Tödliche Offenbarung. Cornelia Kuhnert

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Tödliche Offenbarung - Cornelia Kuhnert

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schluckt dann alles auf einmal herunter.

      »Erster Jahrgang in der Qualifikationsphase. Abitur nach acht Jahren«, erklärt er, als er Streuwalds fragenden Blick auffängt. »Er hat an drei Tagen bis Viertel vor vier Schule, und an den anderen bis halb drei. Danach noch Hausaufgaben. Da bleibt keine Zeit für andere Sachen. So sieht das aus.«

      »Überall das Gleiche«, stöhnt Streuwald. »Wenn das so weiter geht, kriege ich meine Mannschaft nicht mehr voll. Letzte Woche waren bloß acht Jungs beim Training. Wie sollen wir da gegen Heeßel gewinnen?« Er rückt den Vereinswimpel des RSE liebevoll zur Seite, als das Telefon klingelt.

      »Polizeiinspektion Burgdorf, Kommissar Streuwald«, bellt er in den Hörer. Schweigend hört er eine Weile zu, dann räuspert er sich: »Wir kommen.«

      |23|5

      Martha starrt ihr Handy an. Ihre Hand zittert. Die Minuten kriechen dahin, ohne dass eine der Frauen einen Ton sagt. Selbst Trixi, die sonst immer vor sich hin brabbelt, wenn sie nervös ist, hält den Mund. Hoffentlich kommt die Polizei bald, ist das Einzige, was Martha durch den Kopf geht. Jemand soll kommen und die Verantwortung für den Mann auf der Bank übernehmen. Soll alles regeln.

      Martha schaut ungeduldig zur Einfahrt des Golfclubs. Immer noch kein Polizeifahrzeug in Sicht. Wie lange brauchen die denn?

      Von der Zufahrtsstraße hört Martha Motorengeräusche. Endlich. Doch statt eines Polizeifahrzeuges fährt ein älteres Mercedesmodell auf den Parkplatz. Ein Mann in kurzer Hose und Polohemd steigt aus. Fröhlich pfeifend nähert er sich mit zügigem Schritt den drei Frauen, die immer noch betreten schweigend vor dem kleinen Holzhaus stehen.

      Wilfried Dreyer, besser gesagt, der emeritierte Professor Doktor Wilfried Dreyer, freut sich auf eine entspannte Golfrunde, bevor es voll wird auf dem Platz. Er ist schon spät dran, obwohl er unter dem Protest seiner Gattin auf das gemeinsame Frühstück im Garten verzichtet hat. Das wird sie ihm noch heute Abend unter die Nase reiben. Sei’s drum. Für eine Golfrunde bei herrlichstem Wetter nimmt er das in Kauf.

      »Guten Morgen, die Damen. Ist das nicht ein herrliches Golfwetter. Nichts, wie schnell auf den Platz.«

      »Das geht nicht«, presst Martha zitternd heraus.

      |24|Wilfried Dreyer starrt sie ungläubig an und geht weiter.

      Martha breitet ihre Arme aus wie das Berliner Ampelmännchen bei Rot und verbaut ihm den Weg.

      »Na, hören Sie! Lassen Sie mich jetzt bitte in den Caddyraum. Ich möchte meine Sachen holen.« Sein Tonfall hat die freundliche Sonntagsstimmung verloren. Er ist gekommen, um Golf zu spielen und davon lässt er sich nicht abhalten.

      »Das geht nicht.« Martha sieht sich hilfesuchend nach Trixi und Roswitha um, doch die starren nur zum Schuppen, ohne sich zu regen.

      »Was soll der Blödsinn? Ich will jetzt in den Caddyraum …«

      »Bleiben Sie stehen!« Martha stellt sich ihm erneut in den Weg. »Da hinten …«

      »Erlauben Sie mal, junge Frau, was ist das für ein Ton?«, unterbricht er sie aufgebracht. »Ich bin seit Jahren Mitglied in diesem Club, aber so etwas ist mir noch nie passiert.«

      »Das geht nicht. Bitte bleiben Sie stehen bis die …«

      »Was reden Sie da für einen Unsinn!« Wutschnaubend macht Dreyer einen Schritt auf das Caddyhaus zu, aber Martha stellt sich ihm erneut in den Weg.

