Frieden - eine verlorene Kunst?. Stephan Elbern

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Frieden - eine verlorene Kunst? - Stephan Elbern

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      Förmlicher Vertrag oder „Gentlemen’s Agreement“?: Der „Kallias-Frieden“ (um 450 v. Chr.?)

      Der schon in der Antike in seiner Historizität umstrittene Vertrag beendet die Epoche der Perserkriege und leitet die Blütezeit Athens unter der maßvollen Herrschaft des Perikles ein.

      Seit der Unterwerfung des Lyderreiches durch Kyros d. Gr. unterstanden auch die Griechenstädte Kleinasiens der persischen Herrschaft. Obwohl diese keineswegs hart auf ihnen lastete und sie zudem eine wirtschaftliche Blüte erlebten, erhoben sie sich im Ionischen Aufstand gegen Dareios d. Gr. (522 – 486 v. Chr.). Ihr Freiheitskampf endete jedoch in einer Katastrophe; Milet, die größte und reichste der hellenischen Städte, wurde erbarmungslos zerstört. Ein persischer Rachefeldzug gegen Athen und Eretria, die den stammverwandten Ioniern zu Hilfe gekommen waren, scheiterte in der Niederlage von Marathon (490 v. Chr.). Zehn Jahre später unternahm Xerxes I. – der Sohn und Nachfolger des Dareios – einen groß angelegten Feldzug zur Unterwerfung ganz Griechenlands; er endete in den Schlachten bei Salamis und Plataiai mit einem vollständigen Fiasko (480/​79 v. Chr.).

      Nun drangen die Griechen siegreich in Kleinasien vor und befreiten die dortigen Städte von der Herrschaft der „Barbaren“; am Eurymedon (nahe dem heutigen Antalya) erfocht der athenische Feldherr Kimon – der Sohn des Miltiades, der bei Marathon das Kommando geführt hatte – an einem Tag einen glänzenden Sieg über Flotte und Heer der Perser (468 v. Chr.). Seine Erfolge vollendeten das Werk des Themistokles, der einst durch den Aufbau einer attischen Seemacht die Abwehr der Invasion ermöglicht hatte. Athen wurde zur Vormacht in Griechenland, zahlreiche Poleis – v. a. auf den Inseln der Ägäis und in Kleinasien – schlossen sich unter seiner Führung im Attischen Seebund zusammen. Dennoch fiel Kimon – wie alle bedeutenden Politiker und Militärs in Athen – beim stets wankelmütigen Volk in Ungnade und wurde ostrakisiert. Eine schwere Krise zwang jedoch die Mitbürger, den erfahrenen Heerführer zurückzuberufen; auf einem erneuten Feldzug gegen das Achämenidenreich starb er während der Belagerung von Kition (auf Zypern). Nach seinem Tod errangen die Athener einen glänzenden Doppelsieg beim (zyprischen) Salamis (450 v. Chr.).

      Was aber folgte nun? Der militärische Konflikt zwischen Griechen und Persern wurde zweifellos beendet; in welcher Form dies jedoch geschah, bleibt fraglich. Zu den schwierigsten und langwierigsten Kontroversen der antiken Geschichte zählt der „Kallias-Frieden“, benannt nach dem Schwager Kimons, dem reichsten Bürger von Athen, der mit Artaxerxes I. in dessen Residenz Susa Verhandlungen führte. Dabei könnte es zum Abschluss eines Friedensvertrages gekommen sein. Dies war allerdings schon im Altertum umstritten; sowohl eine Abschrift des Abkommens als auch eine Inschriftenstele mit seinem Text wurden gezeigt, von anderen Historikern jedoch als Fälschungen verworfen. Die jahrtausendealte Streitfrage kann hier nicht entschieden werden; das sollte den Spezialisten für diese Epoche überlassen bleiben. Auch die Datierung des Vertrages schwankt erheblich; mitunter wird er nach dem Sieg am Eurymedon angesetzt, dann wiederum nach dem Zypernfeldzug und der Doppelschlacht bei Salamis.

       Griechenstädte befreit – Schutzzone eingerichtet

      Fest steht lediglich, dass die Kampfhandlungen endeten. Die antiken Berichte über den Kallias-Frieden überliefern, dass der Großkönig die Unabhängigkeit der kleinasiatischen Griechenstädte anerkannte und einer entmilitarisierten Zone von drei Tagesmärschen (bzw. einem Tagesritt; diese Umrechnung geht wohl auf die abweichende Entfernungsmessung durch ein Reitervolk zurück) zu ihrem Schutz vor plötzlichen Angriffen zustimmte; die Ägäis wurde für persische Kriegsschiffe gesperrt.

