes Konzert eines Pianisten-Duos, das vierhändige Klavierstücke spielt, könnte man als Graf-Bobby-Witz maskieren: Graf Bobby hat im Badener Casino wieder einmal alles Bare verspielt. Da auch sein Freund, Baron Mucki, eben in Geldverlegenheit ist, setzt Graf Bobby seine Hoffnung auf den Freiherrn von Rothschild. Dann kann alles ablaufen wie im jüdischen Witz, nur tauschen wir am Schluss Frau Grünzweig gegen den Baron Mucki aus. Selbstverständlich

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