Wo der Hund begraben liegt. Beate Vera
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Читать онлайн книгу Wo der Hund begraben liegt - Beate Vera страница 5
»Prinz. Was machen Sie denn hier?«
Prinz nickte ihm zu. »Glander. Der Tote ist in Berlin gemeldet, und der Mauerweg gehört zum Berliner Zuständigkeitsgebiet. Solange der Tatort nicht eindeutig in Brandenburg liegt, denke ich, ist das unser Fall. Außerdem sind Sie doch gar nicht im Dienst heute.«
»Blödsinn! Die Leichen wurden in Brandenburg gefunden, also sind wir zuständig.« Mit einem Blick auf Lea fügte er hinzu: »Ich denke aber, das klären wir besser draußen oder bei uns auf dem Revier. Ich war ohnehin fürs Erste hier fertig, und ich bin sicher, Frau Storm hat auch genug für heute Nacht. Frau Storm, ich lasse Ihnen die Kollegin Griese hier, wenn es Ihnen recht ist.«
Lea schüttelte den Kopf. »Nein danke, Herr Glander, das ist wirklich nicht nötig. Ich habe ja Talisker.«
Prinz starrte ungläubig auf den Hund, der in der Ecke des Wohnzimmers den Kopf hob, als er seinen Namen hörte. Dann blickte er auf Glander runter und nickte. »Ja, dem möchte ich auch nicht im Dunkeln begegnen. Der Griese aber auch nicht, ehrlich gesagt.« Er lachte anzüglich, drehte sich um und warf Glander im Rausgehen zu: »Na gut, Glander, dann klären wir das morgen auf dem Dienstweg. Ich hätte bis dahin aber gerne Ihren Bericht. Vor neun bitte, per Mail. Ich finde alleine hinaus, Frau Storm. Guten Morgen!«
Lea sah Glander fragend an.
»Kriminalhauptkommissar Prinz ist vom LKA 1, das ist die für Tötungsdelikte zuständige Dienststelle in Berlin. Ich war dort viele Jahre tätig, arbeite jetzt aber in Brandenburg. Eigentlich habe ich gar keinen Dienst heute, aber der Kollege von der Einsatzleitung wusste, dass ich ganz in der Nähe bei meiner Schwester in Teltow bin. Sie hat gestern ihren Geburtstag gefeiert.« Er wandte sich ebenfalls zum Gehen und gab Lea seine Karte. »Wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt, egal, was es ist, rufen Sie mich bitte an, Frau Storm, ja? Ein Streifenwagen wird Sie im Laufe des Vormittags abholen, damit wir Ihre Aussage aufnehmen können. Bitte stellen Sie sicher, dass die Kollegen Sie antreffen!«
Er ging zur Tür vor, an der Polizeimeisterin Griese bereits wartete. Lea schüttelte beiden die Hand und trat dann ein paar Schritte vor die Tür, um zuzusehen, wie sie die kurze Zeile hinunter zur Straße gingen, in der ein Streifenwagen mit Blaulicht parkte. Glander drehte sich kurz um, nickte ihr noch einmal zu und stieg vorne neben dem Fahrer ein.
»Ich wette, er ist ein miserabler Beifahrer, Tally.« Lea kraulte den großen Hund, der neben ihr stand, hinter einem Ohr.
Als sie wieder ins Haus zurückkehren wollten, ging die Tür ihrer Nachbarn auf, und die beiden Lehmann-Schwestern traten in grellgeblümten wattierten Morgenmänteln und heller Aufregung in die Zeile hinaus.
»Lea, was ist denn passiert? Was macht die Polizei hier?«
Unmittelbar verspürte Lea eine bleierne Müdigkeit. Sie wollte nur noch in ihr Bett gehen und schlafen. »Es tut mir leid, aber ich muss mich jetzt wirklich wieder hinlegen.«
Danach schlief sie fünf Stunden am Stück.
Während Lea ihren dringend benötigten Schlaf fand, saß Glander seiner Schwester in deren Küche in Teltow gegenüber und fluchte über den arroganten LKA-Kollegen. »Das glaubst du nicht, da schwabbelt die Prinzenrolle in das Wohnzimmer von dieser Storm und macht mir ’ne Ansage! Und das richtig Miese daran ist, dass die den Fall vermutlich auch kriegen. Scheiße! Der Prinz findet doch seinen eigenen Breitarsch nicht, so dämlich ist der.«
Melanie Rust, geborene Glander, grinste breit und gähnte dann noch breiter. »Dabei ist der dir gar nicht vorgesetzt, ihr habt doch denselben Dienstrang. Aber sag mal, diese Frau Storm, die war ganz ruhig, nachdem sie zwei Leichen findet und ihr dann das volle Spusi-Programm vor ihr abzieht? Das ist doch nicht normal, oder?«
Melanie war Verwaltungsangestellte bei der Berliner Polizei, und ihre Frage war durchaus berechtigt. Glander stellte fest, wie wichtig es ihm war, dass Melanie keinen falschen Eindruck von Lea Storm bekam.
