Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Erhard Heckmann

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Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt - Erhard Heckmann

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Rasse „Thoroughbred“ gewaltig verbessert und zu einer neuen, sich über alle anderen Pferderassen erhebenden eigenen Rasse entwickelt hat, deren Markenzeichen Speed (Schnelligkeit) ist. Und in diese Entwicklung flossen auch Faktoren ein wie der Import von „Speed“ zur Jahrhundertwende aus den USA, die Inzucht auf St. Simon, die sich auch in den beiden mächtigen klassischen Vererbern des 20. Jahrhunderts, Hyperion und Nearco, zeigte. Auch der Einfluss so großer Stallions wie Phalaris und Blandford, die Etablierung des englischen Nationalgestüts, das Spitzenhengste aufstellte, Geldspritzen aus den Wettumsätzen und anderen Quellen in den Sport, moderne Erkenntnisse zu Fütterung, Aufzucht, Training, Veterinärmedizin oder Geläufspflege dürften sich auf dem Weg zum „vollendeten Vollblüter“ ebenso positiv ausgewirkt haben, wie die US-Hengste, die in den 1960er Jahren nach England kamen, oder die 1969 eingeführten Gruppen-Rennen und die Globalität, die Zucht und Sport erfasste. Wenn auch die Zucht keinen mathematischen Formeln folgt, das heutige Rennpferd entwicklungsmäßig vielleicht fast „ausgereizt“ ist, so dürfte es aber auch in der Zukunft Pferde geben, die, wie zuletzt ein Frankel, immer noch einen Tick genialer sind, als der beste Vorgänger. Und wenn sich diese wunderbaren Geschöpfe mit ihren Champions auch weiterhin „nur“ so präsentieren, wie das inzwischen der Fall ist, dann müsste man doch eigentlich voll zufrieden sein, zumal das Spiel der Gene ohnehin in jeder Generation für neue Spannung sorgt.

      Für die frühe Importation von „Speed“ steht der 1892 geborene Topsprinter und Lexington-Urenkel Americus, dessen väterlicher Urgroßvater auch der Vater seiner Großmutter war. In Amerika lief er als Rey del Carreres. Die neue Heimat gab ihm einen neuen Namen, und er England 1905 seine Tochter Americus Girl. Und diese Fuchsstute wurde Vorfahrin einer brillanten Sprinterlinie-Linie des 20. Jahrhunderts, an deren Spitze mit Mumtaz Mahal, „the flying filly“, stand, die The Tetrarchs beste Tochter war. Die gesamte Nachkommenschaft dieser Schimmelstute, die eine der einflußreichsten Pferdedamen in der Vollblutzucht wurde, besaß Geschwindigkeit. Lexingtonblut trugen auch Sibola (Ur-Ur-Großmutter von Nearco) und Rhoda B, die Mutter von Orby, dessen Stehvermögen gerade ausreichte, um 1907 die Derbys von England und Irland zu gewinnen. 1908 wurde Americus in Irland als Hauptbeschäler für das Trakhener Hauptgestüt gekauft, wo er schon im Frühjahr 1909 an Darmriss einging.

      Den offiziellen Begriff des „klassischen Rennpferdes“ gibt es nicht, doch waren und sind es die „klassischen Rennen“, die die jeweils dreijährige Hengst- und Stutenelite über unterschiedliche Distanzen prüfen und der Zuchtauslese dienen, auch wenn heute noch viele andere, internationale Großereignisse ebenfalls eine Rolle spielen. Und unter „Classic“ werden höchster Standard, berühmt für lange Existenz und Excellence, verstanden. Und lange bevor kommerzielle Interessen den „Turf“ zur Industrie machten, waren diese Rennen, die auch zur englischen Tradition gehören, längst etabliert, und ihre Sieger sind die Elite unter Tausenden von Vollblütern. Den Anfang machte das „St. Ledger“ 1776 (2.900 Meter im September zu Doncaster); die „Oaks“ folgten Anfang Juni 1779 über 2.414 Meter zu Epsom wie das „Derby“, das ein Jahr später Premiere hatte. In den ersten vier Jahren führte es über eine Meile, danach war es die gleiche Distanz, die in den „Oaks“ zu laufen ist, eineinhalb Meilen. 1814 und 1809 wurden die „1000 und 2000 Guineas“ zu Newmarket eingeführt, die beide im April jeweils über eine Meile führen. Die „Oaks“ und die „1000 Guineas“ sind nur den Stuten offen, der Rest beiden Geschlechtern, wobei Stuten gegenüber Hengsten einen Gewichtsnachlass erhalten. Und eine alte englische Turfweisheit besagt, dass das „früheste“ Pferd die 2000 Guineas gewinnt, das Beste das St. Ledger und das glücklichste das Derby. Wem der Wurf 2000 Guineas, Derby und St. Ledger gelingt, der hat die seltene „Dreifache Krone“ gewonnen. In England war West Australian 1853 der erste Sieger der „Dreifachen“, und Nijinsky 1970 unter Lester Piggott der letzte der insgesamt 15 Vollblüter, denen das auf der Insel gelang. Amerika, das bis Ende 2016 auf 12 Sieger kam, startete 1919 mit Sir Barton, während Affirmed 1978 das vorletzte Pferd war, dem der amerikanische Durchmarsch im Kentucky Derby, den Preakness- und Belmont Stakes gelang, bevor das 2015 auch American Pharoah konnte. Seit 1875, als das Kentucky Derby vom Start kam – die Belmont- und Preakness Stakes wurden schon 1867 und 1873 etabliert – wollten bis inklusive 2015 4.180 Pferde diese „Dreifache“ gewinnen. 289 von ihnen konnten sich in einer, und 52 in zwei der drei Prüfungen durchsetzen. Als Pechvogel könnte man vielleicht Pillory bezeichnen, der 1922 gar keine Chance hatte, alle drei Rennen zu gewinnen, denn in jenem Jahr wurden Derby und die Preakness Stakes am gleichen Tag gelaufen. Eine Ausnahme war 1978 auch Alydar, der in allen drei Rennen als Zweiter von Affirmed um insgesamt zwei Längen geschlagen war. Dieser Raise A Native-Sohn, der von 26 Starts 14 gewann und zehn Plätze belegte, auf der Bahn eine knappe Million Dollar verdiente und 1990 bei den amerikanischen Vererbern an der Spitze stand, musste schon im gleichen Jahr wegen eines mysteriösen Beinbruches auf der berühmten Calumet Farm eingeschläfert werden.

