Affären einer Pharmareferentin. Ute Richter
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Ihre Arbeit hatte viele Vorteile und ihr Einkommen konnte sich wirklich sehen lassen. Sie sollte mehr als zufrieden sein.
Susi ergriff das dringende Bedürfnis, sich jemanden anzuvertrauen. Daher beschloss sie, ihre Freundin Imke anzurufen, die stets ein offenes Ohr für sie hatte.
Imke war ihr persönlicher Mülleimer. Stets musste sie Susis Leben analysieren, und allen Abfall in sich reinschlucken. Von daher konnte man sie als ihren Psychiater betrachten.
Also rief sie sie an, und schilderte ihre Sorgen in allen Einzelheiten. Imke war stets ein guter Zuhörer und schlug vor, gemeinsam in eine Kneipe zu gehen. Ebenso alt wie Susi, lebte auch sie allein und kinderlos. Sie sah toll aus und trug ihr langes, lockiges Haar meist offen, welches von Natur aus blond war. Im ständigem Wechsel, was Haarfarbe und Liebhaber angingen, war sie für alles Neue offen und damit eine ausgeflippte Type. Imke hatte – im Gegensatz zu Susi – schon viele Männer vernascht. Immer hübsch einen nach dem anderen, denn sie hielt es nie lange bei ein und demselben aus. Ohne jegliches Tabu, wenn es nur aufregend genug war. Gelegentlich schlief sie mit Frauen, liebte Gruppensex oder feierte Orgien bei fragwürdigen Gastgebern! Wirklich alles hatte sie schon ausprobiert. Sie arbeitete in der Pathologie, sprach aber niemals darüber, trennte stets Beruf und Privatleben voneinander.
Susi und Imke konnten unterschiedlicher nicht sein.
Beide kannten sich seit der Schulzeit, waren gute Freundinnen geblieben, auch wenn sie mal monatelang nichts voneinander hörten, diese Freundschaft hielt Stand und war somit etwas ganz Besonderes. Beide trafen sich vor einer kleinen, gemütlichen Eckkneipe in der Innenstadt, in der Imke ab und zu versackte.
Die restaurierte Fassade schillerte in verschiedenen Farben, stilvoll präsentierten sich viele bunte Blumen und belagerten üppig die Fensterbänke. Über dem Eingang des Lokals hing ein altes, eisernes Logo. Es zeigte eine Straßenlaterne mit einem daneben liegenden (wahrscheinlich besoffenen) Kerl und den Namenszug: Zum Penner!
Aus der offen stehenden Tür plättscherte Musik aus den 70er Jahren, die beide sehr liebten und an die Jugendzeit erinnerte.
Während sie an der Bar miteinander plauderten, füllte sich die Kneipe mehr und mehr mit Männern. In ganzen Scharen stolperten diese herein. Plötzlich bekamen die Frauen vom Wirt ein Glas Sekt vor die Nase gestellt, mit der Bemerkung: „Von dem Herrn da gegenüber, bitte!“ Beide erschraken förmlich, guckten sich verwundert an und kicherten zusammen, wie schon lange nicht mehr.
Sie erhoben die Gläser und an der anderen Seite der Bar hielt ein großer, starker Kerl mit schwarzen Locken seinen Kelch in die Luft. Er prostete den Damen zu, und schien etwas zu sagen, doch bei dem Lärm war nichts zu verstehen. Die Beatles im Radio gaben noch ihren Teil dazu. Hier war scheinbar ein Männerabend angelaufen.
Dies realisierten die beiden, schauten sich in der Runde um, und lachten drauf los.
Alle Ängste schienen verflogen und der Alkohol stimmte sie fröhlich. Sie amüsierten sich köstlich und kicherten immerzu, fast so wie früher, wenn sie zusammen etwas ausgefressen hatten und dabei erwischt wurden. Plötzlich sagte Imke: „Wo sind wir hier, vielleicht im Klub der einsamen Herzen?“
Susi hielt sich die Hand vor den Mund und schüttelte mit dem Kopf vor Lachen. Tränen rollten über ihr Gesicht.
Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal so lustig war. Imke hatte in der Menge einen interessanten Mann entdeckt. Er musste so um die Fünfzig sein und erwiderte, mit offenbar großem Interesse, ihre Blicke.
