Besser als nix. Nina Pourlak
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Besser als nix - Nina Pourlak страница 4
Wir haben sogar einen Mike. Aber der ist nicht da. Der hat schon einen Ausbildungsplatz. Der hatte immer schon einen Plan. Mike wird KFZ-Mechaniker.
Papa wäre froh, wenn ich Mike wäre.
Mike der Mittelstürmer.
Vielleicht hätte er mich einfach anders nennen müssen, von vornherein. Vielleicht wurden da schon die Weichen gestellt ...
»O.k. Also: jeder erhält jetzt von mir einen Fragebogen, den er bitte gewissenhaft ausfüllt und sich dabei Gedanken zu seinen Interessen macht. Wir gehen die Antworten dann direkt hier durch und sprechen Empfehlungen aus. Und dann könnt ihr euch vor Ort über die passenden Berufe informieren und gleich im Computer gucken, ob ihr vielleicht Adressen findet zum bewerben. Bitte seid bei euren Wünschen und der Einschätzung eurer Talente ehrlich und realistisch, damit es auch was bringt«, sagt Steffi, die eigentlich Sarah heißt. Sie verteilt die Bögen.
Finden Sie heraus, wo Ihre Stärken und Schwächen liegen!
Was macht mir Spaß?
Was kann ich besonders gut?
Was interessiert mich?
Überlegen Sie, welche Berufe zu Ihren Interessen und Fähigkeiten passen könnten!
Welche Tätigkeiten interessieren mich?
Wo möchte ich gerne arbeiten?
Womit möchte ich arbeiten?
Was möchte ich beruflich erreichen?
Einige meiner Mitschüler kichern und schreiben witzige Antworten auf. »Ich möchte Germany’s Next Topmodel werden« und so. Hilfe. Man darf auch nicht vergessen, dass ich ein Jahr älter bin als die anderen, fast zwei.
Sowieso, warum sollte man unbedingt dazugehören? Wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit, bitte, dass sich von allen Menschen auf der Welt ausgerechnet in der eigenen Schulklasse die aufhalten, die am besten zu einem passen? Das wäre doch ein bisschen zu einfach, oder?
Als ich noch klein war, da war irgendwie alles ganz selbstverständlich, und ich hab nicht mal ein bisschen über so was nachgedacht. Da hab ich einfach dazugehört. Aber seit ich einmal sitzen geblieben bin, noch in der Grundschule, kurz nachdem das mit Dir war, hab ich irgendwie den Faden verloren ...
In der neuen Klasse war ich auf einmal der Loser. Von da an hab ich mich dann irgendwie bewusst ins Abseits gestellt, damit ich meine Ruhe hatte ... Und jetzt ist das eben meine Position geworden. Wie beim Fußballspiel. Da steh ich ja auch immer im Abseits – nee, kleiner Scherz. Aber da hat ja auch jeder Spieler seinen Bereich. Und ich steh eben im Tor. Falls ich überhaupt eingewechselt werde.
Ich hoffe, Du machst Dir keine Sorgen, wenn ich das alles so schreibe, und denkst, ich bin hier total alleine. Ich weiß sowieso – Du machst Dir immer gleich Sorgen. Ich erinnere mich noch daran, wie wir zusammen Fernsehen geguckt haben: Du warst immer ganz aufgeregt, sogar bei irgendwelchen Kinderfilmen, die wir schon zigmal zusammen gesehen haben. So aufgeregt, dass ich Dir manchmal vorher ins Ohr geflüstert habe, wie es ausgeht, damit Du kein Nasenbluten kriegst oder so.
Deswegen sage ich das jetzt lieber auch gleich: Mach Dir keine Sorgen, wenn Du das hier liest. Wenn ich das hier an Dich schreibe, dann bin ich ja schließlich noch da, und außerdem bin ich ja die Hauptfigur der Geschichte – ich will jetzt nicht sagen der Held oder so. Aber die Hauptfigur, die bleibt der Geschichte ja meist bis zum Schluss erhalten.
Also. Ich schreib einfach in den Fragebogen, was mir in den Kopf kommt. Mal sehen, ob mir noch zu helfen ist ... Glaub ich zwar nicht, aber O.k. An mir soll’s nicht scheitern ...
