Die Mainzer Republik und ihre Bedeutung für die parlamentarische Demokratie in Deutschland. Группа авторов

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an einer Überlieferung Interesse haben.

      Der misslungene Versuch, mit dem roten Buch eine Art Volksabstimmung durchzuführen, markierte den Beginn einer Krise des Klubs, die Anfang Januar 1793 ihren Höhepunkt erreichen sollte. Davon zeugen noch herausgeschnittene Seiten in den beiden Klubprotokollen (Abb. 12). Die Beseitigung der Aufzeichnungen über die Sitzungen vom 10. und 11. Januar 1793 hat jedoch nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt: Briefe von zwei Jakobinern und einem interessierten Gast, die als Augenzeugen an den Sitzungen teilnahmen,39 liefern ausführliche Berichte zu dem, was uns durch den bewussten Tilgungsakt verlorengegangen ist.

       Abb. 12: Die Reste von vier herausgeschnittenen Seiten aus einem der zwei Protokollbücher des Mainzer Jakobinerklubs mit den Einträgen zum 10./11. Januar 1793. Die Seitenzählung wurde dadurch nicht unterbrochen.

      Was aber war so brisant an diesen Seiten gewesen? Dazu ist nochmals auf das vom Pariser Nationalkonvent beschlossene Gesetz vom 15. Dezember zurückzukommen, von dem schon weiter oben die Rede war und das in Mainz einen Politikwechsel eingeleitet hatte. Denn dieses Gesetz hatte nicht nur die Durchführung von Gemeinde- und Parlamentswahlen angeordnet, sondern auch das Militär vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Kriegslage ermächtigt, die Güter aller „Despoten“ zu konfiszieren und alle zur Verteidigung nötigen Gelder durch Steuern einzutreiben. Die zunehmende Ausbeutung durch das Militär brachte jedoch Verwaltung und Jakobiner in eine immer schwierigere Lage gegenüber den Bürgern, verstanden sie sich doch als Sachwalter des „allgemeinen Wohls“40, die die Bürger vor ungerechtfertigten Forderungen des Militärs zu schützen hatten. Außerdem musste sich der Klub angesichts des anhaltenden Widerstands der Mehrheit der Mainzer Bürger grundsätzlich fragen, warum die Prinzipien von Freiheit und Gleichheit „so wenig Beifall“ fanden.41 Heftige Meinungsverschiedenheiten über den richtigen Weg der Revolutionierung brachen nun auf. In der besagten Sitzung am 10. Januar holte Andreas Joseph Hofmann in einer Rede zu einem Rundumschlag gegen die Klubführung, die Besatzungsmacht und die Allgemeine Administration aus. Den Klub beschuldigte er, durch übelbeleumundete Mitglieder, aber auch durch seine übertriebene Polemik gegen Gegner für viele Mainzer untragbar geworden zu sein. Zur besonderen Zielscheibe wurde der Präsident der Administration, Dorsch, dem Hofmann fachliche Inkompetenz und Bereicherung im Amt vorwarf. Vor allem aber prangerte Hofmann die Kriegskommissare an: Die von ihnen erhobenen Kontributionen ließen den Verdacht aufkommen, es gehe den Franzosen nur darum, Mainz auszubeuten und dann zu verlassen.42

      Die aufgestaute Unzufriedenheit gegen das Militär artikulierte auch Georg Forster in einem Rechenschaftsbericht, den er über die Amtsführung der Administration in diesen Tagen zu Papier brachte: Er verwahrte sich darin, „bloß Vollstrecker militairischer Befehle“ zu sein und „zum blinden Werkzeuge einer feindlichen Macht“ herabgewürdigt zu werden. Seine bittere Anklage gipfelte in dem Gesuch um Entlassung.43 Doch soweit kam es nicht. Offensichtlich hielt Forster seinen im Entwurf erhaltenen Rechenschaftsbericht zurück. Forster, Anfang des Jahres zum Präsidenten des Klubs gewählt, war es auch, der verhinderte, dass der Konflikt mit Hofmann auf die Spitze getrieben wurde. Am Ende der, sich auch auf den darauffolgenden Tag erstreckenden, erhitzt geführten Debatten schlug Forster als friedenstiftende Maßnahme vor, die entsprechenden Seiten aus dem Klubprotokoll herauszuschneiden und damit „alle unangenehme Erinnerung“ daran aus der Welt zu schaffen.44 Dieser Vorschlag wurde so von den Klubmitgliedern angenommen, mit dem Ergebnis, wie es sich uns heute präsentiert. Zumindest äußerlich wurde die wiederhergestellte Eintracht im Klub nur wenige Tage später, am 13. Januar, durch die neuerliche Errichtung eines Freiheitsbaumes in einem großen Fest demonstriert.

