Schlacht um Sina. Matthias Falke

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Schlacht um Sina - Matthias Falke

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Mal im Geometrieunterricht begegnet waren, bestand die Gefahr, dass sie sich verplapperte. Die eigentliche Pointe ihrer Bemerkung musste dem Sekretär ohnehin verborgen bleiben: er konnte nicht ahnen, dass sie allein einen Ikosaeder und einen sinesischen Jägerverband ausgetrickst hatte. Aber darum ging es gar nicht. Wenn Kauffmann Witterung davon bekam, dass unsere Überlegungen gar nicht defensiver Natur waren, konnten wir augenblicklich einpacken. Man würde uns eher noch einsperren als unterstützen.

      »Die Verteidigung des erdnahen Raumes«, beeilte ich mich zu sagen, »ist damit sichergestellt. Eine Aggression wird zurückgeschlagen werden.«

      Kauffmann blickte irritiert zwischen Jennifer und mir hin und her. Offenbar hielt er uns beide für mitgenommen von all dem, was wir mitgemacht hatten. Als er meine anerkennenden Worte hörte, heiterte seine verunsicherte Miene sich auf. Er machte Anstalten, zum Fahrstuhlschacht zurückzukehren, aber Jennifer nahm das nicht zur Kenntnis. Sie stolzierte am Geländer auf und ab und inspizierte weiter die darunter geparkte Jägerflotte.

      »Es geht hier nicht um Heimatschutz«, knurrte sie zwischen den Zähnen, als sie auf ihrer Wanderung an mir vorbeikam.

      »Halt bloß die Klappe«, zischte ich. »Wenn er davon Wind bekommt, können wir einpacken!«

      Sie lachte hell auf, lehnte sich über die Stahlstange und starrte in die Tiefe. Ich wollte gar nicht wissen, welches Szenario vor ihrem geistigen Auge ablief. Würde sie es fertigbringen, dieses ganze Geschwader, das Unsummen gekostet haben musste, ins Feuer zu schicken? Es in einem Gefecht zu opfern? Wie absurd war doch der moderne Krieg, der nur noch von der technischen Rüstung und nicht mehr von der Tapferkeit der Soldaten entschieden wurde. Im Grunde traten die Manufakturen und Fabriken, die Waffenschmieden und Labors, die Geschützgießereien und Munitionshersteller gegeneinander an. Dass all das im Kampf aufeinander losgelassen wurde, war von hier aus gesehen nebensächlich. Wer in der Entwicklung der neuesten Waffensysteme die Nase vorne hatte, wer die größten Massen herzustellen vermochte, wer über Rohstoffe, Logistik, Arbeitskraft und Ingenieurswissen verfügte und sie am rücksichtslosesten ausbeutete, entschied den Konflikt für sich. Alle das wurde nur geschaffen, um zerstört zu werden.

      *

      Der Chronist

      Die Geschichte ist eine Geschichte der Kriege; und die Geschichte der Kriege ist eine Geschichte der Kriegswirtschaft. Seit alters her geht es um Nachschubwege und Versorgungslinien. Um die Ernährung und Ausstattung der Truppe. Um die Beschaffung, den Transport, die Bereitstellung des Materials, das zur rechten Stunde am rechten Ort sein und auch funktionieren muss. Zwanzigtausend eigens geschneiderte und geschmiedete Rüstungen fanden ihren Weg von den makedonischen Manufakturen über tausende Kilometer zum Kriegsschauplatz des verbissenen und verlustreichen Baktrienfeldzuges. Dreitausend Panzer neuen Typs, eilig unter Kriegsbedingungen entwickelte Tiger und Panther, wurden im dritten Sommer des Russlandfeldzuges an die Front gekarrt. Die meisten von ihnen wurden innerhalb weniger Tage, auf dem Höhepunkt der Schlacht von Kursk, zusammengeschossen. Unersetzliche Werte gingen verloren, unwiederbringlich, denn ein solcher industrieller und logistischer Kraftakt war nicht noch einmal zu bewältigen. Dass nebenbei auch einige zehntausend Mann getötet wurden, fiel unter diesem Gesichtspunkt wenig ins Gewicht. Menschen, um sie in Massen totzuschießen, gab es noch immer genug. Aber man kann sie nicht unbewaffnet oder mit dem Karabiner in der Hand gegeneinander anrennen lassen. Und am Ende behält der die Oberhand, der die größeren Kapazitäten der Stahlerzeugung, der Rohstoffgewinnung, des Energiezuflusses in seinen Einflussbereich gebracht hat. Im Grunde könnte man es bei einer Leistungsschau der heimischen Industrien bewenden lassen. Wer die höheren Stückzahlen, die bessere Qualität, den rascheren Durchsatz vorzuweisen vermag, bekommt den Preis zugesprochen. Leider geben sich die kriegführenden Parteien damit in der Regel nicht zufrieden. Sie müssen die Probe aufs Exempel machen. Erst wenn der Säbel nicht mehr an der Wand hängt, sondern am gegnerischen klirrt, zeigt sich, aus welchem Stahl er wirklich geschmiedet ist.

