Die Mainzer Republik und ihre Bedeutung für die parlamentarische Demokratie in Deutschland. Группа авторов

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Die Mainzer Republik und ihre Bedeutung für die parlamentarische Demokratie in Deutschland - Группа авторов

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dürfte dieser Band nicht fehlen. Von ähnlich großer Bedeutung sind die Protokolle des kurz nach der Übergabe von Mainz an den französischen General Custine am 23. Oktober 1792 gegründeten Mainzer Jakobinerklubs, der „Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit“: Die insgesamt drei ebenfalls blauweiß-rot gebundenen Bände spiegeln die z. T. heftig und kontrovers, fast immer mit enthusiastischem Engagement geführten Diskussionen und Debatten dieser Demokraten wider.6

       Abb. 2: Band mit den Protokollen der Sitzungen des Mainzer Nationalkonvents, 17. bis 31. März 1793.

      Die große Masse der Überlieferung machen jedoch Verwaltungsakten mit unzähligen Sitzungsprotokollen, Berichten, Verhören, Reskripten, Weisungen, Rechnungen, Eingaben, Verordnungen und Proklamationen aus. Sie ermöglichen nicht nur Einblicke in Hintergründe und Umstände der Revolutionierung, sondern auch in den Verwaltungsalltag, der z.B. im Winter 1793 nicht nur von den Vorbereitungen zur Parlamentswahl bestimmt war, sondern auch von dem verzweifelten Bemühen um ausreichende Brennholzzufuhr nach Mainz, damit die Bürger die kalte Jahreszeit überstehen konnten. Verwahrt werden diese Akten zum einen in dem Archiv der während der neun Monate amtierenden Mainzer Stadtverwaltung, der Munizipalität. Dieses befindet sich im Mainzer Stadtarchiv und zählt über 100 Einheiten, vor allem Protokolle der Sitzungen der Munizipalen sowie die Beilagen zu den verhandelten Themen. Zum anderen handelt es sich um Akten, die von den kurfürstlichen Regierungsbehörden im Zuge ihrer strafrechtlichen Untersuchungen gegen die Mitglieder des Mainzer Jakobinerklubs nach der Wiedereroberung von Mainz seit dem Sommer 1793 produziert worden sind. Diese insgesamt 872, sog. Klubistenakten liegen heute im Staatsarchiv Würzburg und stellen den größten Quellenfundus dar, aus dem die Forschungen zur Mainzer Republik geschöpft haben. Verloren sind dagegen die Protokolle und Akten der obersten zivilen Verwaltung der Mainzer Republik, der für den gesamten Landstrich zwischen Landau und Bingen zuständigen Allgemeinen Administration. Sie fielen einschließlich der Mitgliederliste des Mainzer Jakobinerklubs der Bombardierung des Staatsarchivs Darmstadts im Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Der Verlust relativiert sich aber insofern, als sich die Korrespondenzen der Allgemeinen Administration zumindest in den Akten der Mainzer Munizipalität, also in der Gegenüberlieferung, sowie teilweise in den Papieren des Vizepräsidenten der Administration und gleichzeitig eines der führenden Köpfe der Mainzer Republik, nämlich Georg Forsters,7 greifen lassen. Weitere relevante Bestände befinden sich im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien mit Akten zu den Militäraktionen und zur Wiedereroberung von Mainz durch die Reichsarmee im Sommer 1793, und natürlich in den Archives Nationales in Paris; hier vor allem die Akten des Pariser Nationalkonvents, der die revolutionäre Entwicklung in Mainz ja maßgeblich bestimmte.8

      Last but not least wäre noch auf die zahlreichen Ego-Dokumente zu verweisen, vor allem Korrespondenzen wie den mustergültig edierten Briefwechsel Georg Forsters.9 Hinzu kommen Tagebücher, bei denen im Gegensatz zu den gut erforschten Korrespondenzen noch mancher Schatz zu heben ist. So ist vor kurzem das Tagebuch des Weimarer Hofbediensteten Johann Conrad Wagner von der Germanistin Edith Zehm ediert worden.10 Wagner hat von 1792 bis 1794 an dem Feldzug der alliierten Streitkräfte gegen Frankreich als Verwalter der Feldkasse teilgenommen und auch die Belagerung von Mainz im Sommer 1793 erlebt. Sein Tagebuch diente Goethe als Erinnerungsstütze bei der Abfassung seines autobiografischen Werkes „Campagne in Frankreich 1792“.11

      Aus diesen unzähligen Quellen habe ich für meinen Überblick drei Beispiele ausgewählt, von denen jedes ein charakteristisches Licht auf die Mainzer Republik wirft. Ich werde mich zunächst mit der Verwaltung der Mainzer Republik beschäftigen, danach auf den Jakobinerclub als politische Bewegung eingehen, um mich schließlich im letzten Teil den ersten allgemeinen, auf dem Prinzip der Volkssouveränität beruhenden Gemeinde- und Parlamentswahlen in Deutschland zuzuwenden. Die Forschungs- und politische Diskussion um die Mainzer Republik bleibt bei diesem quellenorientierten Überblick ausgespart.12

