Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Erhard Heckmann

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Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt - Erhard Heckmann

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die eine Urenkelin der Verdict war. 1970, im Band 36, konnte Lavant mit ihren Produkten dennoch aufgenommen werden, denn diese Linie hatte bewiesen, was im korrigierten Paragraphen zusätzlich gefordert war, dass sie inzwischen der Definition und den Leistungen eines Vollblüters entsprach. 1965 und 1968 gehörten Lavants Söhne Lucasland und So Blessed, der ein Jahr früher schon der schnellste Zweijährige in England war, zu den absoluten Top-Sprintern. Lavant war, wie ihre Mutter Firle, selbst Siegerin, und die Großmutter Versicle zählte zu ihren acht Erfolgen sogar den Coronation Cup. Und Verdict, nach der diese Familie benannt ist, brachte die Linie bereits mit Quashed (Oaks und Ascot Gold Cup) und Thankerton (Dritter in den 2000 Guineas und im Derby) in Gang. Die eine dubiose Stute in Lavants direkter Mutterlinie war eine etwa 1837 geborene Tochter von Perion (2. im Derby 1832) der von Derbysieger Whisker stammte; die andere kam über Verdict’s Vater Shogun ins Spiel, der vom General Stud Book ausgeschlossen war, weil seine 7. Mutter, die von Rosedon stammende, etwa 1812 geborene Rosedon Mare, auf der mütterlichen Seite keine identifizierbaren Vorfahren besaß. Lavant selbst konnte in ihrer Stutenlinie zwar zehn Vollblutkreuzungen nachweisen, und nur die entfernteste, die zehnte war dubios, weil die von Perion gedeckte Stute unbekannter Abstammung war. Rein theoretisch spielte das aber keine Rolle, denn die ersten sieben Kreuzungen waren schon automatisch hinfällig, da der Vater von Verdict, Shogun, die Sequenz dadurch unterbrochen hatte, weil seine siebte Mutter, Rosedon Mare“ aus einer unbekannte Stute stammte, und ihm damit den Eintrag ins General Stud Book nicht gewährte. Somit waren die verlangten zehn Vollblutkreuzungen der Mutterseite nicht gegeben, und Lavant galt als Halbblüterin. Erst als sie bewiesen hatte, dass die Leistungen ihrer Nachkommen denen eines Vollblüters entsprachen, war der Eintrag nach der Neufassung des Paragraphen möglich.

      Das erste „wirkliche Rennpferd“ in der Geschichte der neuen Rasse war der 1715 in England von Darley Arabian gezogene Hengst Flying Childers, dessen Vorfahren ausschließlich „aus dem Osten“ kamen. Er war das beste Pferd seiner Zeit und soll die Meile in einer legendären Minute gelaufen sein. Auf der Mutterseite ist er das Produkt von Inzuchttheorien und somit ein Triumph neuer Erkenntnisse in der Tierzucht. Über seine Rennen ist wenig aufgezeichnet, doch gewann er auch ein Match über 9.600 Meter. Ein wesentlich besserer Maßstab seiner damaligen Größe stammt jedoch aus dem April 1722, als er den hervorragenden Fox (1714; 11 Siege;) schlug, der drei King’s Plates, ein Ladie’s Plate und mehrere Match-Rennen gewann, unter denen sich auch eins um 2.000 Guineas befunden haben soll. In jenem Match soll Flying Childers mindestens sechs Kilo mehr im Sattel gehabt haben und Fox, der 1737 und 1735 Englands Champion-Vererber war, über eine unbekannte Distanz mit vierhundert Metern Vorsprung besiegt haben. Seine Urenkelin Allabaculia gewann zwar unter John Singleton 1779 das erste St. Ledger, doch konnte Flying Childers keine dauerhafte Hengstlinie etablieren. Das tat jedoch sein nicht gelaufener Bruder Bartlett’s Childers, der Squirt zeugte, dessen Sohn Marske der Vater des großen Eclipse wurde. Auch in den Adern des englischen Derbysieger von 1966, Charlottown, pulsierte noch Blut von Flying Childers, dessen Enkel Snap (1857; 3 x 3 auf Fox ingezogen) eines der besten Rennpferde seiner Zeit war und das Blut seines Vorfahren erfolgreich weitertrug. So auch in den Derbyiegern Saltram, der 1783 zu Epsom triumphierte und 1799 nach Virginia exportiert wurde, und dem vier Jahre jüngerem Sir Peter. In beiden Fällen war Snap, der in die USA exportiert wurde, der mütterliche Großvater. In den Pedigrees der Derbysieger Whalebone, Whisker, Phantom und Pope stand Snap in deren Ahnenreihen ebenfalls weit vorn.

