Hannah und die Anderen. Adriana Stern

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Hannah und die Anderen - Adriana Stern

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viele Fragen. Eltern sind nämlich oft leider so bescheuert, dass Mädchen die für sie wirklich wichtigen Dinge von ihnen am allerwenigsten erfahren können.«

      Janne sah zu ihr hin. Das Mädchen schien eingeschlafen zu sein. So, wie sie jetzt dalag, wirkte es auf Janne nicht mehr beunruhigend.

      Vielleicht ist sie nur müde, überlegte sie. Wer weiß, wie lange sie schon unterwegs ist. Vielleicht hat sie seit Ewigkeiten weder geschlafen noch irgendwas gegessen. Und bestimmt hatte sie die ganze Zeit Angst.

      Janne hatte in dem Mädchen eine ungeheure Kraft wahrgenommen. Und sie hatte in den vergangenen vielleicht eineinhalb Stunden völlig unterschiedlich auf Janne gewirkt. Trotzig, mutig, kämpferisch, selbstbewusst, klug und humorvoll. Und gleichzeitig auch verzweifelt, ängstlich und sehr verletzt. Misstrauisch und klein. Unglaublich viele Facetten in so kurzer Zeit.

      Es ging etwas von ihr aus, das schwer zu beschreiben war. Eine Welle von Energie, die Janne tief berührte, sie ganz wach werden ließ und sehr aufmerksam.

      Janne hatte sie vom ersten Augenblick an gemocht. Schon wie sie mit Marissa zur Tür hereingekommen war und darauf bestanden hatte, dass alles mit ihr in Ordnung sei. Wo es doch offensichtlich alles andere als völlig in Ordnung war, was in dem Leben des Mädchens los sein musste. Diese Jugendliche beeindruckte Janne.

      Sie nahm sich vor, ihr zu helfen, zumindest so lange, bis sie an einem guten, sicheren Ort angekommen war, an dem sie sich geborgen fühlen konnte. Und an dem sie sie auch in guten Händen wusste. Bei Frauen, die dafür sorgten, dass sie nicht dahin zurückmusste, von wo sie offensichtlich und aus sicher schwer wiegenden Gründen geflohen war.

      Janne stand auf und wandte sich nach links, wo auf einem kleinen Tisch ein CD-Player stand. Sie drehte die Musik laut und setzte sich auf den Stuhl von vorher, ein wenig abseits, damit das Mädchen in Ruhe aufwachen konnte. Sie hatte mittlerweile jegliches Zeitgefühl verloren. Draußen war es schon eine Weile ziemlich dunkel, aber einige Läden hatten noch offen.

      Als Janne gerade beschlossen hatte, sich noch einen Kaffee aufzubrühen und das Mädchen einen Moment sich selbst zu überlassen, bewegte sich der rote Plüschberg. Also blieb sie sitzen und wartete gespannt ab.

      Das Mädchen setzte sich auf und sah sich langsam und vorsichtig um. Als sie Janne erblickte, nickte die ihr kurz zu und lächelte.

      Das Mädchen schien verwirrt und gleichzeitig darum bemüht, es sich nicht anmerken zu lassen. Janne beschloss, als Erste etwas zu sagen.

      »Hey, ich heiße Janne und arbeite hier im Buchladen. Du bist wohl vor etwa einer viertel Stunde eingeschlafen. Ich dachte, ich weck dich lieber, denn der Boden ist nicht sehr gemütlich.«

      Janne versuchte herauszufinden, wie ihre Worte gewirkt hatten. Der rote Plüschberg schwieg. Die beiden sahen einander an.

      »Magst du die Musik?«, fragte Janne und das Mädchen nickte.

      »Hm-hm«, murmelte sie zustimmend. »Pur finde ich gut. Die haben echt gute Texte. Jedenfalls viele Texte finde ich klasse.«

      »Ich wüsste gerne, wie du heißt, damit ich dich mit deinem Namen ansprechen kann.« Janne stutzte einen Moment und fügte dann hinzu: »Wenn du willst, natürlich nur.«

      Das Mädchen sah aus dem Fenster in den nachtdunklen Hinterhof. »Zu Hause nennen sie mich Hannelore«, sagte sie dann, ohne sich umzudrehen. »Aber in Wirklichkeit heiße ich Hannah«, fügte sie leise hinzu.