      In Europa ist die „Dreifache“ in den letzten Jahren seltener geworden, weil der Steher nicht mehr die Rolle wie in früheren Jahren spielt und das frühreife Pferd bevorzugt wird. Und damit hat auch das St. Ledger nicht nur für den Züchter an Bedeutung verloren. Die meisten Pferde sind inzwischen auf bestimmte, kürzere Distanzen spezialisiert, und ein Derbysieger hat in unseren Tagen zusätzlich attraktivere und höher dotierte Möglichkeiten als das St. Ledger. So den Prix de l’Arc de Triomphe zu Paris, das Cox Plate in Australien, den Japan Cup, die Breeders Cup Rennen in den USA, das Dubai Welt Cup-Meeting, die Internationalen Rennen zu Hong Kong im Dezember und weitere Großereignisse. Wenn auch manche Renndaten, zu früh oder zu spät im Jahr, nicht so recht in das europäische Programm passen, so sind doch die Auswahlmöglichkeiten erheblich umfangreicher geworden als in jenen Tagen, als das St. Ledger neben dem Derby die Hauptrolle spielte. Der letzte Derbysieger, der die Dreifache Krone Englands gewinnen wollte, war der in Irland trainierte zweifache Derbysieger und Montjeu-Sohn Camelot, der 2012 als in fünf Rennen Ungeschlagener im Doncaster St. Ledger (500.000 Pfund) antrat, aber Encke, dem „Erzrivalen“ aus dem Godolphin-Stall, den Vortritt lassen musste. Und so bleibt der in Irland trainierte Kanadier Nijinsky der letzte „Europäer“, der die Englische Triple Crown 1970 gewinnen konnte. Bis er sie damals als Nächster gewann, waren 35 Jahre vergangen, doch musste Amerika noch 24 Monate länger warten, ehe es 2015 seinem American Pharoah als „jüngstem“ Triple Crown-Sieger wieder zujubeln konnte.

      Gewünschte Frühreife und die Bevorzugung der neuen Großereignisse führten auch dazu, dass das St. Ledger als ältestes klassisches Rennen in einigen Ländern an Attraktivität so viel verlor, dass es dort schon vor mehreren Jahren auch für ältere Pferde geöffnet wurde, denn der Stehertyp ist längst vom Mitteldistanz-Pferd verdrängt, womit dieses Rennen auch seine ursprüngliche Aufgabe als Härtetest für den Derbyjahrgang verloren hat.

      In England war es ganz besonders Sir Charles Bunbury, der als erster Chef des Jockey Clubs diesen „kultivierte“ und verantwortlich war für die Änderungen, die den britischen Rennsport revolutionierten. Auf ihn gehen auch die Oaks und das Derby zurück, denn beide entstanden nach Diskussionen beim Dinner in seinem Epsom-Haus „Oaks“ mit dem 12. Earl of Derby. Als der Name mit einem Münzwurf für letzteres gesucht wurde, gewann zwar der Earl, doch der erste Derby-Sieger, Diomed, kam aus der Zucht und dem Besitz von Sir Charles Bunburry. Dessen Stute Eleanor, deren Vater Whiskey ein Eclipse-Enkel war, wurde 1801 auch die erste Stute, der das Doppl Derby und Oaks gelang. 1804 schlug sie an Quiz (Buzzard) den St. Ledger-Sieger von 1801, der ebenfalls ein sehr gutes Rennpferd war, jedoch keine 29 Rennen gewann wie Sir Charles Bunburys Stute, die bis siebenjährig im Training war. Blink Bonny (1854; Melbourne), Signotinetta (1905; Chaleureux) und Fifinella (1913; Polymelus) gewannen nach ihr jenes Doppel ebenfalls. Letztere gewann ihr Kriegs-Derby zu Newmarket, bei dem Jockey J. Childs mit dieser äußerst launischen Diva zunächst erhebliche Schwierigkeiten hatte, ehe sie urplötzlich mit vernichtendem Speed gewann. Zwei Tage später in den Oaks war sie brav wie ein Lamm und gewann mit überlegener Leichtigkeit. Nach acht Starts und vier Siegen hatte die Dame am Rennen kein Interesse mehr, ging in die Zucht und gab nur ihrem Sohn von Hurry On, Press Gang (1927), der später nach Russland exportiert wurde, etwas von ihrem Können mit. Signorinettas Züchter und Besitzer war der in Newmarket lebende Italiener E. Ginistrelli, der die Chaleureux-Tochter aus der St. Simon-Stute Signorina „erhielt“, denn sie soll das Produkt

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