Wo aber der Wein fehlt, stirbt der Reiz des Lebens. Группа авторов

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auch das der Fremden und Feinde in den Händen hält. Hier wird der erste Schritt zum biblischen Monotheismus gegangen, der auch die islamische und die christliche Religion und Kultur bis heute prägt.

      Diese Sichtweise ist auch im Buch Daniel zu beobachten, auf das nun etwas näher eingegangen werden soll. Das Danielbuch setzt ein mit der Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar und schildert in seinem Fortgang das Geschick des deportierten Judäers Daniel und seiner Freunde am Hof des Großkönigs. Hier entwickelt sich Daniel dank göttlicher Fügungen zum Günstling Nebukadnezars, denn das Wissen des Judäers übersteigt die Weisheit der babylonischen Experten bei weitem. Auf eine ernste Probe wird dieses Wissen in Daniel 2 gestellt. Nebukadnezar hat einen Traum, der ihn beunruhigt, der aber von keinem seiner Experten gedeutet werden kann. Der Clou daran ist, dass er niemandem diesen Traum erzählt. Allein Daniel ist nun im Stande, dem König dessen Traum und seine Deutung mitzuteilen und so eine drohende Todesstrafe sowohl von den babylonischen Experten als auch von sich und seinen judäischen Genossen abzuwenden. Er beschreibt dem König dessen Traum von dem Koloss, der auf tönernen Füßen steht, und liefert gleich die Deutung mit: Die unterschiedlichen Materialien, aus denen der Koloss besteht, bezeichnen eine Folge von Weltreichen, die schließlich von einem göttlichen Reich abgelöst werden. Nebukadnezar erkennt daraufhin, dass diese Deutung göttlichen Ursprungs ist und wirft sich nun selbst vor Daniel nieder. Impliziert ist dabei natürlich, dass dieser Ruhm dem Gott Israels zukommt.

      Als wäre die Traumgeschichte nicht erzählt worden, fährt das dritte Kapitel des Buches fort: Nebukadnezar lässt ein großes goldenes Standbild anfertigen, dessen Maße zwar genannt werden, dessen Gestalt aber unklar bleibt. Jeder Bewohner des Reiches muss nun, wie ein Edikt verkündet, dieses Bild anbeten, und es ist von vornherein klar, dass dieser Erlass dem biblischen Bilderverbot zuwiderläuft. Drei Judäer werden nun bezichtigt, die Anbetung des Bildes zu verweigern. Es fällt auf, dass Daniel in diesem Kapitel gar nicht in den Blick genommen wird. Die drei Verweigerer werden in einen angeheizten überdimensionalen Ofen geworfen und überleben dies auf wundersame Weise. Wie in Daniel 2 endet der Vorgang damit, dass sich Nebukadnezar vor dem Gott Israels demütigt und nun sogar bei harter Strafe verbietet, über den Gott der Judäer verächtlich zu sprechen.

      Daniel 4, teilweise als Ich-Bericht des Nebukadnezar stilisiert, zeigt Daniel wiederum als den obersten Zeichendeuter des babylonischen Reiches: Nebukadnezar träumt erneut und allein Daniel kann diesen Traum deuten. Hier bezeichnet ein abgeschlagener Baum den König selbst, der für eine Zeitlang dem Wahnsinn verfällt, bis er dann quasi als Konvertit Gott, den Höchsten, lobt. Auch diese Episode hat – außer der Annahme, dass der historische Nebukadnezar Experten zur Traumdeutung beschäftigte – keinen geschichtlichen Anhaltspunkt; eine Periode des Wahnsinns ist aus der Regentschaft Nebukadnezars nicht bekannt. Die griechische Überlieferung der Bibel datiert übrigens den Beginn des Wahnsinns Nebukadnezars in dessen 19. Regierungsjahr, dem Jahr der Zerstörung Jerusalems. In Daniel 4 geht es insgesamt nicht um historische Tatsachen, sondern vielmehr wiederum um das Themenfeld von Hybris, Fall und Läuterung, das so zum festen Bestandteil des durch die Bibel überlieferten Bildes des babylonischen Großkönigs wird.

      Die drei skizzierten Kapitel zeichnen ein Bild des arroganten orientalischen Despoten, dessen Ideen und Einfälle jederzeit das Judentum in seiner Identität, ja seinem Fortbestand beschädigen könnten. Es ist längst erkannt worden, dass die Hofgeschichten des Danielbuches nicht in der erzählten Zeit entstanden sind, sondern sehr viel später. Doch Nebukadnezar markiert den Beginn der Diaspora und der Fremdherrschaft, eine Situation, die von den Judäern neue Strategien des religiösen und ethnischen Überlebens erforderte. Insofern kann der babylonische König als Prototyp des hybris-geleiteten Fremdherrschers dienen, an dessen Hof nun einerseits die möglichen Fallen für observante Juden, wie unreine Speisen oder Bilderverehrung, andererseits die Überlegenheit Gottes typisierend aufgearbeitet werden können.

