Unternehmensrecht. Bernd-Michael Hümer
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2.1.6.5Rechtsfolgen der Anfechtung
Unwirksamkeit der Willenserklärung
Die Ausübung des Anfechtungsrechts führt dazu, dass die Willenserklärung des Anfechtenden als von Anfang unwirksam anzusehen ist (§ 142 Abs. 1 BGB). Durch den Wegfall dieser Willenserklärung scheitert dann auch ein abgeschlossener Vertrag. Sollten also z. B. bei einem Kaufvertrag die Leistungen bereits ausgetauscht worden sein, so erfolgten diese Verfügungsgeschäfte ohne rechtlichen Grund. Sie sind dann nach § 812 Abs. 1 BGB rückabzuwickeln.
Lösung zur Handlungssituation (Fallbeispiel 4)
H könnte sich vom Vertrag mit S evtl. durch die Anfechtung seiner Willenserklärung wieder lösen (§ 142 Abs. 1 BGB). Neben einer Anfechtungserklärung (§ 143 Abs. 1, 2 BGB) und der Einhaltung der Anfechtungsfrist ist hierfür Voraussetzung, dass ein Anfechtungsgrund besteht.
Ein Anfechtungsgrund könnte zum einen sein, dass dem gekauften Wagen die Eigenschaft „unfallfrei“ fehlt. Die Unfallfreiheit ist bei einem Auto grundsätzlich ein Faktor, der auf die Wertbildung Einfluss hat und damit eine Eigenschaft i. S. d. § 119 Abs. 2 BGB darstellt. Allerdings müsste H dem C dann Schadensersatz nach § 122 Abs. 1 BGB leisten. Ferner könnte dieser Anfechtungsgrund durch die vorrangigen kaufrechtlichen Mängelvorschriften (§§ 434 ff. BGB) verdrängt sein.
Ein besserer Anfechtungsgrund könnte hier deshalb die arglistige Täuschung des S gemäß § 123 Abs. 1, 1. Var. BGB sein. Eine Täuschung setzt voraus, dass eine falsche Tatsache vorgespiegelt wird. Dies ist hier der Fall, weil S behauptet, der Wagen sei unfallfrei. Allerdings scheint fraglich, ob S auch arglistig ist. Arglistig handelt nämlich grundsätzlich nur derjenige, der Täuschungsvorsatz hat. Dabei genügt es aber, dass der Täuschende mit der Möglichkeit rechnet, dass seine Aussage falsch ist (Angabe „ins Blaue“ hinein). So liegt es hier. Folglich hat S den H arglistig getäuscht. Damit liegt der Anfechtungsgrund des § 123 Abs. 1 BGB vor. Dieser hat für H auf jeden Fall den Vorteil, dass er dem S keinen Schadensersatz zahlen muss.
Ergebnis: H kann sich vom Vertrag mit S wieder lösen.
2.2Allgemeines Schuldrecht
2.2.1Das Schuldverhältnis
Schuldverhältnis als Sonderverbindung
Unter einem Schuldverhältnis versteht man ein Rechtsverhältnis, das eine Verpflichtung einer Person gegenüber einer anderen enthält. Der Anspruchsinhaber heißt Gläubiger, der Anspruchsgegner Schuldner (§ 241 Abs. 1 BGB). Bei einem gegenseitigen Vertrag ist die Gläubiger- bzw. Schuldnerstellung im Hinblick auf die jeweilige Leistungspflicht zu sehen.
Beispiel: Bei einem Kaufvertrag sind beide Vertragsparteien Gläubiger und Schuldner – der Verkäufer ist Gläubiger des Zahlungsanspruchs und Schuldner der Übereignungspflicht, der Käufer Gläubiger des Übereignungsanspruchs und Schuldner der Zahlungspflicht.
2.2.1.1Inhalt und Pflichten beim Vertrag
Typische Pflichten bei Verträgen
Den Kern des Vertrages begründen die sog. Hauptleistungspflichten. Sie sind für die Charakterisierung des jeweiligen Vertragstyps entscheidend und bilden seinen Hauptzweck ab.
Beispiel: Beim Kaufvertrag bestehen die Hauptleistungspflichten in der Übereignung der Kaufsache und der Bezahlung des Kaufpreises.