      »Stopp! Die Spuren dürfen nicht verwischt werden.«

      In diesem Moment kommt Uwe Zwingel von der Driving Range und nähert sich gemächlich der Gruppe.

      »Was gibt es denn?« Sein jovialer Ton beruhigt Dreyers Gemüt augenblicklich.

      »Uwe, gut, dass du da bist. Diese Frau da, die redet wirres Zeug.«

      Der Trainer verzieht das Gesicht. Schon wieder die Landeck. Hoffnungsloser Fall. Der erste gute Golfschlag ihres |25|Lebens – und schon ist er ihr zu Kopf gestiegen. Manche sollten es einfach sein lassen.

      »Frau Landeck, nun machen Sie bitte Platz. Bei diesem herrlichen Sommerwetter …«

      In diesem Moment fährt der Einsatzwagen mit Blaulicht über den Fußweg zum Caddyhaus.

      Ein Blick hinter den Schuppen reicht Streuwald, um zu wissen, dass sie keinen Notarzt mehr zu rufen brauchen. Der Mann auf der Bank ist tot, und nicht erst seit ein paar Minuten. Ohne eine Gefühlsregung zu zeigen, mustert Streuwald das Gesicht des Mannes. Er ist mindestens vierzig, vielleicht sogar fünfzig Jahre alt. Seine groben Gesichtszüge sind bläulich verfärbt. Blut ist nicht zu sehen, aber die dunklen Flecken am Hals sprechen eine deutliche Sprache.

      Streuwald dreht sich zu Borgfeld um und ruft: »Dieter, ruf in Hannover an. Das hier übersteigt unsere Zuständigkeit.«

      6

      Sonja Borgfeld öffnet die Tür des backsteinernen Reihenhauses in Burgdorf.

      »Du?«

      Überrascht mustert sie Felix. Die beiden sehen sich sonst nur selten. In der Pausenhalle des Gymnasiums, im Politikkurs oder bei den Treffen im Dorfkrug. Dort sitzt er stets in der letzten Reihe und sagt nichts. Trotzdem ist er mit seinen dunklen Locken nicht zu übersehen.

      |26|»Die haben schon ihre Fahne gehisst«, sagt Felix, außer Atem vom Sprint auf dem Fahrrad.

      »Woher weißt du das?«

      »Ich war draußen.« Felix lächelt Sonja stolz an. Mein Name ist Bond, Felix Bond. Er hatte getan, was getan werden musste. Seine Angst ist längst vergessen.

      »Komm ins Haus«, murmelt Sonja. Ich habe gerade einen Tee gekocht.

      Zufrieden hält Felix wenig später eine heiße Tasse Tee in der Hand, obwohl er lieber eine kalte Cola getrunken hätte. Immerhin steht er neben Sonja in der Küche, kann sie ansehen, mit ihr reden.

      »Mit wem warst du da?« Sonja trinkt den grünen Tee in kleinen Schlucken

      »Mit keinem.«

      »Du warst da allein?« Beunruhigt flattern Sonjas Augen hin und her. »Wir haben gestern gesagt, dass niemand alleine zu denen gehen soll.«

      Felix sieht sie überrascht an. »Wir haben aber auch gesagt, dass wir irgendwas unternehmen müssen, dass man nicht immer nur reden und lamentieren kann. Du vorneweg.«

      Stimmt. Sie ist es gewesen, die alle angestachelt hat, endlich etwas zu tun. Seit zwei Monaten gibt es jeden Freitag im Nebenzimmer des Dorfkruges diese Treffen: Einziges Thema ist das ehemalige Landschulheim hinter dem Segelflughafen, das in ein Schulungszentrum für die Partei der »Aufrechten Deutschen« umgewandelt werden soll. Sonja selbst geht die Idee mit den Mahnwachen nicht weit genug, aber immerhin soll der Protestauflauf schon Sonntag losgehen.

      »Hier.« Felix schaltet seine Digitalkamera an und hält sie |27|Sonja hin. »Überspiel das auf deinen Rechner, vielleicht können wir damit etwas anfangen.«

      »Komm mit in mein Zimmer.«

      Bücher stapeln sich in

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