Wo aber der Wein fehlt, stirbt der Reiz des Lebens. Группа авторов

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nicht müde war, Angaben über Bau- und Schmuckmaterialien ebenso en detail zu schildern, wie deren exotische Herkunft aus fernen Regionen von Magan am Persischen Golf (wohl heutiges Oman) bis hinauf zum Libanon. Tatsächlich bestätigen die physischen Überreste in Babylon die immensen Anstrengungen, die Nabû-kudurrī-uṣur II. in dieser Hinsicht unternahm. Welch großer Stolz den Regenten erfüllte, mag man seinen Inschriften entnehmen, die ganz in einer Jahrhunderte alten babylonischen Tradition stehen.

      »Als der große Herr Marduk mich rechtmäßig berief und mich anwies, das Land recht zu leiten, die Menschen zu hüten, die Kultstätten zu versorgen (und) die Heiligtümer zu erneuern, da war ich meinem Herrn Marduk ehrfürchtig gehorsam. Seine erhabene Kultstätte (und) ruhmreiche Stadt Babylon (und) ihre großen Mauern (mit den Namen) Imgur-Enlil und Nimitti-Enlila vollendete ich. An die Laibungen ihrer Stadttore stellte ich wilde Stiere und furchterregende Drachen. Was kein vormaliger König getan hatte: Mein väterlicher Erzeuger hatte die Stadt mit Mauer und Graben aus Asphalt und Backstein zweifach umgeben. Ich aber baute eine gewaltige Mauer, eine dritte, eine längs der beiden anderen, aus Asphalt und Backstein und ich verband sie mit den Mauern, die mein Vater angelegt hatte. Ihr Fundament gründete ich fest im Untergrund, und ihre Spitze machte ich berggleich hoch. Mit einer Mauer aus Backstein umzog ich gegen Westen die Stadtmauer von Babylon.«

       (V R 34 I 12 – 34)

      Eine unbeantwortete Frage bleibt indes, wie Nabû-kudurrī-uṣur II. seine fast ins Unermessliche gehenden Bauvorhaben organisatorisch bewältigte und finanzierte. In Anbetracht der spektakulären Anstrengungen, die der Herrscher der Gestaltung Babylons zukommen ließ – er dürfte allein drei Dutzend Millionen Lehmziegel für die Zikkurrat des Marduktempels, den berühmten Turm zu Babel, gebraucht haben –, darf doch nicht in Zweifel gezogen werden, dass es auch weniger friedvolle Unternehmungen gab. Schuf Nabû-kudurrī-uṣur II. als Bauherr quasi ein Zentrum der gesamten damaligen Welt, von dem überreichlich Königsinschriften Zeugnis ablegen, so erfahren wir über militär-politische Maßnahmen zum Erhalt seines Weltreiches nur ganz indirekt durch Chroniken der späteren Geschichtsschreibung. Dass damit auch zusätzlich zu dem vorhandenen Reichtum aus der Binnenwirtschaft eine finanzielle Unterfütterung der Bauprojekte durch Tributleistungen einherging, darf man wohl unterstellen. Der sogenannte Hofkalender, ein sechsseitiges Tonprisma aus Babylon, gibt trotz seines fragmentarischen Zustandes zu erkennen, dass sich u. a. die Könige der Mittelmeeranrainer Tyros, Gaza, Sidon, Arwad und Aschdod unterworfen haben dürften. Über dieses einzige Dokument seiner Art hinaus kann lediglich auf die bereits erwähnten Chroniken verwiesen werden. Neben der lapidaren Erwähnung fast jährlich stattfindender Feldzüge nach Syrien in den ersten sechs Jahren seiner Herrschaft liest sich dort:

       »Das siebte Jahr: Im Monat Kislev bot der König von Akkad seine Truppen auf und zog zum Hethiterlande. Die Stadt Juda belagerte er. Am 2. Adar eroberte er die Stadt. Den König nahm er gefangen. Einen König nach seinem Herzen setzte er dort ein. Er nahm den schweren Tribut und brachte ihn nach Babel.«

       (ABC 5 Rs. 11 – 13)

      In diesen Zeilen findet sich die spärliche Referenz zu der lange vor der Entzifferung der Keilschrift bekannten babylonischen Gefangenschaft. Nabû-kudurrī-uṣur II. hat demnach im Jahre 598 v. Chr. seine Truppen von Babylonien nach Nordsyrien geführt und die Stadt Jerusalem angegriffen. Am 16. März desselben Jahres gelang ihm ihre Eroberung. Der regierende König Jojachin wurde gefangen genommen und an seiner Stelle Zedekia eingesetzt. Für die zweite Eroberung Jerusalems können wir uns schon nicht mehr auf keilschriftliche Quellen berufen, sondern nur auf die biblischen Berichte (siehe unten).