      Bei dem ersten wahrhaften Rennpferd, das 49 Jahre später diese Welt betrat, Eclipse, stand Flying Childers Vater Darley Arabian als Ururgroßvater bereits drei Generationen weiter hinten, und seine Mutter Spiletta war eine Enkelin von Godolphin Arabian. Der von Marske stammende Hengst, der sieben Heats und 19 Rennen im Spaziergang gewann, muss dabei in nur zwei Jahren etwa 2.200 Kilometer gewandert sein, um 100 Kilometer in seinen Rennen zu laufen, denn Transportmöglichkeiten gab es damals noch nicht. Der 1764 während einer Sonnenfinsternis geborene Fuchs wurde nie geschlagen, war stets überlegen, eisenhart, gesund, eine Legende und als Deckhengst von überragender Bedeutung. Heute – 2007 waren es 95% – steht sein Name in fast allen Pedigrees der Vollblüter rund um die Welt. Die Pferde unserer Zeit würden ihn schlagen, aber damals muss er ein Überpferd gewesen sein. „Eclipse Erster, der Rest nirgendwo“, ein Spruch, den uns jene Zeit überlieferte. Mit diesem Phänomen überlappte sich auch die Zeit dreier weitere bedeutender Hengste: Dem harten Steher und Godolphin Arabian-Enkel Matchem (1748-81); Herod (1758-80), ein Ur-Ur-Enkel von Byerly Turk, der die Besten seiner Zeit schlug, achtmal die Deckhengstliste Englands anführte, und dessen Sohn Florizel (1768) zehn Rennen gewann und an Diomed Englands ersten Derbysieger zeugte. Der Dritte war Herold’s Sohn Highflyer (1794-93), den Sir Charles Bunbury zog, Richard Tattersall besaß und der 13 Deckhengst-Championate gewann. Mit diesen Pferden standen den Züchtern auch alle Möglichkeiten offen, um in der Zucht zu experimentieren oder neue Kreuzungen zu versuchen. Und auch die vielerorts verpönte Inzucht wurde von den frühen Züchtern intensiv genutzt (heute spricht man nur noch von Inzucht, wenn der gleiche Vorfahre weit vorn, bis zur dritten und vierten Generation, vorkommt, denn der Vollblüter als solcher ist insgesamt ingezogen). Auch die Idee des ausgewiesenen Pferdemannes Richard Tattersalls, das Blut Herod’s mit dem von Eclipse durch dessen Töchter und Hyfligher zu vereinigen resultierte in drei Derbys, zwei St. Ledgers und Frankreichs Derby 1912.

      Wichtiger als die Statistik ist jedoch die Tatsache, dass ihr Einfluss die kritische Phase in der Vollblutzucht dominierte. Sie liefen zu Beginn dieser neuen Zucht, als sich die Pferde viel langsamer entwickelten als heute (Eclipse lief erstmals als Fünfjähriger), und das „Kings Plate“, das Eclipse elfmal gewann, besaß damals den größten Prestigewert. Aber diese Rennen basierten auf Kraft und Ausdauer, und die Pferde hatten 12 Stones (76,2 kg) über vier Meilen zu tragen. Ihre Nachfahren aber liefen in einer neuen Zeit, und in dieser galten Speed und Frühreife als immer wichtigere Faktoren. Es gab nun auch Rennen für Zweijährige, und für die Dreijährigen wurden die „Classics“ St. Ledger, Oaks und Derby als der ultimative Test entwickelt. Es war jedoch keiner dieser vier großen Hengste – Eclipse, Herod, Matchem, Highflyer – allein für die neue Entwicklung verantwortlich, sondern die Kombination von Eclipse und Herod galt für die „klassische Zucht“ als das frühe Rezept. Bestes Beispiel war damals der Derbysieger von 1793, Waxy, ein Hengst von Pot-8-Os (Eclipse) aus der Herod-Tochter Maria (1777), der von William Clift geritten wurde. Sein Trainer Robson gewann sieben Derbys, zehn Oaks und galt in jenen Jahren als Bester seiner Zunft. Er starb 1838 in Newmarket. Und Waxy zeugte die Derbysieger Pope, Whalebone, Blucher und Whisker.

      Waxys Vater, der noch als Zehnjähriger im Training war, war ebenfalls ein gutes und hartes Pferd, das die Spitzenkönner seiner Zeit alle schlug. Er gewann 35 Rennen, und 17 davon führten über mehr als vier Meilen auf Newmarkets Beacon Course. Im Gestüt war er extrem erfolgreich. Er zeugte noch zwei weitere Derbysieger, und in Waxys Derby war er der Vater von sechs der dreizehn Starter. Waxy, der im Derby Gohanna (Mercury) schlug, focht mit diesem anschließend noch zahlreiche Duelle aus. Insgesamt behielt dabei aber der Derbysieger die Oberhand, doch hatte der schmale Gegner die Courage eines Löwen.

       Eclipse (1764), das überlegene Rennpferd seiner Zeit

      Im Gestüt war er ebenfalls erfolgreich, und sein Derbysieger hieß 1807 Election, der John Arnull im Sattel hatte. Für Lord Egremont war dieser Fuchs der vierte Derbysieger in Folge.

      Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts sah ebenfalls zwei ungeschlagene, brillante Vollblüter: St. Simon und Ormonde, den Gewinner der „Dreifachen Krone“. Aber sie erlebte mit Stockwell, Hermit und St. Simon auch drei außergewöhnlich erfolgreiche Deckhengste. Und diese Pferde waren gleichzeitig ein messbarer Prüfstein dafür, dass sich das Englische Vollblut weiterentwickelt hatte. Dieser Beweis wurde spätestens 1975 erbracht, als die Siegerzeiten von Derby, Oaks und St. Ledger wissenschaftlich analysiert wurden und in dem Ergebnis resultierten, dass es bis 1900 pro Dekade eine stetige Verbesserung um etwa 2 % gab. Danach war diese Tatsache kaum noch feststellbar. Wahrscheinlich war das Vollblut damals am Ende seiner genetischen Entwicklung angekommen.

      Admiral Rous schrieb

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