Susi bemerkte dies sofort: „Naaaa, brauchbares Material gefunden?“ Imke erwiderte spontan: „Ja, es scheint so! Was meinst Du, ob das was für mich ist?“
„Er sieht sehr gut aus, könnte mir auch zusagen!“ so Susi. „Meine Fantasie flüstert mir, dass er ein Tiger im Bett ist. Da er meine Entdeckung ist, habe ich die älteren Rechte. Aber Du kannst ihn gerne kriegen, wenn ich ihn satt habe, sprich: vielleicht schon morgen, hihihi!“ kicherte Imke.
„Du wirst Dich auch nie ändern, Imke. Die armen Kerle!“ lachte sie. „Alle Männer benutzen ihre Frauen und später werden sie einfach gegen eine andere ausgetauscht. Findest Du das fair? Ich zeige der Welt, dass es auch anders herum funktioniert. Einen Kerl verrückt zu machen, das finde ich cool und aufregend. Das Ende der Beziehung lege ich dann fest, indem er den Laufpass bekommt, bevor es zu stressig wird. Mein Timing dabei ist perfekt, sag ich Dir! Nach einiger Zeit werden alle Kerle langweilig, oder etwa nicht? Nenne mir bitte einen Mann, der das nicht verdient hat! Siehst Du, Du kennst auch keinen!“ überzeugte Imke spöttisch.
„Vielleicht hast Du recht, aber ich könnte das nicht!“ antwortete Susi.
„Weißt Du, man soll Männer, wie rohe Eier behandeln“ und ein schelmischer Blick in Imkes Augen sagte weiter, „um sie später in die Pfanne zu hauen. Hahaha!!!“
Inzwischen hatte Imke wieder Blickkontakt mit dem gutaussehenden Verehrer von der gegenüberliegenden Seite der Theke aufgenommen. Auch Susi bemerkte, dass sie von all’ den Mannsbildern angestarrt wurde. Sie hätte sich aus der Vielfalt einen aussuchen können, doch sie hatte keinen Bock, nach der Affäre mit Albertino, die ihr immer noch wie Blei im Magen lag.
Imke dagegen ging in die Offensive und setzte ihren Flirt fort, indem sie ihr Opfer heranwinkte.
Sofort darauf kam dieser, namens Richard, zu den beiden herüber. Mit angenehmer Stimme erzählte er von seiner Arbeit als Grafiker. Imke war hin und weg, so toll fand sie diesen Typ.
Sie flüsterte Susi ins Ohr: „Ich glaube nicht, dass ich heute Abend allein nach Hause gehen muss, hahaha! Den kralle ich mir!“ Damit waren die Weichen gestellt.
Susi fühlte sich wie das fünfte Rad am Wagen, darum verabschiedete sie sich und ging.
Für ihre Albertino-Story und die Mutz-Geschichte blieb somit keine Zeit mehr.
Auf dem Heimweg dachte sie an Imkes Lebenswandel und deren Einstellung zum männlichen Geschlecht. Irgendwie fand sie ihre Denkweise imposant, obwohl sie selbst ganz anders gestrickt war und immer noch an die große Liebe glauben wollte.
Sie fasste den Entschluss, Silvio Albertino zu den Akten zu legen. Eine Erfahrung reicher dachte sie: ‚Nie mehr einen Italiener!‘ Bei der Erarbeitung ihres Tourenplanes stieß sie auf Dr. Braumeier, den sie dringend mal wieder konsultieren sollte, so ihr Verkaufsinstinkt! Automatisch kam ihr ABC-Plan ins Gedächtnis zurück, denn B stand für Braumeier!
B – wie Dr. Braumeier
Nur schwach konnte Susi sich an Dr. Braumeier erinnern, es waren schon viele Monate vergangen, seit ihrem letzten Besuch in seiner Praxis. Dabei zählte er zu den Favoriten in ihrem Bezirk, denn er bestellte ihre Medikamente massiv und kontinuierlich, mit anderen Worten – der Verkauf lief auch ohne ihr Zutun.
Er musste ca. sechzig Jahre alt sein. War das zu alt für Susi? Bisher hatte sie nur gleichaltrige Männer, doch inzwischen würde sie vielleicht einen Altersunterschied akzeptieren. Sie nahm sich vor, diesen Dr. Braumeier aufzusuchen, um genau das herauszufinden. Schon am folgenden Tag ging ihr dieser Doktor nicht mehr aus den Sinn. Dann endlich griff sie zum Telefon und hatte ihn höchstpersönlich an der Leine.
Eine