Der Duft von Pfirsichen. Denise Hunter
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Читать онлайн книгу Der Duft von Pfirsichen - Denise Hunter страница 3
„Ich hätte nie gedacht, dass es ausgerechnet ihr Herz sein würde“, sagte Zoe.
„Ja, das stimmt. Sie wirkte fit wie ein Turnschuh. Gerade letzte Woche noch kam ich in die Scheune, und da stand sie hoch oben auf einer Fünf-Meter-Leiter. Ich habe sie gefragt: ‚Was machst du denn da oben, Granny Nel?‘, und sie antwortete: ‚Ich wechsele eine Glühbirne.‘ ‚Komm bloß da runter‘, habe ich gesagt, ‚du bist ja vier Meter hoch über dem Boden!‘ Und sie antwortete: ‚Was die perfekte Höhe ist, um diese Glühbirne auszuwechseln.‘“
Zoe grinste wehmütig. „Klingt ganz nach ihr.“
Reue wütete in ihr wie eine Sturmflut im Frühling. Zoe war von zu Hause weggegangen, weil sie geglaubt hatte, sie hätte Granny und alle anderen enttäuscht. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass ihr Weggang selbst die größte Enttäuschung überhaupt sein würde. Die Reue drohte, sie in die Tiefe zu ziehen, aber sie kämpfte darum, an der Oberfläche zu bleiben. Das tat sie häufig in letzter Zeit. Eines Tages würde sie den Kampf verlieren.
Hope drückte Zoes Unterarm. „Hey. Jetzt reicht es aber mit den traurigen Augen. Granny Nel hätte nicht gewollt, dass du ihretwegen heulst.“
Zoe blinzelte die Tränen weg und schaute von Hope zu den Autos, die immer noch eintrafen. Sie ließ den Blick über die Menschenmenge schweifen, während Hoffnung und Grauen in ihr um die Oberhand rangen. Schnell wandte sie sich wieder ihrer Freundin zu.
„Du hast recht. Erzähl mal, was hier so los ist. Wie geht es dir? Was habe ich verpasst?“
„Ach, du kennst doch Copper Creek. Hier ändert sich nicht viel. Ich mache immer noch meine Radiosendung und arbeite am Wochenende im Rusty Nail.“
„Du bist viel zu bescheiden. Ich habe im Internet einen Artikel gesehen, in dem stand, dass ,Living with Hope‘ immer beliebter wird. Du hast einen Preis gewonnen, oder?“
Hope antwortete mit einem Schulterzucken. „Ich liebe, was ich tue. Aber das ist nur ein Lokalprogramm.“
„Nicht mehr lange. Du bist auf einem guten Weg, meine Liebe.“
„Das werden wir sehen. Aber wie steht’s bei dir?“ Hope stupste sie mit dem Ellbogen in die Seite. „Vorprogramm für richtig coole Bands und so.“
Kyles Band, Brevity, war die Vorgruppe für einige berühmte Künstler gewesen. Das war schon etwas Besonderes gewesen, vor so einem großen Publikum aufzutreten.
„Na ja, ich bin ja nur Backgroundsängerin.“
„Also bitte! Dein Gesang ist umwerfend. Weißt du was, Last Chance spielt morgen Abend im Rusty Nail. Mit denen solltest du ein paar Lieder singen.“
„Oh, so lange bleiben wir aber gar nicht. Nach der Beerdigung fahren wir wieder.“
Hope schaute überrascht. „Machst du Witze? Du bist doch gestern Abend erst angekommen. Ich habe fast fünf Jahre darauf gewartet, dass du mal wieder vorbeischaust.“
„Tut mir leid. Wir haben einen Auftritt, für den wir zurückmüssen.“ Und so schön es auch war, wieder mit Hope zu reden und sich gegenseitig auf den neuesten Stand zu bringen − es gab auch andere Leute, die sie weit weniger gerne sehen wollte.
Die Nachzügler trudelten im Zelt ein, eine kleine Gruppe von Menschen in gedeckten Farben. Es war beinahe an der Zeit, anzufangen.
Sie drückte Hopes Hand. „Ich muss los. Wir reden später.“
Sie wandte sich um, strebte über den unebenen Weg zum Zelt und wäre beinahe gestolpert, als ihr Blick auf die Person fiel, nach der sie Ausschau gehalten hatte.
