Die Mainzer Republik und ihre Bedeutung für die parlamentarische Demokratie in Deutschland. Группа авторов

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Die Mainzer Republik und ihre Bedeutung für die parlamentarische Demokratie in Deutschland - Группа авторов

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Felder künftiger Forschung. Die trotz Quellenverlusten umfangreichen erhaltenen Bestände bieten immer noch eine Reihe von auszuwertenden Schätzen, etwa noch nicht erschlossene Ego-Dokumente. Dobras analysiert vor allem die Überlieferungssituation zur Verwaltung der Mainzer Republik, zum Jakobinerklub und zu den Gemeinde- und Parlamentswahlen und betont, den in vieler Hinsicht experimentellen Charakter der Mainzer Republik. Weniger erforschten Themenfeldern ist ein weiterer Beitrag des Bandes gewidmet, der Möglichkeiten und Grenzen öffentlicher Kommunikation während der Mainzer Republik beleuchten. Immo Meenken zeigt, dass es in der politischen Publizistik der Mainzer Jakobiner ebenso wie in der publizistischen Reaktion der gegenrevolutionären Kräfte um die Propagierung der eigenen Sache und um Diffamierung des Gegners ging. Beide Lager nutzten jeweils auch dieselben medialen Kanäle wie Flugschriften und Periodika, Gedichte und Lieder. Die Vertreter des Ancien Régime zielten dabei auf Loyalität von Untertanen, die Mainzer Jakobiner dagegen auf politische Bewusstseinsbildung von Bürgern. In der ersten Phase der Mainzer Republik konstatiert Meenken zugleich eine „offene politische Diskurssituation“ und ein bemerkenswertes Bemühen um politischen Konsens. Die Begeisterung für die Ideale der Französischen Revolution auf der einen und deren Ablehnung auf der anderen Seite blieben aber nicht auf Mainz begrenzt, sondern erreichten auch die Bürger in Dörfern und Städten zwischen dem Mittelrhein und der Pfalz.

       Abb. 9: Mainzer Republik, Stele, Schild.

      Während in Mainz an die im 15. Jahrhundert untergegangene Stadtfreiheit erinnert und diese instrumentalisiert wurde, waren in der Freien und Reichsstadt Worms die Ideen der alten reichsstädtischen Freiheit, die gegenüber dem bischöflichen Stadtherrn im Verlaufe des Mittelalters erkämpft worden waren, weiterhin präsent und wirksam. Die städtische Verfassung privilegierte die lutherische Mehrheit, und die mit ihr verknüpften Ideen konkurrierten 1792/93 mit der neuen französischen Freiheit gleicher Bürgerrechte. Volker Gallé zeigt, dass trotz heftiger interner Konflikte zwischen Rat und Zünften die meisten Lutheraner für die alte Freiheit, die Minderheiten der Katholiken und Reformierten sowie eine Gruppe aufgeklärter Lutheraner für die neue Freiheit plädierten. Die Wormser Debatten wurden in der dortigen Lesegesellschaft vorbereitet. Deren Mitglieder kannten wichtige Publikationen der deutschen und elsässischen politischen Presse. Aufgrund der überkonfessionellen Zusammensetzung der Lesegesellschaft wurde die Idee gleicher Bürgerrechte im gesellschaftlichen Leben hier gleichsam vorweggenommen.

      Nach ersten Protesten im September 1789 kam es im November 1792 zum Aufstand in der pfalz-zweibrückischen Oberamtsstadt Bergzabern. Gemeinsam mit mehr als 30 weiteren, vor allem kurpfälzischen Gemeinden sagte man sich von der Landesherrschaft los und beantragte die Aufnahme in die Französische Republik. Anders als in der Mainzer Republik spielten in der Südpfalz die französischen Truppen bzw. der Jakobinerklub (in Landau) eine untergeordnete Rolle. Die Aufständischen bedienten sich revolutionärer Symbolhandlungen und nutzten kommunalistische Elemente für ihre Selbstorganisation. Am 22. Januar 1793 gründeten die Insurgenten eine „besondere Republick“, am 15. März nahm der Nationalkonvent in Paris die Bergzaberner in die französische Republik auf.

