Wo aber der Wein fehlt, stirbt der Reiz des Lebens. Группа авторов

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5: Flaschengrößen: eine Auswahl an Weinflaschen von 0,75 bis 15 l. Fassungsvermögen.

      Eine sichere Auskunft über den Ursprung dieser Benennungen ist jedoch kaum zu erlangen. So findet man in der französischen Fachliteratur etwa Folgendes: Die Tradition, für übergroße Flaschen biblische Namen zu wählen, sei gegenwärtig nicht erklärbar. Für die Herkunft wird jedoch häufig auf den französischen Dichter Eustache Deschamps hingewiesen, der bereits um 1370 in einer Ballade die Namen Jerobeam, Rehabeam und Balthasar gemeinsam erwähnt. So heißt es über Balthasar:

       Roy Balthazar qui fist les grans atrays

       D’or et d’argent que sur subgiez pourchace,

       Fut prins dedenz en Babiloine, mais

       Daire et Cyrus, quant ils prindrent la place,

       Destruierent tous.

       (Eustache Deschamps, Œuvres complètes de Eustache Deschamps, publiées d’après le manuscrit de la Bibliothèque nationale, vol. 6, hg. v. Q. de Saint Hilaire/​G. Raynaud, Paris

       (Firmin-Didot) 1889, 263 f.)

      Die Übersetzung lautet etwa: »König Belsazar (Balthasar), der große Mengen an Gold und Silber angehäuft hatte, (die er von seinen Untertanen eingetrieben hatte,) war Herrscher in Babylon; aber Darius und Kyros, als sie die Stadt einnahmen, zerstörten alles« (für die Hilfe bei der Übersetzung bedanken wir uns herzlich beim Herrn Kollegen A. Gipper).

      Dieser Verweis auf Eustache Deschamps ist jedoch nur teilweise sinnvoll; denn der entsprechende Zusammenhang, in dem die Könige erwähnt werden, handelt gar nicht vom Wein und dessen Genuss, sondern es liegt eine »Balade morale« vor, in der anhand von Beispielen fehlgeschlagener Regentschaften ein negativer Fürstenspiegel entworfen wird. Die fehlgehenden Könige stehen dabei in keinem Zusammenhang mit Weingenuss, wenngleich das untugendhafte Verhalten wie im Fall des »Balthazar« als Maßlosigkeit beschrieben wird. Insofern ist es dennoch bezeichnend, dass gerade die in der biblisch-christlichen Tradition als maßlos oder untugendhaft geltenden Herrscher wie Jerobeam, Balthasar oder auch Nebukadnezar Paten für die großen Flaschen wurden. Möglicherweise liegt in der Maßlosigkeit auch der entscheidende Vergleichspunkt, was den Verweis auf Eustache Deschamps doch rechtfertigt: Auch hier ist die Verbindung von Macht, Korruption und Niedergang am Beispiel dreier Könige aufgezeigt. Gleichwohl kann eine direkte Entlehnung ausgeschlossen werden. Denn in den Tagen des Eustache Deschamps wurde Wein noch gar nicht in Flaschen gefüllt (erst seit dem späten 16. Jh.), sondern in Schläuchen und Fässern aufbewahrt – von Flaschen mit einem übergroßen Fassungsvermögen ganz zu schweigen.

      François Bonal, ein Kenner der Materie, vermutet die Herkunft übergroßer Flaschen im Bordelais:

      »Les Bordelais utilisent le vocable jéroboam depuis 1725. Adopté en Champagne, il est probable que la désignation des autres bouteilles y a simplement été faite par analogie avec la première de la série. Jéroboam était le fondateur et premier souverain (…) du royaume d’Israël. Quant à l’explication de l’adoption du mot jéroboam par les Bordelais, peut-être faut-il la chercher dans la Bible, qui précise que Jéroboam était un homme de grand valeur; un jéroboam de Château Latour est incontestablement une bouteille de grand valeur!«. (Bonal, 1984, S. 197).

      Für die Benennung der großen Flasche mit »Jerobeam« sei also die Bibel verantwortlich, die diesen ersten König des Reiches Israels als einen Mann von »großer Wertschätzung/​großem Wert«, bezeichne – was ebenso für die Flasche mit ihrem Inhalt gelte. Diese Deutung ist aber nicht unproblematisch, weil unklar bleibt, ob die Übersetzung ins Französische (»grand valeur« – »großer Wert«/​»große Wertschätzung«), zu der es in verschiedenen französischen Bibelausgaben durchaus Alternativen gibt (z. B. »fort et vaillant« – »stark und tapfer«), den damaligen Schöpfern der Bezeichnung »Jerobeam« überhaupt vorlag. Weiterhin ist die eingangs zitierte Valmai Hankel der abweichenden Auffassung, dass die Bezeichnung »Jerobeam« für die Doppelmagnumflasche erst viel später, nämlich im Jahre 1889, nachweisbar sei. Die Benennung wäre damit vor einem ganz anderen historischen Zusammenhang, dem ausgehenden 19. Jh., entstanden.