Cruz Huntley hatte noch nie besser ausgesehen. Sein frisches weißes Hemd bildete einen schönen Kontrast zu seiner puerto-ricanischen Hautfarbe, und die Anzugsjacke betonte seine breiten Schultern. Genau in dem Moment sah er auf. Der Blick aus seinen dunklen Augen durchbohrte sie förmlich.
Ihr Herz schlug wie eine Basstrommel in ihrer Brust, während sie seinem Blick einen langen, schmerzhaften Moment lang standhielt. Erinnerte er sich an die letzte Beerdigung, die sie zusammen besucht hatten? Und an alles, was sonst an jenem Tag geschehen war?
Seine Lippen verzogen sich zu einem dünnen Lächeln.
Sie riss sich los. Fixierte den weißen Sarg, der im Zelt aufgebaut war. Konzentrierte sich auf die Farbexplosion des Blumenschmucks, der auf dem Sarg arrangiert war. Schüttelte sich Cruz aus den Gedanken. Daran würde sie heute nicht denken. Mal davon abgesehen, dass sie ihn seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte. Mal davon abgesehen, dass er ihr einmal das Herz gestohlen hatte – nur, um es anschließend gründlich zu brechen.
Du bist ein dummes Gör, Zoe.
Im Zelt setzte sie sich auf einen Stuhl zwischen ihren Bruder und Dad. Sie versuchte, die Kälte, die ihr Vater ausstrahlte, zu ignorieren. Im Beerdigungsinstitut hatte sie versucht, ihn zur Begrüßung zu umarmen, aber er war in ihren Armen nur steif geworden. Sie war zurückgewichen. Seine Zurückweisung traf sie wie ein Stachel, der sich immer weiter in sie bohrte.
Dad war noch nie Grannys größter Fan gewesen. Seine Schwiegermutter war für seinen Geschmack viel zu munter gewesen und hatte Zoes Streben nach Unabhängigkeit nur bestärkt. Das war immer schon ein Streitpunkt zwischen den dreien, was nach dem Tod von Zoes Mutter nur schlimmer geworden war.
Aber sie würde jetzt nicht über der Beziehung zu ihrem Dad brüten. Heute ging es um Granny. Darum, sie zu ihrer letzten Ruhe zu betten.
Zoe leerte ihre Lungen und ließ den Gedanken sacken. Ließ zu, dass der Schmerz in ihrer Brust anschwoll, bis er sich nach außen Bahn brach. Als spürte er die Welle des Schmerzes, die sie überkam, drückte Brady ihre Hand. Sie drückte zurück.
Granny ist nicht mehr da.
Der Gedanke traf sie wie ein Vorschlaghammer, als Pastor Jack nach vorne ging, um ein paar letzte Worte zu sagen. Ihre Großmutter war nicht mehr da. Und mit ihr war auch die Liebe weg, die Zoe selbst aus der Ferne noch begleitet und gestärkt hatte.
Irgendwie fühlte sich das unwirklich an. Irgendwie hatte sie gedacht, Granny würde sie alle überdauern. Aber nichts hielt für immer. Nicht einmal die Liebe.
KAPITEL 2
Weniger als fünf Jahre waren vergangen, seit Zoe ihn verlassen hatte, aber Cruz war sich nicht sicher, ob er sie auf der Straße erkannt hätte. In sich zusammengesackt, saß sie zwischen ihrem Bruder und ihrem Vater auf der Seite zum Grab hin unter dem Zeltdach. Ihr Haar, einst rotbraun, war jetzt blond, und ihre Naturlocken waren zu geschmeidigen Wellen gezähmt worden, die im Märzwind flatterten.
Cruz ging um die Grabsteine herum und gesellte sich zu der immer größer werdenden Gruppe der Besucher. Nachdem die Arbeit ihn länger aufgehalten hatte als geplant, war er verspätet zur Trauerfeier gekommen und hatte in der Kirche ganz hinten gesessen. Er hatte der Familie noch nicht sein Beileid ausgesprochen.
Einen Augenblick später begann Pastor Jack mit dem Bestattungsgottesdienst. Er sprach laut, damit seine Stimme auch diejenigen ganz hinten in der Menschenmenge erreichte. Nellie Russel war ein Liebling der ganzen Stadt gewesen. Eine resolute Frau mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.