      *

      In diesem Sinne erfüllte der Anblick dieser nagelneuen, auf Hochglanz polierten Armada mich mit Melancholie. Sie war irrational, denn ebenso unsinnig wäre es gewesen einem Tank voller Plasma nachzutrauern, weil es zur thermischen Verbrennung bestimmt war, oder um eine Halle voller Saatgut zu weinen, weil es auf die Felder ausgebracht werden würde. Und vor allem war sie menschenverachtend, denn sie galt dem Material, aber in jeder Maschine, die zerstört werden würde, würden zwei, bei den schweren Bombern vier Mann den Tod finden. Unterschwellig hatte ich mir die Sichtweise eines Feldherrn zu eigen gemacht: Menschen waren am einfachsten zu ersetzen. Ein neues Bataillon war schneller auszuheben als auch nur eine Tonne Titanstahl. Allerdings war es in einem modernen hochtechnisierten interstellaren Krieg nicht ganz so einfach.

      Während Jennifer und ich unseren düsteren Gedanken nachhingen, stand Kauffmann unschlüssig abseits. Er räusperte sich ab und zu in dem halbherzigen Versuch, unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und uns zum Gehen zu bewegen. Sein Gesichtsausdruck war besorgt. Offenbar bereute er es bereits, uns hierher geführt zu haben.

      »Wie steht es um die Mannschaften?«, fragte ich. »Diese Maschinen fliegen nicht von alleine, zumindest nicht in einem Raumgefecht unter Echt-Bedingungen.«

      Der Sekretär griff die Frage dankbar auf. Er setzte eine Plaudermiene auf und schickte sich an, ganz beiläufig den Rückweg einzuschlagen, als wolle er uns die Details im Fahrstuhl auseinandersetzen. Aber weder Jennifer noch ich rührten uns von der Stelle, und so musste er wohl oder übel die paar Schritte, die er schon gegangen war, wieder zurückkommen.

      »Wir bilden in großem Umfang Besatzungen aus«, sagte er. »Aus Gründen der Geheimhaltung findet diese Ausbildung ausschließlich hier unten, an KI-Simulatoren statt.«

      Jennifer verzog verächtlich das Gesicht. Sie stieß sich vom Geländer ab und kam auf Kauffmann zu. Dabei strahlte sie eine solche Entschlossenheit aus, dass der Sekretär unwillkürlich zurückwich.

      »Simulatoren«, stieß sie hervor. »Auch der beste KI-Simulator kann keine Echt-Bedingungen herstellen. Der Pilot weiß, dass er sich in einem HoloFeature befindet und dass es nicht um sein Leben geht. Haben Sie auch Männer mit Gefechtserfahrung?«

      Kauffmann wand sich.

      »Wir haben einige Piloten, die noch in der alten Flotte gedient haben. Unter den Ausbildern sind Veteranen von Persephone!«

      Das war der letzte Trumpf, den er im Ärmel hatte. Er spielte ihn sehr ostentativ. In Jennifers Augen war er allerdings kaum halb soviel Wert wie nach Kauffmanns eigener Meinung.

      »Ausbilder, Veteranen, Simulatoren.« Sie stöhnte. Mit eigentümlichem Gesichtsausdruck musterte sie die matt schimmernde Armada in ihrem unterirdischen Hangar. »Am Ende werde Sie unerfahrene Kinder ins Feuer schicken, die sich in die Hose machen, wenn ein scharfer Schuss auf sie abgegeben wird!«

      Kauffmann zuckte die Achseln. Er konnte sich Männer und Frauen, die den bitteren und stimulierenden Geschmack der Todesgefahr gekostet hatten, nicht aus den Rippen schneiden. Und über Krieg und Frieden zu befinden, lag außerhalb seiner Kompetenz. Sein routiniertes Lächeln, das immer müder und angestrengter wurde, schien das auszudrücken.

      »Kommen wir zu etwas anderem.« Jennifer fixierte Kauffmann, der sich gepeinigt unter dem Zugriff ihres mitleidlosen Blickes wand. »Ich benötige ein paar wirklich gute Techniker. Können Sie mir einige vertrauenswürdige WO’s mit mathematischer Begabung nennen?«

      Kauffmann sah irritiert zwischen ihr und mir hin und her. Ich ahnte, worauf sie hinauswollte, und versuchte ihr Zeichen zu machen, sich am Riemen zu reißen.

      »Ich verstehe nicht«, stammelte der Sekretär.

      Jennifer

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