Tödliche Offenbarung. Cornelia Kuhnert
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Читать онлайн книгу Tödliche Offenbarung - Cornelia Kuhnert страница 5
Sonja drückt auf den Startknopf ihres Rechners und schiebt einen zweiten Stuhl vor den Schreibtisch.
»Das dauert noch einen Moment, der Computer braucht immer ewig.«
»Ich hab Zeit.« Felix sieht Sonja direkt in die Augen. »Sind ja Ferien.«
Sonja senkt verlegen den Blick und sucht in der Schreibtischschublade nach dem Überspielkabel, von dem sie genau weiß, dass es hinter dem Stapel alter Zeitungen liegt. Als die Röte in ihrem Gesicht verflogen ist, zieht sie es dort hervor.
»Da ist es.«
Sie hält das Kabel mit einer triumphierenden Geste hoch.
»Dann leg mal los.« Ihre Stimme strahlt wieder ihre gewohnte Selbstsicherheit aus.
Auf dem Monitor erscheint kurz darauf das erste Bild. Vor |28|dem Flachdachgebäude flattern zwei Reichskriegsfahnen mit schwarzem Kreuz, in der Mitte ein Kreis mit Reichsadler, in der linken oberen Ecke das Eiserne Kreuz auf schwarz-weißrotem Hintergrund. Das nächste Bild zeigt den Blonden mit der 18 auf dem Rücken. Er spritzt mit einem Hochdruckreiniger die offene Ladefläche eines dunkelgrünen Autos ab. Ein Klick und der Blonde steht mit einem anderen rauchend vor der Tür.
»Die haben die ganze Zeit miteinander geredet. Sah fast aus wie ein Streit.«
»Konntest du was verstehen?«
»Nein, so dicht habe ich mich nicht herangetraut.«
Nicht herangetraut. Schon als Felix die ersten Worte sagt, würde er sich am liebsten ohrfeigen.
»So gegen halb zehn kam dieser Wörstein heraus und sagte etwas zu denen. Sah aus wie ein Befehl. Plötzlich hatten sie es ganz eilig. Die beiden sprangen in den Wagen und fuhren davon.«
»Schade, dass du nicht mehr verstanden hast.« Ihr Mundwinkel zuckt enttäuscht. »Vielleicht wüssten wir dann, was die vorhaben.«
Felix zoomt den Jungen heran, der das Auto gewaschen hat. Die Ärmel seines Sweatshirts sind hochgeschoben, auf dem Unterarm kann man eine Tätowierung erkennen. Ein roter gerader Strich von ungefähr zehn Zentimetern Länge mit jeweils einem Haken oben und unten.
»Sieht aus wie ein Angelhaken«, murmelt Felix und betrachtet das Foto genauer. »Siehst du das?«
Sein Zeigefinger deutet auf das Gesicht des einen Jungen.
Sonja kommt dichter an den Monitor heran und ihre |29|Köpfe berühren sich fast. Beide sehen auf die breite Nase des etwa Gleichaltrigen, die von kräftigen Augenbrauen eingerahmt wird.
»Hier.« Sonjas Finger schnellt hervor und streift Felix’ Arm. »Bei dem einen Schneidezahn fehlt die Ecke.«
Felix zuckt bei der Berührung zusammen. »An irgendwen erinnert der mich.« Er starrt auf den Monitor. »Wenn ich nur wüsste an wen.«
»Mir sagt das Gesicht nichts. Aber vielleicht wissen die anderen ja mehr. Wir bringen die Fotos mit den Fahnen ins Netz, dann werden wir ja sehen.« Sonja gießt Felix Tee nach. »Außerdem mobilisieren wir damit garantiert noch mehr.«
»Und wie stellst du dir das vor?«
»Was ist mit facebook?«
»Glaubst du ernsthaft, dass einer von denen zur Mahnwache kommt? Die hocken doch nur vorm Computer und chatten rum.«
»Täusch dich da nicht, Felix. Ali hat eine große Anhängerschar. Bei farmville ist er auf level 32. Er ist der erfolgreichste farmer unserer Schule.« Sonja geht auf den Flur und ruft: »Ali, komm mal. Wir brauchen dich.«
Nichts rührt sich.