      Die vielfache Erwähnung seines Namens und die farbigen Hofgeschichten um seine Person haben dafür gesorgt, dass Nebukadnezar bzw. dessen biblisches Bild ein Fortleben führte, das auf sehr unterschiedliche Weise bis in die Gegenwart reicht.

      Nabouchodonosor: Die Moderne

      Ikonographisch erscheint Nebukadnezar in der bildenden Kunst, besonders der christlichen Malerei und dem Barock, als vom Wahnsinn geschlagenes Wesen, das verwahrlost, nackt und bärtig auf allen vieren durch die Wüste kriecht. Die bekannteste Ausformung dieses Motivs findet sich in einer Darstellung des 1757 geborenen englischen Poeten und Künstlers William Blake, die den Wahnsinn des Königs, wie er im Buch Daniel beschrieben wird, zeigt (Abb. 4).

      Abb. 4: William Blake, Nebuchadnezzar.

      Als Vorlage bediente sich Blake wahrscheinlich Albrecht Dürers um 1496 entstandenen Kupferstichs »Die Buße des heiligen Chrysostomos«. Dies ist vom Thema her insofern auch zutreffend, als dass sich der biblische Nebukadnezar nach seinem Wahnsinn, der ihn auch in die Einsiedelei treibt, nun bußfertig und geläutert zeigt.

      Eine sicherlich noch populärere Rezeption Nebukadnezars findet sich in Giuseppe Verdis 1842 uraufgeführter Oper Nabucco. Auch hier kommt der König am Ende durch die Barmherzigkeit Gottes wieder zur Vernunft und entlässt die Judäer aus der babylonischen Gefangenschaft. Versucht man etwas über die Hintergründe der Entstehung von Nabucco herauszufinden, so stellt man fest: Giuseppe Verdi schwieg sich nicht nur aus. Wie Klaus Ley es formulierte, könnte es scheinen, der Komponist litt in dieser Hinsicht an kompletter Amnesie. Nur im sog. racconto autobiografico von 1789 nimmt er dazu mit der Attitüde eines Inspirierten Stellung: Sein Genie sei erwacht, so berichtet er, bei der Lektüre des Verses »Va pensiero sull‘ali dorate«, der ihm in Temistocle Soleras Libretto ins Auge gesprungen sei (Klaus Ley, Latentes Agitieren: »Nabucco« 1816 – 1842, Heidelberg 2010, S. 1). Davon ist freilich kein Wort zu glauben. Ebenfalls als ins Mythische ragend ist die Auslegung zu werten, nach der das Werk einer politischen Intention folge. Dieser Interpretation zufolge wurde und wird z. T. noch heute der Gefangenenchor zur Ikone des Risorgimento stilisiert: Die unterdrückten Hebräer stehen für das italienische Volk des 19. Jhs., welches die Einigung seines Reiches anstrebte. Hierbei handelt es sich jedoch nachweislich um eine Überhöhung der Verdi-Biographen, die den damals noch jungen Komponisten visionär die italiensche Einheit beschwören ließen.

      Bis in die Mitte des 19. Jhs. hinein konnte sich die frühmoderne Rezeption des babylonischen Herrschers Nebukadnezar nur zeitlich weit entfernter Dokumente ohne Kenntnis von Primärquellen bedienen. Denn bis in diese Zeit hinein war noch nichts über das alte Mesopotamien bekannt. Erst als im Jahre 1848 der Brite Austen Henry Layard die ersten Exponate aus Mesopotamien in das British Museum brachte, bekam man in Europa eine Vorstellung von Assyrien und Babylonien. Von nun an standen nicht allein die legendären Geschichten anderer Kulturen als Material für die Rekonstruktion von Bildern babylonischer Könige zur Verfügung, sondern auch die keilschriftlichen Primärquellen und materiellen Hinterlassenschaften. Die mit diesen sensationellen Entdeckungen einhergehende Orientbegeisterung und -rezeption in Kunst und Literatur wirkte sich allerdings, und das ist erstaunlich genug, in keiner Weise auf die Gestalt Nebukadnezars aus, sodass sich die Referenzen bis heute weiterhin auf die griechischrömischen, jüdischen, christlichen und islamischen Traditionen beschränken.

      Die Flasche

      Wie eingangs bemerkt, lebt die Figur des Nebukadnezar nun auch in Form einer überdimensionalen Wein- bzw. Champagnerflasche bis in die Gegenwart hinein fort. Es handelt sich hierbei um ein ebenso interessantes wie rätselhaftes Wiedersehen mit dem babylonischen Herrscher.

      Es ist in der Branche üblich, Flaschen ab der Größe »Doppelmagnum« mit in der Bibel überlieferten Königen zu benennen (Abb. 5): Jerobeam (3 l.); Rehabeam (4,5 l.); Methusalem (6 l.),

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