Wo der Hund begraben liegt. Beate Vera
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Читать онлайн книгу Wo der Hund begraben liegt - Beate Vera страница 4
»Mein Mann ist tot, Herr Hauptkommissar. Er starb vor einem Jahr an Krebs.« Der Schmerz breitete sich in Leas Körper aus und nahm ihr fast den Atem. Ein Jahr, auf den Tag genau, war es her.
Talisker erhob sich, doch mit einer knappen Geste gebot Lea ihm liegenzubleiben. Äußerlich schien sie unbewegt, doch Glander war das leichte Zittern ihrer Hand nicht entgangen.
»Das tut mir aufrichtig leid, Frau Storm. Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir uns setzen, damit ich Ihnen ein paar Fragen stellen kann?«
Lea war ihm dankbar, denn sie befürchtete jedes Mal, wenn der Schmerz sie durchflutete, dass ihre Beine nachgeben würden. »Natürlich nicht, Herr Hauptkommissar. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Ich hätte jetzt gerne einen Whisky, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Habe ich nicht. Leider kann ich Ihnen dabei keine Gesellschaft leisten, denn ich bin ja im Dienst. Sie trinken gerne Whisky?«
Lea sah in an und lächelte, als sie antwortete. »Ja, ich trinke nur Whisky. The water of life. Mein Vater war Schotte, und ich weiß aus erster Hand, dass seine Landsleute wenig Ahnung von feiner Küche haben – es sei denn, man hält frittierten Mars-Riegel für eine Delikatesse. Aber sie machen in der Region Speyside für meine Begriffe den besten Malt der Welt. Und um Ihnen gleich Ihre nächste Frage zu beantworten: Ich trinke Whisky, wann immer mir danach ist und so viel ich will. Und: Nein, gestern habe ich keinen Whisky getrunken. Aber bevor dieser Tag rum ist, werde ich sicherlich noch eine Menge Whisky trinken.«
Sie goss sich zwei Finger breit eines Balvenie Rum Cask in ein Glencairne Glas, das Glander an der typischen, sich verjüngenden Form erkannte. Der Balvenie stand in einer Traube – sehr teurer, wie Glander annahm – Malt Whiskys auf einem Sideboard. Er erkannte eine Flasche und war überrascht, denn den hatte er noch nirgendwo anders gesehen.
»Es geht mich gar nichts an, Frau Storm … Aber ich sehe, Sie haben da auch einen Bladnoch. Den sieht man nicht so oft.«
»Sie mögen Whisky?«
»Nicht ausschließlich, aber recht gerne in der kälteren Jahreszeit.«
»Der Bladnoch ist eine der wenigen Ausnahmen, die ich mache, er ist ein Lowland Malt. Ein bisschen ein Geheimtipp, man muss schon gut beraten werden, um auf den Bladnoch zu kommen. Mich hat eine alte Freundin drauf gebracht.«
Glander lächelte sie an. »Frau Storm, ich müsste Ihnen ein paar Fragen stellen.«
»Natürlich, Herr Hauptkommissar.«
»Glander reicht völlig. Frau Storm, meine Kollegin sagte mir, Sie kannten den toten Mann.«
Leas kurzes Zögern blieb Glander nicht verborgen, diese Frau erschien ihm etwas rätselhaft. Sie hatte wirklich schöne Augen, die sicherlich leuchteten, wenn sie lachte, aber Glander vermutete, dass sie lange nicht gelacht hatte, denn in ihren Zügen lag tiefe Traurigkeit.
