Fleischbrücke. Gerd Hans Schmidt
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»Freut mich, Frau de Fries. Ich kann Ihnen leider nicht die Hand geben, Sie sehen, ich bin gerade bei der Arbeit. Tja, Herr Schmitt. Ganz durch bin ich noch nicht mit meinen Untersuchungen, vor allem fehlen die ganzen Laborwerte, Toxikologie und so weiter, Sie verstehen schon. Aber eines steht für mich schon ziemlich fest. Dieser Mann hier war kein etabliertes Mitglied unserer Gesellschaft.«
»Wie meinen Sie das?«
»Nun. Wir veranlassen immer zuerst ein großes Blutbild. Da war ja am Tatort genug vorhanden und ich habe sofort eine Probe gezogen. Dann machen wir einen Alkotest. Der Blutalkoholwert lag zum Todeszeitpunkt bei 1,8 Promille. Der Mageninhalt bestand aus noch unverdauten Dosenravioli und Bier. Der Leberwert und der Allgemeinzustand, soweit dieser feststellbar war, lassen den Schluss zu, dass es sich wohl um einen Alkoholiker, womöglich obdachlosen Alkoholiker handelt.
Die Todesursache steht für mich fest. Es war ein Schlag, ein heftiger, gewaltsamer Schlag mit einem harten, aber nicht stumpfen Gegenstand gegen den unteren Hinterkopf. Der Gegenstand drang tief in das Gewebe, verletzte wichtige Blutgefäße und brach den zweiten Halswirbel, sodass sofort eine Lähmung nach unten eintrat. Der Täter durchtrennte noch die Halsschlagader. Das war’s dann. Von den Verstümmelungen und weiteren Verletzungen hat das Opfer wohl nichts mehr mitbekommen.«
»Die Tat eines Wahnsinnigen?«
»Nein. Durchaus nicht. Der Täter wusste offenbar genau, wie er vorgehen musste. Vor allem die Durchtrennung der Sehnen im vorderen Hüftbereich ist geradezu professionell. Genau an der richtigen Stelle.«
»Der Mörder macht so etwas also gerne?«
Hannah fragt den Doktor gezielt.
»Ich weiß nicht, ob er das gerne macht, aber er kann es sehr gut.«
»Ein Arzt? Ein Psychopath?«
»So weit möchte ich noch nicht gehen. Es gibt eine ganze Reihe von Merkmalen, die diesen Schluss zulassen. Eines davon ist die kontrollierte und eiskalte Vorgehensweise bei der Tat.
Dann spricht dafür, dass er wohl einen bestimmten Grund hat, die Beine so nach hinten zu knicken und das Gesicht zu entfernen.«
»Er?«
»Vermutlich. Sagen wir, die Tat wurde von einem psychopathisch veranlagten Menschen verübt. 80 Prozent solcher Täter sind Männer. Und es gehört auch ein erheblicher Kraftaufwand dazu, die Beine so nach hinten zu biegen. Es wurde zwar auch die Kapsel, die das Hüftgelenk umschließt, angeschnitten, aber so leicht ist es nicht, den Oberschenkelkopf da herauszubrechen.«
»Sie legen sich fest?«
»99 Prozent, ja. Wenn Frauen Morde verüben, dann meistens mit Gift oder Medikamenten, oder beidem. Eleganter halt. Zwar sind auch hier Verstümmelungen nicht ausgeschlossen, aber seltener.«
Hannah scheint ganz in ihrem Element zu sein, aber eine wichtige Frage fällt auch mir ein.
»Sie sagen Morde. Kann das der Anfang einer Serie sein?«
Dr. Rosser blickt eine Weile nach unten und überlegt. Dann richtet er den Blick auf mich.
»Ich befürchte ja, Herr Schmitt. Der Mörder hatte einen Grund und er will uns mit der Art, wie er das Opfer zugerichtet hat, möglicherweise etwas mitteilen.«
Ich sehe Hannah an und merke an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie diesen Verdacht schon einige Zeit hatte, denn sie macht eine kleine nickende Kopfbewegung.
»Dann hat es wohl auch nichts damit zu tun, dass das hier wahrscheinlich ein Obdachloser ist?«
Hannah kommt dem Doktor zuvor.
»Nein. Er braucht nur einen bestimmten Menschen, wahrscheinlich einen Mann. Wen er da zufällig erwischt, ist ihm völlig egal. Es geht nur um das Töten. Und die Botschaft!«
Wir verabschieden uns und Dr. Rosser sichert uns zu, dass wir spätestens in zwei Tagen den vollständigen Bericht bekommen. Hannah de Fries spricht kein Wort auf der Rückfahrt, bis ich sie anspreche.
»Sie sind ...«
»Du bist. Ich dachte, wir hatten uns so weit vorgewagt, obwohl ich als die Jüngste das Du eigentlich nicht anbieten dürfte.«
Mit diesen Worten sieht sie mich direkt an, legt ihre linke Hand auf meinen rechten Oberschenkel und lässt sie dort liegen. Ich weiß im ersten Moment nicht, wie ich darauf reagieren soll, aber diese Berührung ist mir auch nicht unangenehm. Ich kann mich selbst nicht verstehen und ich ignoriere es einfach. Schließlich nimmt sie ihre Hand wieder von meinem Bein und steckt sie in die Tasche ihrer Lederjacke.
»Du bist bei dem Gespräch mit dem Doktor sehr engagiert gewesen«, beginne ich nach einer Weile, »und du scheinst ein wenig Ahnung von diesen Dingen zu haben. Ist das richtig?«
»Hat es dir gefallen, als ich meine Hand auf dein Bein gelegt habe?«
»Hannah! Das ist jetzt nicht der Moment für ...«
»Wann ist der richtige Moment?«
»Ich habe am Freitag geheiratet!«
»Na und?«
»Schluss mit dieser Debatte. Wir haben einen Fall zu lösen!«
Schweigen.
»Also, wieso kennst du dich da aus, bei diesen Psychosachen?«
»Ich habe nach dem Abitur sechs Semester Psychologie studiert. Oder sieben. Weiß ich nicht mehr so genau. Ist auch nicht mehr wichtig.«
»Und dann Polizistin?«
»Erstens hatten die meisten dieser Studenten selbst einen an der Klatsche und zweitens wollte ich die Menschheit vor solchen Typen schützen, nach denen wir jetzt suchen. Ich habe mich deswegen immer wieder, auch nach dem Studium, mit diesen Verhaltensmustern befasst. Das mit meiner Hand eben war der Versuch, dich zu manipulieren. Das machen Psychopathen gerne. War gut, oder? Du bist darauf hereingefallen.«
»Und ich dachte schon ...«
»Denk das ruhig. Als ich dein Bein berührte, hat es mir auch gefallen. Du bist ein toller Mann, du gefällst mir.«
»Hannah!«
Diese Direktheit trifft mich wie ein Blitz, aber mehr Gegenwehr fällt mir im Moment nicht ein.
*
Wir fahren in den Hinterhof des Präsidiums und ich stelle den Wagen ab.
Auf dem Flur zu meinem Büro kommt uns Ilse entgegen.
»Gut, dass ihr kommt, der Chef will dich gleich sprechen.«
Hannah geht wortlos an Ilse vorbei und wirft ihr ein seltsames Lächeln zu. Ungewohnt. Sie lächelt doch sonst nicht.
»Was hat die denn?«
»Sie hat die Leiche gesehen.«
»Und da lächelt die?«
Erst