Affären einer Pharmareferentin. Ute Richter
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Nun endlich begann Imke von Richard, dem Grafiker, zu berichten. Ihre Stimme veränderte sich so abrupt, dass dies einem Gesang glich. In allen Fassetten beschrieb sie die gemeinsame Nacht mit ihm. Dabei schien sie auf einer Wolke zu schweben.
‚Sie muss in diesen Mann verliebt sein‘, dachte Susi ‚aber warum treibt sie es dennoch mit anderen Kerlen?‘
Das verstand sie nicht. Und das Buch war sicher nur ein Vorwand, um für alle ihre Affären, eine Entschuldigung zu haben.
Kurz vor Mitternacht verabschiedeten sich die beiden und machten sich auf den Heimweg. Susi fand den Abend super und hatte neue Kraft und Energie getankt. Das brauchte sie auch, um ihren Job zu behalten. Am Morgen fühlte sie sich fit und machte Umsätze, wie schon lange nicht mehr.
‚Dies ist sicher eine Glückssträhne‘ dachte Susi ‚hoffentlich hält sie noch eine Weile an!‘
Auch die kommenden Tage waren erfolgreich.
Jeden Freitagabend mailte sie die Verkaufszahlen an ihren Chef, Herrn Mutz. Diese Woche würde er Augen machen – ganz bestimmt sogar! Die Angst, aus der Firma zu fliegen, war verschwunden. Nun konnte sie sich wieder besser auf ihren ABC-Plan konzentrieren. Von Braumeier hatte Susi noch nichts gehört. Ob er kein Interesse mehr an ihr hatte? Spät abends schrillte das Telefon, aber sie nahm nicht ab und ging zu Bett.
Morgens klingelte es wieder, doch sie ignorierte es und blieb noch wenige Minuten im Bett liegen.
Etwas später hörte sie beim Duschen ihr Handy piepsen. Schnell huschte sie tropfnass ins Wohnzimmer.
Mutz meldete sich: „Hallo Frau Reuther, wie geht es Ihnen?“ Susi antwortete: „Guten Morgen Herr Mutz, danke – mir geht es super!“ „Das glaube ich Ihnen aufs Wort, denn ich kann es an Ihren Zahlen sehen! Nun, Sie haben mich überrascht und ich bin der Meinung, Sie unterschätzt zu haben. Sie sind in diesem Monat die beste Pharmareferentin meiner Region. Während alle anderen mit dem sogenannten „Sommerloch“ zu kämpfen haben, legen Sie noch einen drauf und machen Plus zum Vorjahr. Toll, Frau Reuther! Weiter so!“ schmeichelte Mutz „Ich melde mich kommende Woche wieder bei Ihnen – Auf Wiederhören!“
Susi stand splitternackt und triefend auf dem Teppich, der die Nässe wie ein Schwamm in sich aufnahm.
Nur gut, dass Mutz sie so nicht sehen konnte!
Kaum hatte sie die Duschkabine erneut bestiegen, um ihre Körperpflege fortzusetzen, klingelte schon wieder das Telefon.
„Mein Gott, was für eine Hektik in aller Frühe!“ schrie sie wütend vor sich hin und meldete sich: „Ja!“
Am anderen Ende vernahm sie eine männliche Stimme: „Braumeier hier, guten Morgen! Frau Reuther, kommen Sie mit zum Jazz?“ „Hallo Dr. Braumeier, ja … hm … natürlich gerne … gehe ich mit!“ stammelte sie.
„Okay, dann hole ich Sie gegen 15.00 Uhr ab! Mozartstraße 5, ja?“ vergewisserte er sich.
Ohne ihre Glücksgefühle dabei zu verbergen, verabschiedete sie sich. Auch er schien sich auf diesen gemeinsamen Nachmittag zu freuen. Hinsichtlich ihres Outfits befolgte sie Imkes Rat. Sehr natürlich und adrett sah sie aus, als sie sich im Spiegelbild anschaute. Sie trug ein pastellgrünes Sommerkostüm, kombiniert mit einer weißen Hemdbluse, die ihrem Erscheinungsbild einen sportlichen Charakter gab. Dazu passten ihre neuen hellen Pumps perfekt. Eine kleine Perlenkette schmeichelte ihren Hals und das dazugehörige Armband stellte eine Verbindung zum Fingerring her, der ebenfalls eine kleine Perle umfasste. Ihr Haar trug sie offen und etwas Gel gab der Frisur Form und Halt. Susi war sehr zufrieden.
