Krampenfieber – Im Fangarm der Pimperbrille. Tobie Schmack
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Читать онлайн книгу Krampenfieber – Im Fangarm der Pimperbrille - Tobie Schmack страница 7
»DAS – MUSS – DOCH – HIER – RAUS – GEH’N!«
Sechsmal kräftig geruckt und mein Gesicht macht einen auf knallig lackierte Tomate, während sich der Rest meines Ichs auf »bedauernswerte Gurke« transformiert. Und nun? Irgendwas hat gerade geknackt. Nee, oder? Bitte nicht die Bandscheibe! Ein kurzes Rückspüren versichert mir, dass da alles in Ordnung ist, was mich motiviert, meine verinnerlichte Mission fortzusetzen.
»Na bitte!«, ploppt es erleichtert aus mir heraus.
Leider bleibt mir lediglich ein klitzekleiner Moment der Glückseligkeit, denn nun ist die Ladung in Bewegung und kommt wie eine Lawine eiskalt über mich. Okay, Zeit für das – von Zugreisenden so hochgeschätzte – sich leicht verspätende Frühwarnsystem, das leider für den Höchstgefährdeten ungehört bleibt.
»Kacke, der Typ unter mir pennt!«
Mit einem imposanten Ausfallschritt, der mir die Hosennaht entjungfert, bemühe ich mich um Stabilität, die sich in diesen Tagen nicht nur die Anleger diverser Börsenunternehmen so sehnlich wünschen. Wie auch bei denen ist hier nichts mehr kalkulierbar, aber ich nehme gern noch Wetten an. Und so kann ich nur zuschauen, wie die Lasche reißt und mir einer der Hüte mit den feinen Blätterfasern ins offene Auge fährt und mir jegliche Sicht nimmt. Der andere sticht mir unter der Last des Instruments in den Unterarm, weshalb ich diesen wegziehe und damit dem gesamten Packen freie Fahrt nach unten gebe. Während Hüte, Trommel und eine plötzlich zum Vorschein kommende Kameratasche auf den Boden prallen, springt mich nun mein Rucksack an, den ich, als ich auf den Müllwagen knalle, am Riemen zu greifen versuche. Dummerweise drückt sich die bisher als unproblematisch betrachtete Fechtermuschel mit fröhlichen drei Kilo Kampfgewicht durch den Reißverschluss und landet unsanft auf der Glatze von 19 d. Guten Morgen! Der ist nun wach, aber sowas von. Blutüberströmt schreit der nun alles zusammen. Ich wäre ihm echt dankbar, wenn er sich eine Minute genommen hätte, die Situation mal nüchtern zu analysieren. Hat er aber nicht, obgleich er so schlaftrunken nun wirklich nicht objektiv sein kann. Ob es klug von ihm ist, die Worte »Blut«, »Attacke« und Hilfe« jetzt so direkt, unmissverständlich bis tief in das Champagnersprudeln der ersten Klasse hinein fühlbar, in den Raum zu drücken, darüber lässt sich vortrefflich streiten, was auch dessen Frau meint, die sich nun wild gestikulierend in unseren Disput einklinkt. Macht die gerade Gebärdensprache? Okay, er hat ein Loch im Kopf und sie beschimpft mich mit gefingerten Untertiteln. Mein vermittelndes »Das bisschen Blut …« beruhigt sie keineswegs. Gut, was soll sie auch antworten. Überdeutlich verlangt sie nach Hilfe und winkt mit theatralischer Geste das Flugpersonal heran. Kurz darauf baut sich hinter mir ein Sixpack aus blauen Kostümchen und straff gelegten Stoffhalsbändchen auf, deren Chef-Schlumpfine ich über die sprachlose Gattin der Platzwunde aufkläre und zeitsparend mit »Stewardess« anquatsche. Sie wiederum nutzt die Gelegenheit, ihren Beruf ins rechte Licht zu rücken.
»Also, erstens heißt das Flugbegleiterin, Sie Machoschwein. Und zweitens sagen Sie mir kurz, wie Sie heißen?«, rattert sie bestimmt, aber noch im Grundsatz freundlich Seite eins des Störfallprotokolls herunter.
Guck mal an, das Kostüm kann deutsch! Dumm nur, dass in dieser Situation mein selbst diagnostizierter Sexmangel in einer launisch-riskanten Diskussionsfreudigkeit mündet. Immerhin habe auch ich meine klaffenden Wunden soeben um Haaresbreite überlebt.