      Aber handelte es sich bei diesen Absprachen um einen förmlichen Friedensvertrag – oder lediglich ein „Gentlemen’s Agreement“ zwischen den Athenern und dem Großkönig?1 Denn mit dessen herrscherlicher Würde war es kaum zu vereinbaren, wenn er mit den Vertretern griechischer Poleis „auf Augenhöhe“ verhandelte2; noch weniger konnte er sich zur Abtretung von Gebieten sowie der Einschränkung seiner militärischen Macht zwingen lassen – wohl aber diese „huldvoll“ gewähren. Dies mochte wiederum – als Wort eines Königs – den athenischen Gesandten genügen (in deren Vaterstadt war man dagegen mit dem Ergebnis der Verhandlungen nicht zufrieden; angeblich wurde Kallias beschuldigt, er habe persische Bestechungsgelder angenommen, und deshalb zu einer Geldbuße verurteilt). Unabhängig von seiner rechtlichen Form – das Abkommen ermöglichte die Blütezeit Athens als Vormacht in Griechenland und seinen Aufstieg zum Zentrum von bildender Kunst und literarischem Schaffen im Zeitalter des Perikles.

       Abb. 2 Susa, Palast des Großkönigs, Apadana.

      Der Abschluss des „Kallias - Friedens“ (oder zumindest die Verhandlungen, die der Athener mit dem Großkönig führte) hatte im Palast von Susa stattgefunden, der eigentlichen Hauptstadt des Achämenidenreiches (das berühmtere Persepolis war hingegen lediglich sein kultisches Zentrum). 1851 wurde der Ort identifiziert und von französischen Archäologen freigelegt; daher bewahrt der Louvre die wertvollsten Funde, darunter die berühmte Gesetzesstele des Hammurabi. Der weitläufige Palast umschließt eine riesige Apadana (110 m im Geviert), deren Dach auf 36 Säulen mit Stierkapitellen ruhte; in dieser wahrhaft königlichen Audienzhalle muss man sich wohl den Empfang für die athenischen Gesandten vorstellen.

      Eine katastrophale Niederlage beendet nach nahezu dreißigjährigem wechselvollen Ringen die Glanzzeit Athens; nie mehr wird die Stadt ihre einstige Bedeutung zurückerlangen.

      Wohl keinem anderen Volk verdankt die Menschheit vergleichbare Großtaten in nahezu allen kulturellen Bereichen wie den Griechen. In der bildenden Kunst blieben sie bis heute ebenso unerreicht wie in der Literatur und Philosophie. Dagegen hinderte sie die heillose Zerstrittenheit der einzelnen Stadtstaaten (Poleis), ebenbürtige Leistungen auf politischem Gebiet zu vollbringen – etwa ein gemeinsames Staatswesen aufzubauen, das durchaus die Rolle des späteren Imperium Romanum hätte übernehmen können. Allein angesichts der Bedrohung durch die persische Übermacht fanden sie für kurze Zeit zur Abwehr der tödlichen Gefahr zusammen – um sich nach dem Sieg erneut zu zerfleischen. Ihren Höhepunkt erreichten die fast ununterbrochenen innerhellenischen Kämpfe im Peloponnesischen Krieg (431 – 404 v. Chr.), dem „Dreißigjährigen Krieg der griechischen Geschichte“.

      Durch ihren entscheidenden Anteil am Sieg über die Perser und die Gründung des Attischen Seebundes – der sich von einer Kampfgemeinschaft gegen die „Barbaren“ zu einem Kolonialreich Athens gewandelt hatte – war die Stadt gleichberechtigt neben die seit Jahrhunderten dominierende Hegemonialmacht Sparta getreten. Unter dem gemäßigten Staatsmann Perikles war sie zugleich führend auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet: Die hochragenden Bauten der Akropolis kündeten von ihrem Glanz, Dichter und Philosophen wirkten in ihren Mauern, die Demokratie erlebte eine erste Blütezeit.

      Schon lange schwelte die Rivalität zwischen den beiden so grundverschiedenen Staatswesen: Auf der einen Seite die geistig bewegliche demokratische Seemacht Athen, auf der anderen das starre oligarchische Sparta mit seinem starken Landheer. Schließlich löste ein Streit zwischen Korinth und Kerkyra (Korfu) den Peloponnesischen Krieg um die Vorherrschaft in Griechenland aus. Die erste Phase des gewaltigen Ringens endete nach zehn Jahren in einem „faulen Frieden“, der die Entscheidung lediglich vertagte. Inzwischen war Perikles einer verheerenden Seuche erlegen; sein Neffe Alkibiades – hochbegabt und tapfer, ehrgeizig und sprunghaft – führte die Vaterstadt in das sizilische Abenteuer: Die Eroberung von Syrakus sollte die Gründung eines attischen Großreiches einleiten. Das riskante Unternehmen endete jedoch in einer Katastrophe; das Expeditionsheer wurde vernichtet,

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