Mittlerweile war es 15.00 Uhr geworden und pünktlich, wie ein Schneider, stand Dr. Braumeier vor ihrer Tür, um sie abzuholen. Er sprang aus dem silbergrauen Mercedes, um ihr die Tür zu öffnen, und begrüßte sie mit einen charmanten Lächeln.
Im hellen sportlichen Blazer, den er zu einer beigen Cordhose trug, stellte er mehr dar, als im weißen Kittel. Um den Hals schlingerte ein passendes Tuch. Kurzum perfekt gekleidet! Sein Aftershave roch verdammt gut und vor allem teuer!!!
Im Wagen, so eng beieinander sitzend, überströmte Susi ein vertrautes Gefühl. Braumeier schlug vor, sich zu duzen und nannte seinen Vornamen. Sie meinte: „Angenehm Walter, ich heiße Susi!“
Inzwischen lachten sie miteinander und die Atmosphäre lockerte sich.
„Da schau mal, an der Ecke ist der Jazzclub, wir sind schon da!“ so der Doktor.
Er parkte in einer Seitenstraße und sie gingen in den Club. Die Musik war gut, aber laut, ja ohrenbetäubend!
An der Theke konnten beide keinen Platz mehr ergattern, deshalb nahmen sie einen der hinteren Tische in Beschlag und tranken Schwarzbier. Der enormen Lautstärke wegen, konnten sie sich kaum unterhalten. Für einen Moment sah Walter wie ein kleiner Junge aus, der soeben ein neues Spielzeugauto bekommen hatte, so fand sie. Es war diese Musik, die ihn so wahnsinnig faszinierte!
Sie stand eigentlich mehr auf Blues, doch das musste sie ihm ja nicht auf die Nase binden.
Die meisten Gäste in diesem Club trugen graues bis schneeweißes Haar und die Band bestand aus einer handvoll betagter Männer, die tolle Musik machten.
Walter bewegte seinen Kopf im Rhythmus. Auf einer kleinen Tanzfläche inmitten des Lokals fanden sich immer mehr Paare ein, um ihre Beine im Takt zu schwingen.
Plötzlich stand Walter auf und fragte Susi, ob sie es auch einmal probieren sollten. Mit einem kurzen Nicken zeigte sie ihre Bereitschaft. Er hielt sie fest in seinem Arm, und sie fühlte sich geborgen wie ein kleines Mädchen.
Tanzen gehörte zu ihren Hobbys. Doch einen Partner zu finden, der im gleichen Stil tanzen konnte, war stets ein Problem für sie. Nun hatte sie einen erwischt. Zufall?
Die Veranstaltung dauerte bis 21.00 Uhr und sie blieben bis zum Schluss. Danach gingen sie in ein chinesisches Restaurant essen. Walter war ein Mann von alter Schule und zeigte sich von allen Seiten wie ein echter Gentleman. Er rutschte dem Stuhl nach vorn und bat Susi, Platz zu nehmen, erst danach setzte er sich selbst.
‚Solche kleine Dinge imponieren den meisten Frauen‘, dachte sie. Aber er machte ihr keinerlei Komplimente, warum auch? ‚Dafür muss die Zeit reifen‘, beschloss sie spontan für sich und zu ihrer eigenen Zufriedenheit. Endlich begann er über sein Privatleben zu erzählen, darauf hatte sie voller Ungeduld gewartet. Dabei stellte sich heraus, dass er in der Tat allein lebte. Seine Frau war vor einigen Jahren verstorben, nun hatte er niemanden mehr, denn die Ehe war kinderlos geblieben.
Eine Haushälterin kam jeden Tag für ein paar Stunden in seine große Villa, um für Ordnung zu sorgen.
„Die Einsamkeit macht mich kaputt, verstehst Du das? Nach dem Tod meiner Frau dachte ich, dass die Zeit alle Wunden heilen würde, doch bei mir scheint es nicht der Fall zu sein. Nur meine Arbeit erfüllt mich noch, aber kommendes Jahr ist auch das vorbei, denn dann gehe ich in Rente. Für meine Praxis habe ich schon einen Käufer gefunden. Was ich danach tue, weiß ich nicht. Vielleicht gebe ich wöchentlich eine Vorlesung an der Uni, wer weiß? Nur, ob das genügt? Darum