»Ach, ich weiß nicht, vermutlich nimmt sie irgendwas. Ihr Mann ist vor einem Jahr gestorben, und es war offensichtlich, dass sie nicht drüber hinweg ist. Obwohl Valium nicht zu ihr passt.« Nachdenklich häufte er sich den dritten Löffel Zucker in seinen Espresso.
Seine Schwester sah ihn überrascht an. »Sie gefällt dir, Martin, ich glaub es ja nicht! Die gefällt dir wie keine mehr seit Jessica. Und – was wirst du tun?«
Glander rührte missmutig in seiner Tasse herum.
»Nichts werde ich tun. So ein Quatsch, von wegen gefallen! Die Frau hat ’ne Menge Probleme, außerdem ist sie Zeugin in einem Mordfall, ist ja nicht so, als hätte ich sie in einer Kneipe kennengelernt.«
»Sicher nicht. Wann warst du das letzte Mal in einer Kneipe?«
»Sei doch froh, dass dein Bruder einer der wenigen Kripobeamten ohne ein Alkoholproblem ist. Sag mal, hast du noch den Whisky, den du mal für mich besorgt hast? Ich hab grad richtig Lust auf einen kleinen Schluck davon.«
Melanie holte die Flasche aus dem Wohnzimmerschrank, murmelte etwas von »So geht es los …« und stellte den Whisky vor ihrem Bruder auf den Tisch.
Glander hob ihn hoch und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Sie hat diesen Monsterhund, Schottischer Rindhund oder so was. Und den hat sie nach diesem Whisky benannt, glaubt man das?« Kopfschüttelnd schenkte er sich zwei Zentimeter von dem zehn Jahre alten Talisker ein und dachte an Lea Storms kastanienbraunes Haar, das ihr sicherlich über die Schultern fiel, wenn sie den Zopf öffnete.
Melanie feixte den ganzen Weg nach oben in ihr Schlafzimmer, wo sie sich an ihren schnarchenden Mann kuschelte und sofort einschlief.
In einem Reihenmittelhaus im Dürener Weg, nicht weit von Lea, blickte ein Mann sehr zufrieden auf eine Namensliste und strich den Namen Hantschke aus. Zwei weitere Namen waren bereits durchgestrichen. Es gab noch viel zu tun, aber er hatte Zeit, und gut Ding brauchte nun einmal Weile. Der Mann schob das Papier in seine Schreibtischschublade, nahm einen Schluck Tee und schaute sich den dritten Teil von Berlin – Tag und Nacht vom Vorabend im Internet an.
3
Glander hatte richtig vermutet: Das LKA 1 übernahm den Mordfall Hantschke, und der Streifenwagen, der Lea am folgenden Tag um elf Uhr abholte, brachte sie in die Keithstraße. Sie fand Prinz genauso unangenehm wie bei ihrem kurzen Treffen in der vorangegangenen Nacht, aber überraschenderweise hatte er gar kein großes Interesse an ihrer Aussage und ließ diese von einem Kollegen mit niedrigerem Dienstrang protokollieren. Der Beamte nahm ihr auch Fingerabdrücke ab. Reine Routine. Auf dem Heimweg bat Lea den Fahrer, sie am Thuner Platz abzusetzen, von dort würde sie laufen oder den Bus nehmen. Nachdem sie ausgestiegen war, überquerte sie die kopfsteingepflasterte Straße und ging auf den gegenüberliegenden Parkfriedhof.
Marks Vater, ein britischer Soldat mit einem schweren Alkoholproblem, ließ ihn und die Mutter sitzen, als Mark zehn war. Der Vater kehrte nach England zurück und meldete sich nie wieder. Marks Mutter kam nicht darüber hinweg, und nach ihrem dritten Suizidversuch übertrug das Amt die Vormundschaft für den Sohn der Großmutter. Bei ihr lebte er, wenn er nicht im Internat auf Schwanenwerder war. Der vierte Versuch seiner Mutter, ihrem Leben ein Ende zu setzen, glückte, als Mark sechzehn war. Trotz dieses belastenden familiären Hintergrunds war Mark ein sehr guter Schüler. Nach dem Tod seiner Mutter stürzte er sich in seine Ausbildung, legte ein glattes Einser-Abi hin und zog sein direkt anschließendes Architekturstudium ebenso konsequent durch.