»Ja, dürfen Sie, aber ich denke, die Blutung wird dadurch nicht ins Stocken geraten. Falls Sie also gerade nichts anderes vorhaben, könnten Sie einen Arzt ranholen. Oder kleben Sie das hier gewöhnlich mit Mutti-Spucke, Miss Poppins?«
In welchem Seminar sie gelernt hat, dass Konfliktmanagement am besten mit einer saftigen Beleidigung gereicht wird, werde ich sicher nie erfahren. Dafür aber, wie lange sie schon bei der Airline ist. Ja, es lässt sich deutlich an ihren feurig schimmernden Pupillen erkennen, dass sich da einiges angestaut hat. Was das jetzt mit der von mir verursachten Muschelattacke und dem scheinbar nun verblutenden Mittfünfziger zu tun hat, bleibt mir vorerst schleierhaft. Ich lenke die Aufmerksamkeit auf das jaulende Anschlagsopfer. »Tschuldigung, der Mann bricht uns hier gleich weg. Der schaut doch schon aus wie Sichtbeton. Der hat hier schon alles eingesaut. Selbst in Reihe fünfzehn sind Spritzer.«
Nur um sicherzugehen, beuge ich mich zu ihm hinunter.
»Aids haben Sie nicht, oder?«
Nein, hat er nicht, aber museumsreifen Karies und Mundgeruch im fortgeschrittenen Stadium sowie nicht zu leugnenden steigenden Blutdruck. Wenn Blicke töten könnten! Da die Stewardess nun wieder ansetzt, mir bunt bebildert ihren Lebenslauf zu schildern und mit propagandaartig wiederholtem »Wir werden hier alle maßlos unterschätzt« aufzuspritzen, schreite ich selbst zur Tat und frage Reihe für Reihe nach, ob sich in die Maschine vielleicht auch ein Arzt verirrt hat. Es soll ja auch Mediziner geben, die in die Dom-Rep fliegen. Und bei über zweihundert Passagieren ist die Chance statistisch nicht gering. Irgendwie will keiner so recht bei der Rettung des Verletzten mitmachen, denn das Fress-Beschäftigungsprogramm läuft auf vollen Touren und bindet alle Kapazitäten der mampfenden Bordinsassen. Egal ob Pasta oder Hühnchen, kalt schmeckt’s auch nicht besser. Möglicherweise sind ein paar Leute tendenziell etwas angeekelt von meinem blutgetränkten Ärmel.
Ganz vorn meldet sich doch noch jemand. Endlich! Hätte mich auch sehr gewundert, wenn … Nachdem ich mich durchgekämpft habe, entpuppt sich die bisher gehobene Hand als Körperteil eines Sonnenbrandjunkies. Hört, hört! Man sei Physiotherapeut, erfahre ich und ich versuche klarzumachen, wen ich dringend suche. Zeit, etwas zu klären.
»Hey, ich sagte ›Arzt‹. Der Mann hat keine Verspannung, der hat ’ne Eins-a-Platzwunde und kleckert meine Freundin voll. Das sieht echt nicht schön aus. Also, meine Freundin schon, aber der Rest nicht. Was also soll ich mit ’nem Massage-Fuzzi?«
Neben den Blutfleck am Ärmel gesellt sich nun etwas Pastabelag, als der Herr sich der Überbleibsel seines Nudelgerichts an meinem stressgebügelten Hemd entledigt. Ich folge dem freundlich vorgebrachten Vorschlag und sehe zu, dass ich Land gewinne. Zurück am Platz finde ich mich als Zuschauer wieder, weil bereits ein echter Arzt an der Wunde herumdoktert und sich dabei mit merkwürdig intensivem Einsatz mit Delia unterhält, deren bestialische Kopfschmerzen wie von Wunderhand schlagartig verflogen sein müssen. Schön, wenn man vermisst wird. Da war ich mal kurz auf dem Schlachtfeld der Ehre unterwegs, um ein Leben zu retten, und die Zurückgelassene vergnügt sich mit dem Sanitäter. Zu meinem Pech muss ich zugeben, dass der Typ echt sympathisch wirkt und sein Verband beeindruckend professionell daherkommt. Um sowas wie ein Gespräch zu entwickeln, frage ich ihn, ob ich helfen kann.
»Nein danke! Ich hab alles im Blick«, ertönt es mit basslastiger Stimme.
Ja, das merke ich. Und dass man beim Verbinden einer aufgerissenen Glatze gierig in den Ausschnitt der nächstbesten Unfallzeugin stiert, das nennt mal wohl qualitätsgesichert, wie? Das gefällt mir alles nicht. Ich stehe dumm im Gang herum, die Stewardess organisiert den nächsten Streik, der Doc baggert Delia an und die Drohungen der Blutglatze, dass das alle noch ziemlich teuer für mich werden wird, sind für meine wachsende Eifersucht nicht gerade hilfreich. »Nein, ich habe auch keinen Anwalt, und schon gar keinen Billig-Rechtsschutz-Fallschirm, aber danke für den Tipp!«, kontere ich leicht genervt.
»Könnten