      Fassen wir also zusammen: Nur zwölf der insgesamt 42 Jahre Regierungszeit des NabûkudurrI –-uṣur II. sind bisher durch zeitgenössische historische Primärquellen und keilschriftliche chronologische Texte belegt. Dennoch zählt Nabû-kudurrī-uṣur II. ohne Zweifel zu den großen Persönlichkeiten der Weltgeschichte. Die Wiederentdeckung der altorientalischen Kulturen in der ersten Hälfte des 19. Jhs. durch Ausgrabungen im alten Zweistromland und die mit den Inschriftenfunden einsetzende Entzifferung der babylonischen Keilschrift haben indes kaum etwas dazu beitragen können. Das hohe Maß an Erinnerungwürdigkeit ist zum einen vielmehr den (v.a. griechischen) Autoren der klassischen Antike mit ihren ins Fabulöse gehenden Geschichten über die erstaunlichen Bauten in Babylon geschuldet. Allerdings verband man schon recht bald die weltwunderwürdigen architektonischen Leistungen, derer sich der Herrscher in seinen eigenen Inschriften ausgiebig rühmt, mit sagenumwobenen Gestalten, wie etwa Semiramis als Schöpferin der Hängenden Gärten. Zum anderen sollte sich rezeptionsgeschichtlich jedoch die Zerstörung Jerusalems und die damit einhergehende Massendeportation der Einwohner Judas nach Babylonien, über die Nabû-kudurrI– -uṣur II. selbst der Nachwelt nicht ein einziges Wort hinterließ, als wesentlich wirksamer erweisen.

      Abb. 2: Rekonstruktionsskizze des Tempelbezirks von Babylon.

      Abb. 3: Drache aus glasierten Ziegeln am Ištar-Tor.

      Nebukadnezar: Die biblische Darstellung

      Die im Deutschen geläufige Aussprache »Nebukadnezar« geht auf den Sprachgebrauch im Alten Testament zurück, wo der Name des Herrschers zumeist Nebukadnaessar geschrieben wird. In den Büchern Jeremia und Ezechiel begegnet dem Leser auch die korrektere Form Nebukadrae‘ssar. Diese Schreibweisen gehen freilich auf die Arbeit der Masoreten zurück, die die Aussprache des ursprünglich ohne Vokalzeichen geschriebenen Textes verbindlich festlegten, so dass die einheitliche Namensform der griechischen Übersetzung Nabuchodonosor wohl die ältere hebräische Aussprache spiegelt. Es ist nicht ganz klar, ob die Festlegung der Aussprache durch die Masoreten einen abwertenden Zweck verfolgt. So ist u. a. erwogen worden, dass die masoretisch-hebräische Aussprache an ein Wortspiel »Nabû beschütze das Maultier« erinnern könne. Doch dies ist alles andere als sicher.

      Nebukadnezar ist mit 119 Erwähnungen in der alttestamentlichen Literatur derjenige Fremdherrscher, der mit Abstand am häufigsten erwähnt wird. Der Grund liegt auf der Hand: Er ist dafür verantwortlich, dass dem Reich Juda sein einstweiliges Ende beschieden, dass die Stadt Jerusalem in Trümmer gelegt und dass der Tempel gebrandschatzt wurde. Er ist dafür verantwortlich, dass, sei es durch Flucht oder Deportation, eine namhafte judäische Diaspora nach Ägypten und Babylonien kam. Diese war jedoch literarisch sehr produktiv: Sie zeichnet sich für zahlreiche Schriften des Alten Testaments, die griechische Übersetzung der fünf Bücher Mose und der anderen alttestamentlichen Schriften sowie möglicherweise auch für die Entstehung des jüdischen Synagogengottesdienstes verantwortlich. Weiterhin prägten diese in Babylonien und Ägypten ansässigen Juden in unterschiedlichen Zentren der Gelehrsamkeit die jüdische Theologie und Kultur bis zumindest ins Mittelalter hinein. Die Figur des Nebukadnezar markiert damit einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte Israels: Erst seine Maßnahmen gegen Juda, Jerusalem und den Tempel haben direkt und indirekt Prozesse in Gang gebracht, die für die Entstehung des Judentums entscheidendes Gewicht besitzen. Im Alten Testament selbst wird dies zum Teil bereits so gesehen: Neben Notizen wie 2. Könige 25,8, wo die Zerstörung Jerusalems geschildert wird, liegen aus der früheren Zeit Worte von Propheten vor, die die Ereignisse um den babylonischen Herrscher theologisch reflektieren. So wird Nebukadnezar im Jeremiabuch zwar als Weltherrscher bezeichnet, dem sogar die Tiere dienstbar sind (Jeremia 27,6), doch diese Weltherrschaft verdankte er letztlich Gott, der den König gleichzeitig als seinen »Knecht« bezeichnet (Jeremia 25,9; 27,6). So führt Nebukadnezar nur das aus, was Gott sowieso zu tun im Sinn hatte. Auch der wesentlich später wirkende jüdische Historiker Flavius Josephus sieht Nebukadnezar als tatkräftigen Mann.

      Gewissermaßen wird so aus der Not eine Tugend gemacht: Der Religion und Kultur Israels drohte nach der Zerstörung des Tempels der Untergang,

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