»Ali«, schreit Sonja aus Leibeskräften.
Endlich öffnet sich in der oberen Etage eine Tür. Alexander Borgfeld, genannt Ali, steckt den Kopf heraus.
»Was ist? Will Papa was von mir oder ist Mama schon zurück?«
»Papa hat Dienst und ist früh aus dem Haus – und Mama sitzt bis heute Nachmittag bei Edeka an der Kasse.«
Die Tür fällt schon vor dem Ende des Satzes krachend ins |30|Schloss. Wie der Blitz schießt Sonja die Treppe zum Zimmer ihres Bruders hoch, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Mit einem Ruck reißt sie die Tür auf.
»Du musst uns mit dem Internet helfen. Wir haben da so eine Idee für facebook.«
»Sag das doch gleich.«
7
Eine Stunde später sind der Parkplatz und das Caddyhaus des Isernhagener Golfclubs nicht wiederzuerkennen. Überall stehen Polizeifahrzeuge. Rotweiße Flatterbänder sperren das Gelände großflächig ab. Borgfeld, Streuwald und die Kollegen aus Hannover haben alles routiniert gesichert. Die Leute von der Kriminaltechnik sind bereits eingetroffen und packen ihre Sachen aus. Borgfeld wundert sich über den Apparat, den einer vorsichtig vor dem Bauch trägt.
»Was ist das?«
»Unsere neueste Anschaffung. Nennt sich Spheronkamera. Teures Stück, wir behandeln sie wie ein rohes Ei.«
Stolz deutet Thomas Harms auf das Gerät, das Streuwald an die Flutlichtanlage eines modernen Fußballplatzes in Miniaturform erinnert.
»Und wozu ist die gut?«
»Während der Aufnahme dreht sich die Kamera um 360°. Jedes kleine Detail wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln erfasst, ohne dass dabei eine Spur verloren geht. Am Computer bauen wir aus Tausenden von Bildern anschließend den Tatort virtuell nach.«
|31|»Dann kann ja nichts mehr schief gehen.« Borgfeld mustert die Kamera misstrauisch. Virtueller Tatort! Die kommen auf immer neue Sachen in Hannover. Er dreht sich achselzuckend um. Sollen sie doch. Ein Anflug von Trotz macht sich in ihm breit. Er bleibt bei den alten Methoden und lässt den Platz auf sich selbst wirken, versucht ihn mit allen Sinnen zu erfassen. Manchmal spricht ein Tatort, hat ihm Hauptkommissar Max Beckmann bei der Untersuchung ihres letzten Falles erklärt, als eine Tote hinter dem Isernhagenhof gefunden wurde.
Borgfeld sieht sich um. Der Platz zwischen Schuppen, Geräteunterstand und Buschwerk wirkt freundlich, ausladende Äste werfen Schatten auf den Rasen. Vögel zwitschern, Amseln, vielleicht auch Spatzen. Borgfelds Blick wandert zur Bank. Der Tote trägt eine gepolsterte Lederjacke, Jeans und Cowboystiefel. Ziemlich warme Sachen für die heißesten Tage dieses Sommers. Eigentlich sogar ungewöhnlich warme Kleidung für dieses Wetter. Borgfeld wartet darauf, dass ihm etwas auffällt, dass er eine Schwingung wahrnimmt. Nichts. Er schließt die Augen, konzentriert sich und startet den zweiten Versuch. Wieder spricht nichts zu ihm. Vielleicht ist die Sache mit der Kamera doch gar nicht so schlecht.
Plötzlich tippt ihm jemand auf die Schulter.