       Von Behördentiteln und Behördensiegeln: Revolutionierung und Verwaltung

      Am 12. Dezember 1792 „im ersten Jahr der Frankenrepublik“ stellte die Mainzer Munizipalität der Mannheimer Schiffersfrau Spatz einen Schein aus (Abb. 3a). Mit diesem wurde die Seuchenfreiheit von Mainz bestätigt, das als „ganz gesund“ und als jeglicher „Infektion oder ansteckenden Krankheit“ unverdächtig deklariert wurde. Dieser Pass empfahl allen Obrigkeiten, die Schifferin mit ihren Spezereiwaren auf ihren zwei Schiffen ungehindert nach Speyer und zurück fahren zu lassen. Das Dokument war vom Mainzer Maire Richard Joseph Ratzen unterzeichnet. Die Datierung nach den Regierungsjahren der „Frankenrepublik“, die französische Bezeichnung des Bürgermeisters und insbesondere die eigenhändige Gegenzeichnung durch den französischen Bürger General Adam-Philippe Custine machten deutlich, dass Mainz nicht mehr unter der Herrschaft des Kurfürsten, sondern des revolutionären Frankreichs stand. Umso auffälliger ist, dass das zur Beglaubigung verwendete Siegel keine revolutionäre Freiheitssymbolik zeigt: Der Abdruck stammt von dem mit dem Mainzer Rad verzierten Stempel der alten kurfürstlichen Gesundheitsbehörde, des Consilium politicum et sanitatis. (Abb. 3b) Offensichtlich hat das weder Ratzen noch Custine gestört. Man mag dies mit der Besonderheit des seuchenpolizeilichen Verwaltungsakts erklären, für den sich eine Siegelneuanfertigung nicht lohnte, doch handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall. So hat die Mainzer Munizipalität auch von ihr ausgestellte Schuldscheine bis Anfang Februar 1793 mit einem Siegel beglaubigt, das das städtische Doppelrad zierte und als Ratssiegel der kurfürstlichen Residenzstadt Mainz firmierte.13 Schon Kurt Strecker14 hat darauf hingewiesen, dass dieses kurfürstliche Stadtratssiegel sich nur während der Mainzer Republik nachweisen lässt. Ob das Siegel auch schon vor Oktober 1792, noch unter kurfürstlicher Herrschaft, zum Einsatz kam oder womöglich sogar erst unmittelbar nach der Einnahme der Stadt durch die Franzosen angefertigt wurde, muss offen bleiben. Seit der Eroberung von Mainz durch Kurfürst Adolf von Nassau 1462 bis Mitte des 18. Jahrhunderts verfügte der Mainzer Stadtrat jedenfalls über kein eigenes Siegel mehr. Erstmals angekündigt wird ein „gewöhnliche[s] StadtSignet“ in einer von Vizedom, Gewaltboten und Stadtrat 1772 ausgestellten Urkunde,15 an der das Siegel jedoch fehlt. Hinsichtlich der Schuldverschreibungen muss man wissen, dass diese unter kurfürstlicher Herrschaft – vor der französischen Okkupation 1792 – mit dem Siegel der für die Stadt Mainz zuständigen kurfürstlichen Verwaltungsbehörde, dem Vizedomamt, beglaubigt wurden, das unter dem Kurhut einen Wappenschild mit dem erzstiftischen Einzelrad präsentierte. Strecker hat deswegen zu recht gefragt, ob „die Republikaner kein Abzeichen der Tyrannei gebrauchen“ wollten, als sie auf ein Petschaft mit den kommunalen Insignien zurückgriffen. Nach der Wiedereroberung der Stadt im Sommer 1793 „verschwand“ dieses städtische Siegel jedenfalls und wurde von einem neuen Siegel des Vizedomamts abgelöst: Dieses zeigte im Gegensatz zu vorher unter dem Kurhut nicht mehr nur das Rad des Landesherren, sondern auch das städtische Doppelrad und firmierte nun als Gemeinschaftssiegel von Vizedomamt und Stadtrat. Offensichtlich war die kurfürstliche Herrschaft unter dem Eindruck der zurückliegenden Ereignisse zumindest auf der symbolischen Ebene zu diesem Zugeständnis einer größeren Partizipation der Kommune bereit (Abb. 4a u. b).

       Abb. 3a und b: Bescheinigung der Munizipalität Mainz über die Seuchenfreiheit der Stadt, 12. Dezember 1792, mit Detailaufnahme vom Siegelabdruck. Die Siegelumschrift lautet: „SIGILLVM CONS(ilii) POLIT(ici) ET SANIT(atis) MOG(vntini)“.

       Abb. 4a: Von der Munizipalität ausgestellter und mit dem Doppelrad-Siegel der kurfürstlichen

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