      Janne nickte. »Magst du deinen Namen?«

      »Ich glaube schon«, antwortete das Mädchen. Sie zögerte einen Moment. »Doch, Hannah ist ein schöner Name, irgendwie.«

      »Ich weiß nicht«, fing Janne das Gespräch neu an und fühlte sich unsicher. Sie wollte Hannah nicht zu nahe treten, sie mit ihren Fragen nicht erschrecken. Der Gedanke, dass Hannah fluchtartig den Buchladen verlassen könnte, war für sie mehr als beunruhigend. Hannah sah sie an. Fragend, ein wenig trotzig und mit einer Spur von Geringschätzigkeit.

      Bestimmt findet sie mich genauso bescheuert wie alle Erwachsenen, dachte Janne und der Gedanke machte sie traurig.

      »Hier den Laden, den wollte ich jetzt abschließen und nach Hause gehen. Ich will dich nicht auf die Straße setzen. Wenn du magst, kannst du erst mal mit mir kommen.« Halb fragend sah Janne sie an.

      »Und dann?«, wollte Hannah wissen.

      »Dann können wir zusammen überlegen, was du machen willst, und ich könnte dich beraten. Vielleicht«, setzte sie etwas zweifelnd hinzu.

      »Wieso willst du das?«

      »Weil wir zusammen vielleicht eine gute Idee haben. Falls du nichts Besseres vorhast, könntest du doch einfach erst mal mitkommen und dann weitersehen. Was meinst du?«

      »Und du rufst nicht die Bullen an?«

      »Nein, ich rufe nicht die Bullen an.«

      »Und bei mir zu Hause?«

      »Nein, auch dort nicht. Und überhaupt werde ich nichts unternehmen, was du nicht willst. Echt nicht.«

      Hannah runzelte die Stirn. »Da wärst du aber die erste Erwachsene, die das wirklich nicht macht.«

      »Na, und?« Janne grinste. »Kennst du vielleicht Erwachsene, die Pur gut finden?«

      »Okay. Eins zu null für dich«, stimmte Hannah anerkennend zu und Janne spürte, dass sie ihr ein wenig vertraute.

      Die Abschlussarbeiten, die notwendig waren, um den Laden verlassen zu können, nahmen jeden Tag etwa eine halbe Stunde in Anspruch. Hannah hatte sich aus einem der Regale ein Jugendbuch ausgesucht, in das sie sich vertiefte, während Janne zügig und konzentriert die letzten Arbeiten erledigte. Ihr fiel wieder ein, dass sie mit Noa verabredet war.

      Gut, dass sie einen Schlüssel zu meiner Wohnung hat. Dann kommt sie auf jeden Fall rein, falls ich erst nach acht mit Hannah nach Hause komme. Dann dachte sie: Oh, vielleicht ist das keine so gute Idee, dass Noa einfach so bei mir auftaucht. Vielleicht macht es Hannah Angst. Auch, überlegte sie weiter, weil sie im Mädchenhaus arbeitet, und möglicherweise denkt Hannah dann noch, ich hätte heimlich im Mädchenhaus angerufen.

      Janne spürte, wie schnell das hauchdünne Vertrauen, das Hannah ihr entgegenbrachte, zerstört werden konnte. Durch ihre Arbeit als Selbstverteidigungstrainerin wusste sie, wie wichtig es war, auf gar keinen Fall etwas gegen den Willen eines Mädchens zu unternehmen. Ganz egal, wie sinnvoll ihr ihre Ideen vorkommen mochten.

      Dass Menschen gegen Hannahs Willen über sie bestimmt hatten, ihr Gewalt angetan hatten oder Schlimmeres, um dann auch noch zu behaupten, es sei nur zu ihrem Besten, das hatte sie zu Hause mit Sicherheit schon zur Genüge erlebt.

      Dass es bei Hannah um Schlimmeres ging, dessen war sich Janne sicher.

      Wahrscheinlich hat niemand ihre Situation erkannt oder ihre Hilferufe ernst genommen. Wer weiß, Erwachsene haben gerade in dieser Hinsicht oft erstaunliche Bretter vorm Kopf, grübelte Janne.

      Sie würde Noa anrufen und ihr erklären, dass sie sich später noch einmal melden würde. Noa würde das schon verstehen.

      »Du, Hannah?« Janne ging zu dem kleinen Lesetisch, an

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