»Ich will Anzüge tragen, das stell ich mir irgendwie vor, aber nicht in der Bank arbeiten. Ich würde gerne auch handwerklich tätig sein, etwas richtig bauen oder herstellen, aber nicht nur rackern. Im Büro sitzen, aber auch draußen unterwegs sein. Manchmal habe ich gerne mit Menschen zu tun, wenn sie nicht so viel reden und ich auch mal meine Ruhe haben kann. Ich will etwas tun, woran ich glaube, etwas, das für die Menschen wichtig ist, und einen sicheren Arbeitsplatz, nix, was nächstes Jahr abgeschafft wird. Und ich will immer gerne einen Abschluss. Etwas, das auch Mal zu Ende geht, wo man sich das Ergebnis angucken kann.«
So. Gibt es das?
3 ungeahnte perspektiven
Ich sitze jetzt direkt vor der Tür des Besprechungszimmers auf einer Holzbank. Über der Tür hängt so ein Motivationsposter: eine glückliche Blondine mit Bäckermütze, ein cooler Typ mit Zahnspange und Schraubenschlüssel in der Hand und ein anderer mit Strähnchen im Haar, der einen Pinsel schwingt. Darüber steht: »Mach’s richtig«. Jemand hat die Schrift als Sprechblase umrandet und was dazugekrakelt, sodass der Kfz-Mechaniker jetzt zum Maler mit Pinsel sagt: »Ich mach’s Dir richtig«. Die Bäckerblondine hat einen Schmollmund und eine Krokodilsträne abbekommen.
An mir vorbei laufen die ganzen erwachsenen Arbeitslosen, aus dem anderen Gebäudetrakt. Mit fahlen Gesichtern und irgendwelchen Blättern zum Ausfüllen in den Händen. Die sind hier nicht zum Spaß. Das macht einem ganz schön Angst. Hier will ich nicht noch mal hin.
Sarah sammelt die Bögen ein, und vielleicht hab ich mich auch geirrt, aber ich glaube, sie hat mir zugezwinkert. Unter ihrem weißen T-Shirt zeichnet sich ihr Busen ab. Ich kann nicht genau erkennen, ob sie einen BH trägt.
(Sorry. Das schreibe ich jetzt hier wie im Tagebuch, O.k. Weil ich mir eigentlich doch nicht vorstellen kann, dass Du das liest. Vielleicht streich ich es auch nachher, sicherheitshalber. Aber jetzt lass ich es erst mal so stehn.)
Ich frag mich auf einmal – warum auch immer –, wie alt man als Referendarin so ungefähr ist. Paul sagte mir vorhin auf dem Klo, alle reden heute über sie, alle gucken ihr auf die Titten (hat Paul so gesagt). Dann ging die Tür auf der Jungstoilette auf, sie stand da und meinte trocken, sie habe keine Lust, sich hier zum Affen zu machen und allen hinterherzulaufen. Die Jungs sollten jetzt die Bögen ausfüllen oder gleich nach Hause gehen. Oder sich mal drüben angucken, wie es aussieht, wenn man hier regulär anstehen muss. Weil man keine andere Chance hat. Da sind dann alle rausmarschiert und haben brav zum Stift gegriffen. Die nimmt das nicht so hin wie Frau Frevert. Das gefällt mir.
Sie kommt hier aus Schönburg, direkt neben Schwarzbeck, ist nach dem Abi nach Berlin gegangen. Zum Studieren. Und jetzt ist sie anscheinend wieder da. Seine Schwester kennt sie noch. Die hat inzwischen zwei Kinder und ist verheiratet. Pauls Schwester ist jedenfalls 25.
Ich werd reingerufen. Ein Raum mit Topfpflanze auf dem Fensterbrett, bunten Mallorca-Postkarten, die mit Tesafilm an den Spanholzschrank gepappt wurden, und einem Katzenbildschirmschoner, der auf dem Computer flimmert. In diesem Raum entscheidet sich also meine Zukunft.
Die Arbeitsamtsberufsberaterin wendet sich förmlich an mich: »Tom. Erst einmal möchten wir uns bei Ihnen bedanken, dass Sie den Bogen so konkret ausgefüllt haben. Bei so vielen Details ist es uns sehr leichtgefallen, ein passendes Berufsprofil zu erstellen.«
Sie lächelt mich motivierend an. Ich bin ein offenes Buch. Ich bin verblüfft. Genau das hab ich mir erhofft. Aber warum krieg ich dann jetzt Angst?
»Der Beruf, den wir für Sie entdeckt haben, wird Ihnen vielleicht erst mal nicht so viel sagen. Er ist auch erst seit wenigen Jahren ein anerkannter Ausbildungsberuf ... Die Empfehlung hat natürlich nichts mit Ihrem äußeren Erscheinungsbild