      Die Mainzer Republik sowie der rheinischdeutschen Nationalkonvent sind und bleiben Gegenstand aktueller Forschungen; auch für die Ereignisse in der Pfalz mit den Zentren Bergzabern und Landau werden Forschungslücken und damit Forschungsmöglichkeiten aufgezeigt. Eine der Exkursionen des Instituts für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz (IGL) im Jahre 2017 führte nach Königstein, wo in den Kellern der dortigen Festung 1793 tatsächliche oder vermeintliche Anhänger der Mainzer Republik eingekerkert wurden. Um auf einen solchen noch wenig im Bewusstsein verankerten Erinnerungsort aufmerksam zu machen, können auch weitere Forschungen einen Beitrag leisten. So wurden die im Staatsarchiv Würzburg lagernden Akten von Sara Anil zu den Mainzer Gefangenen in einer Qualifikationsarbeit an der Mainzer Universität aufgearbeitet. Im vorliegenden Band publiziert sie Teilaspekte ihrer Forschungsergebnisse.55 Die kurzlebige Mainzer Republik zog keine unmittelbaren konkreten Folgen nach sich. Folgenreich waren aber jene 16 Jahre, in denen Mainz Teil Frankreichs wurde. Walter Rummel skizziert in seinem Beitrag die sich damals links des Rheins vollziehenden epochalen Umwälzungen. Anknüpfend an eigene Forschungen verweist er auf Ambivalenzen der damaligen Prozesse. Sie wurden einerseits geprägt vom freiheitlichen Erbe der Französischen Revolution und von den Errungenschaften napoleonischer Herrschaft. Andererseits wurden Grundlagen für ein bürokratisch-paternalistisch und etatistisch geprägtes Erbe gelegt, das bis heute nicht nur in Begriffen konserviert ist. Sich dieser Traditionen und Prägungen bewusst zu werden, ist auch aktuell bedeutsam. In Demokratien gelten das Prinzip der Selbstbestimmung der Bürger und die darauf gründende Akzeptanz von Regierungshandeln als substanzieller und unverzichtbarer Kern. Vor dem Hintergrund globaler Herausforderungen zählt die schwierige Ausbalancierung und Gewährleistung dieses Prinzips auf individueller, lokaler, regionaler, nationaler, europäischer und supranationaler Ebene zu den wichtigsten Aufgaben.56

      1 Erweiterte und um ausgewählte Literaturhinweise ergänzte Fassung des einleitenden Tagungsvortrags vom 23. Oktober 2017.

      2 Veranstaltungen zum 220. Jahrestag der Ausrufung der Mainzer Republik am 18. März 2013. Platzumbenennung, Festveranstaltung, Ausstellung und Vortrag im Landtag Rheinland-Pfalz (Schriftenreihe des Landtags Rheinland-Pfalz 59), Mainz 2014, S. 23–35.

      3 Veranstaltungen zum 220. Jahrestag der Ausrufung der Mainzer Republik 2014, S. 9f.

      4 http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/­Downloads/DE/­Reden/2017/­10/171003-­TdDE-Rede-Mainz.pdf

      5 http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Downloads/­DE/Reden/­2018/03/­180319-Mainzer-­Republik.pdf

      6 Vgl. Funke 2007; Leppin 2010, S. 40ff.; Meier 2012.

      7 Vgl. Meier 1997.

      8 Veranstaltungen zum 220. Jahrestag der Ausrufung der Mainzer Republik am 18. März 2013 (wie Anm. 2), S. 9. Das Originalzitat lautet: „Zudem stehen uns die Jakobiner von 1792/93 mit ihrem Ziel einer repräsentativen Demokratie näher als alle Kurfürsten, Kaiser, Großherzöge und Generäle, die jemals das Deutschhaus bewohnten.“ Franz Dumont, 1993b, S. 558.

      9 Vgl. Dumont 2013.

      10 Vgl. Kölz 1996; Kölz 2006.

      11 Vgl. die in Kürze erscheinende Studie von Erich Schunk sowie die Zusammenfassung von Michael Martin, in LpB (Hg), Blätter zum Land, Nr. 74.

      12 Vgl. Kölz 1996, S. 105–107; Graber 2003; Adler 2006; Graber 2008; ders. 2013; ders. 2017.

      13 Vgl. Schreiner 1980, S. 139f.; Schulz 1995; Blickle 2000; Milani 2005; Pauly/Lee 2015.

      14 Vgl. Weber 1999, bes. S. 103ff., 124f.; Schreiner 1986. Vgl. zur These Webers in differenzierender und vergleichender Perspektive: Haverkamp 2012b.

      15 Haverkamp 2012a.

      16 Vgl. Spieß 1995; Cortonesi/Viola 2006; Johanek/ Freitag 2009; Irsigler 2012, S. 29–42; Matheus 2019.

      17 Vgl. Nipperdey 1981.

      18 Vgl. Schneider/Zimmermann 1990; Dartmann [u. a.] 2010; Stollberg-Rilinger/Krischer, 2010; Serena Ferente [u. a.] 2018.

      19 Toch 2013, S. 18; Vgl. Haverkamp 2015, http://ubt.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2015/916/pdf/Jews_German_Kingdom.pdf

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