       Von Stimmzetteln und Strichlisten: Wahlen und Eidzwang

      In einer Klubistenakte im Staatsarchiv Würzburg45 haben sich von den ersten Wahlen im Heiligen Römischen Reich, die am Prinzip der Volkssouveränität orientiert und bei der alle Männer über 21 Jahre ohne Unterschied des Standes und der Religion stimmberechtigt waren, noch Stimmzettel und Strichlisten erhalten (Abb. 13a-d). Bei diesen Wahlen, die zwischen dem 24. und 26. Februar 1793 in Mainz und den anderen von den Franzosen besetzten linksrheinischen Orten durchgeführt wurden, war besonders auffallend, dass es keine Kandidatenlisten gab. Im Gegensatz zu heute waren auf den Stimmzetteln nicht die Namen der zu Wählenden gedruckt, sondern das Amt, für das die Kandidaten gewählt werden sollten: im Fall des abgebildeten Stimmzettels die Ämter des Maires und des Gemeindeprokurators (Abb. 13a). Vor dem Wahlakt hatte der Wahlvorsteher die stimmfähigen Einwohner, die in den als Wahllokal dienenden Mainzer Kirchen zusammengekommen waren, informiert, „auf ein und dasselbe Stückchen Papier die Namen der zwei Einwohner aufzuzeichnen, die sie wegen ihrer Redlichkeit, ihrer Einsicht und Vaterlandsliebe“ dieser beider Stellen „am würdigsten hielten“.46 Gab es keine absolute Mehrheit, so erfolgte ein zweiter Wahldurchgang, bei dem über die beiden Kandidaten, die die meisten Stimmen auf sich vereinigt hatten, entschieden wurde. Die abgebildeten Wahlzettel (Abb. 13b) mit Voten für Franz Konrad Macké und Richard Joseph Ratzen für das Amt des Maires und für Joseph Wasmann und Adam Umpfenbach für das Amt des Gemeindeprokurators stammen aus einer solchen Stichwahl.47

       Abb. 13a: (Ungültiger?) Stimmzettel für die Maire- und Gemeindeprokurator-Wahlen. Als Maire ist (Franz Konrad) „Macke“ eingetragen, der Name des für das Amt des Gemeindeprokurators vorgeschlagenen „Prof. (Andreas Joseph) Hoffmann“ ist dagegen durchgestrichen.

       Abb. 13b: Stimmzettel für die Stichwahlen zum Maire und Gemeindeprokurator. Bei der Wahl zum Gemeindeprokurator wurde der obere, mit „Maire“ bedruckte Teil des Stimmzettels abgeschnitten.

       Abb. 13c: Strichliste aus dem Stimmbezirk D mit den Namen der Kandidaten für die Wahl zum Stellvertreter des Mainzer Gemeindeprokurators und für die insgesamt 12 Munizipalen des Stadtrats.

       Abb. 13d: Strichliste mit der im Stadthaus vorgenommenen Auszählung der Stimmen in allen Stimmbezirken (A-F) für die Wahl zum Munizipalbeamten, alphabetisch nach Kandidaten sortiert, hier: die Buchstaben G und H. Mit 140 Stimmen gelang Georg Höffling der Einzug in die neu geschaffene Behörde.

      Wie die Stimmen ausgezählt wurden, zeigen erhaltene Strichlisten wie die hier abgebildete aus dem Stimmbezirk D (Abb. 13c)48 mit den Namen der Kandidaten für die Wahl zum Stellvertreter des Mainzer Gemeindeprokurators und für die insgesamt zwölf Munizipalen des Stadtrats. Man kann plastisch nachvollziehen, wie die Kandidaten in der Reihenfolge der ausgezählten Stimmzettel notiert wurden. Links unten zeichneten für die Richtigkeit des Ergebnisses der Präsident des betreffenden Wahlvorstands, in diesem Fall der Maire Ratzen, sowie der Schriftführer des Wahlvorstands Johann Anton Scheuer gegen. Die einzelnen Sektionen hatten danach ihre Abstimmungsergebnisse mit den Stimmzetteln verschlossen in das Stadthaus zu bringen, wo sie von der noch amtierenden provisorischen Munizipalität in Gegenwart sämtlicher Wahlvorsteher geöffnet und zusammengezählt wurden.

      Während alle sechs Mainzer Stimmbezirke, die identisch mit den in kurfürstlicher Zeit nach Buchstaben unterschiedenen Mainzer Stadtvierteln waren, gemeinsam die Munizipalität wählten, sah das Wahlverfahren für die Abgeordneten zum Rheinisch-deutschen Nationalkonvent etwas anders aus. Hier wählte jeder Stimmbezirk seinen Abgeordneten. Die Kandidaten waren frei wählbar und nicht auf einen Bezirk festgelegt, sodass

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