      Frau Hankels Vermutung passt zu dem Eintrag »Jéroboam« im »Trésor de la langue française«, wo sich dieses Datum ebenfalls findet und wo weiterhin auf einen Eintrag im »New English Dictionary« von 1816 verwiesen wird, in dem sich unter dem Stichwort »Jeroboam« auch die Bezeichnung »großer Kelch«. (»large bowl/​goblet«) findet. Insofern wäre die Herkunft der Bezeichnung geographisch nach England zu verorten. Die größeren Flaschen seien dann v.a. erst im 20. Jh. mit dem Fortschritt der Glasherstellung in Mode gekommen. So deutet alles darauf hin, dass wir es mit einer relativ späten Idee zu tun haben, die wohl im England des 19. Jhs. aufkam und dann ein Fortleben entwickelte. Von Bonals oben wiedergegebenen Ausführungen bliebe damit nur noch die nachvollziehbare These bestehen, nach der die größeren Flaschen ihre biblischen Namen in Analogie zu der ersten, mit Jerobeam bezeichneten, erhalten hätten.

      So bleibt, vor dem Hintergrund der altorientalischen und biblischen Überlieferung nochmals nach den einzelnen Paten zu fragen und nach dem, was zu ihrer Patenschaft inspiriert haben könnte.

      Jerobeam (3 l.): Der keilschriftlich nicht bezeugte König Jerobeam (I.) steht neben seiner oben erwähnten Tüchtigkeit in der Bibel noch mehr für die Sünden, zu denen er Israel verführte: »Er wird Israel preisgeben wegen der Sünden, die Jerobeam begangen und zu denen er Israel verführt hat«. (1 Kön 14,16). So geht Jerobeam I. als derjenige König in die biblische Geschichte ein, der letztlich den späteren Untergang des Königreichs zu verantworten hatte.

      Salmanassar (6 l.): Bei den assyrischen Königen mit dem Namen Šulmānu-ašarēd »([Gott] Šulmanu ist der vorderste«) lassen sich fünf unterschiedliche Herrscher anführen. Da, wie hinlänglich gezeigt werden konnte, die biblische Überlieferung der Benennung der übergroßen Flaschen zugrundelag, dürfte der Bezug bei dem letzten Träger des Namens, Salmanassar V., liegen. Denn eben dieser Herrscher bereitete dem (sündigen) Königreich Israel im Jahre 722 v. Chr. sein politisches Ende.

      Balthasar (9 l.): Nach den babylonischen Quellen war Bēl-šarra-uṣur (»Herr, beschütze den König!«) nur ein kurzer Auftritt in der altorientalischen Geschichte vergönnt. Als Sohn des reichlich extravaganten Königs Nabû-nā’id (»[Gott] Nabû, der erhaben ist« = Nabonid) vertrat er während des zehnjährigen Aufenthaltes seines Vaters in der Wüste den Thron, allerdings ohne ihn jemals als König zu besteigen. Biblisch ist er als Sohn des Nebukadnezar für sein Gelage mit den heiligen Gefäßen des Tempels berüchtigt (Daniel 5). Die dabei an der Wand erscheinende Menetekel-Inschrift befindet ihn als zu »leicht« für die Ausübung der Herrschaft – was wiederum durchaus zu den historischen Gegebenheiten passt (Abb. 6).

      Abb. 6: Rembrandt, Das Gastmahl des Belsazar.

      Letztendlich bleiben alle Theorien über die Entstehung der Namenvergabe im Bereich des Spekulativen und es kann lediglich konstatiert werden, dass die Namenspatrone einzig auf die biblische Überlieferung und deren Deutung und nicht etwa die altorientalischen Primärquellen zurückzuführen sind. Es sei denn ob dieser Schleierhaftigkeit der Etikettierungen gestattet, einige hypothetische Überlegungen an den Schluss unseres Beitrages zu stellen.

      Die v.a. von französischen Autoren favorisierte Datierung der Flaschengröße »Jerobeam« ins frühe 17. Jh.

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