Ein Vertrag wird grundsätzlich nicht wegen möglicher Nebenleistungspflichten abgeschlossen. Diese begleiten aber die Hauptleistungspflichten und sichern deren ordnungsgemäße Erfüllung.
Beispiel: Verpackung von Waren, Beratung über technische Details.
Die Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) resultieren aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). Wer mit einem anderen einen Vertrag schließt, ist in besonderer Weise – also mehr als ein unbeteiligter Dritter – gehalten, dem Vertragspartner keinen Schaden zuzufügen. Entscheidend dafür, welche Rücksichtnahmepflichten die Vertragsparteien konkret treffen, ist das jeweilige Vertragsverhältnis.
Beispiel: Bei einem Arbeitsvertrag als Dauerschuldverhältnis mit personalem Bezug bestehen weitergehende Rücksichtnahmepflichten (etwa Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers, Arbeitsschutzpflicht des Arbeitgebers) als bei einem auf schnellen Leistungsaustausch ausgerichteten Kaufvertrag.
2.2.1.2Die richtige Leistungserbringung
Bei einem Streit zwischen den Vertragsparteien geht es regelmäßig darum, dass eine Partei behauptet, die andere habe ihre Leistung nicht ordnungsgemäß erfüllt. Um also Ansprüche aus einer etwaigen Pflichtverletzung beurteilen zu können, ist es entscheidend, wie die jeweilige Leistung vertragsgemäß zu erbringen ist. Man unterscheidet insoweit zwischen der Leistungsart, der Leistungszeit und dem Leistungsort.
•Leistungsart
Stückschuld ≠ Gattungsschuld
Die Frage, was der Schuldner leisten muss, bereitet keine Probleme, wenn es im Vertrag z. B. um eine bestimmte Sache geht (Stückschuld). Dann ist klar, dass der Verkäufer diese eine Sache übereignen muss. Anders ist dies aber bei einer nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmten Leistung (Gattungsschuld).
Beispiel: Ein Pfund Mehl.
Im Falle einer Gattungsschuld bestimmt § 243 Abs. 1 BGB, dass die geleistete Sache von mittlerer Art und Güte sein muss. Den Schuldner trifft insoweit eine Beschaffungspflicht.
Beispiel: Der Schuldner muss das Pfund Mehl besorgen, solange es noch (irgendwo) Mehl gibt.
Konkretisierung
Diese hohen Anforderungen treffen den Schuldner allerdings nicht dauerhaft. Denn eine Gattungsschuld verwandelt sich in eine Stückschuld, sobald der Schuldner das zur Leistung seinerseits Erforderliche getan hat (§ 243 Abs. 2 BGB). Dieser Vorgang nennt sich Konkretisierung. Erforderlich ist dabei, dass die Leistung dem Gläubiger zur richtigen Zeit und am richtigen Ort angeboten wird. Ist dies der Fall, beschränkt sich die Leistungspflicht des Schuldners auf das konkrete Stück. Dies hat entscheidende Bedeutung dafür, ob sich der Schuldner bei einer Zerstörung der Sache darauf berufen kann, dass die Leistung unmöglich geworden ist und er deshalb nicht mehr zu leisten braucht (§ 275 BGB).
•Leistungszeit
Fälligkeit der Leistung
Bei der richtigen Leistungszeit geht es um die Frage, wann der Schuldner seine Leistung gegenüber dem Gläubiger erbringen muss (sog. Fälligkeit). Hierzu regelt § 271 Abs. 1 BGB, dass der Schuldner grundsätzlich sofort leisten muss. Wenn ein späterer Zeitpunkt vereinbart ist, muss der Schuldner nicht vorher leisten – er darf dies aber im Zweifel tun (§ 271 Abs. 2 BGB).
•Leistungsort
Richtiger Leistungsort
Der richtige Leistungsort beantwortet schließlich die Frage, wo der Schuldner seine Leistung an den Gläubiger zu erfüllen hat. Dieser Ort liegt nach § 269 Abs. 1, 2 BGB – wenn nichts anderes vereinbart wurde – am Wohn- bzw. Gewerbesitz des Schuldners. Der Gläubiger muss also grundsätzlich den geschuldeten Gegenstand beim Schuldner