»Ja, das ist … das war Wolfgang Hantschke, ein Nachbar hier aus der Straße. Er wohnt … wohnte in der Neunzehn.«
»Kannten Sie Herrn Hantschke gut?«
»Nein. Hantschke war ein Vollidiot. Entschuldigen Sie, Herr Glander, aber er gehörte zu der Art von Nachbarn, die niemand braucht. Immer meckern, Feiern der Nachbarn durch die Polizei beenden lassen, Kinder anbrüllen, dass sie zu laut seien, mittags schon voll … Einige wenige Nachbarn haben ihn gegrüßt, ich fand ihn grauenvoll und hab ihm schon ein paar Mal die Pest an den Hals gewünscht. Jedenfalls immer dann, wenn ich sah, wie er mit seinem Hund umging.«
Glander konnte aus ihrem Gesicht geradezu ablesen, wie unsympathisch ihr dieser Hantschke gewesen war. »Was hat er denn mit dem Hund gemacht?«
»Ihm völlig falsches Futter gegeben, sich zu wenig mit ihm bewegt, und obwohl das arme Tier keinerlei Erziehung hatte, trat er es, wenn es nicht spurte. Ein ganz widerlicher Kerl. Weiß man, wer die Frau bei ihm war?«
»Wir vermuten, eine Professionelle, haben ihre Identität aber noch nicht feststellen können. Frau Storm, bitte erzählen Sie mir doch genau, was heute Nacht passiert ist, als Sie rausgingen!«
Lea überlegte kurz und entgegnete dann: »Wir sind gegen drei Uhr hinten raus durch den Garten und dann direkt auf den Mauerweg. Ich bin gleich losgelaufen, ich wollte heute schnell joggen, dafür nicht so weit, um möglichst bald müde zu werden, dafür eignet sich die asphaltierte Strecke gut. Talisker fing irgendwann zu knurren an, er klang immer angespannter, je weiter wir liefen. So zwanzig Meter vor den Bänken kam der Mond raus, und ich sah die beiden … also, sah sie da sitzen.«
»Kam Ihnen das nicht merkwürdig vor?«
»Ja sicher, aber eigentlich wunderte ich mich nicht, dass sie da saßen, sondern wie sie da saßen. Es hat ein paar Momente gedauert, bis mir auffiel, dass es an den Köpfen der beiden lag. Das war irgendwie total absurd, ich wusste, dass etwas nicht stimmte, aber nicht genau, was es war.«
»Was haben Sie dann gemacht?«
Lea überlegte erneut. »Ich habe Talisker befohlen sich zu setzen und zu warten. Dann bin ich zu der Frau gegangen. Vielleicht ihrer hellen Haare wegen, ich weiß nicht. Danach rüber zu dem Mann. Es tut mir leid, ich habe gar nicht daran gedacht, dass ich irgendwelche Spuren versauen könnte.«
»Dafür haben wir ja Ihre Turnschuhe mitgenommen, und die Spusis sind ganz gut darin, Fußabdrücke zuzuordnen.«
»Gab es denn noch andere?«
Sie hat einen wachen Verstand, fand Glander und schüttelte den Kopf. »Das wissen wir noch nicht genau. Ich meinte damit, dass die Kollegen Ihre Schritte nachverfolgen können. Die Tiefe der Abdrücke im Blut, logische Schrittfolgen und solche Punkte. Haben Sie denn jemand gesehen oder etwas gehört, als Sie sich …«, er zögerte kurz, »… die Leichen ansahen?«
»Nein. Und wenn da jemand gewesen wäre, hätte das Talisker ganz sicher bemerkt, und Sie hätten Ihren Täter bereits.«
Glander schmunzelte. Er mochte diese Frau und stellte überrascht fest, dass er sie gerne unter anderen, angenehmeren Voraussetzungen kennengelernt hätte.
»Das hätte mir allerdings ausgesprochen gut gefallen, Frau Storm. Haben Sie denn irgendeine Idee, ob Ihr Nachbar Feinde hatte?«
»Feinde? Ich weiß nicht. Keiner mochte ihn, und ich denke, fast alle fanden ihn schrecklich unangenehm, aber man schlägt ja seinem Nachbarn nicht den Kopf ein, nur weil der ein Misanthrop ist. Was er sonst mit seinem Privatleben anfing, keine Ahnung, vielleicht können Ihnen seine direkten Nachbarn weiterhelfen, ich nehme an, sie müssten mehr von ihm mitbekommen haben.«
Es klingelte an der Haustür. Als Lea öffnete, stand sie einem sehr großen, sehr beleibten Mann gegenüber, der ihr seine Dienstmarke entgegenhielt.
»Kriminalhauptkommissar Prinz, ich bin von der Berliner Kripo. Kann ich hereinkommen?«
»Nur zu, Ihr